Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Nationalzeit, örtliche oder Weltzeit? aus dem Dienstvermerk läßt sich dann unmittelbar ersehen, wie viel Minuten Wenn wirklich der Vorschlag Professor Struves durchdringt, so wird mit Nun, da die Nationalzeit hat zurücktreten müssen, so sind nur noch Der letzte Vorschlag hat, ich kauu nur sagen leider, einen eifrigen Ver¬ Eine wirksame Abweisung jenes über das Ziel schießenden Vorschlages *) Th. v. Oppolzer, Über Weltzeit. Wien 1835.
Nationalzeit, örtliche oder Weltzeit? aus dem Dienstvermerk läßt sich dann unmittelbar ersehen, wie viel Minuten Wenn wirklich der Vorschlag Professor Struves durchdringt, so wird mit Nun, da die Nationalzeit hat zurücktreten müssen, so sind nur noch Der letzte Vorschlag hat, ich kauu nur sagen leider, einen eifrigen Ver¬ Eine wirksame Abweisung jenes über das Ziel schießenden Vorschlages *) Th. v. Oppolzer, Über Weltzeit. Wien 1835.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205065"/> <fw type="header" place="top"> Nationalzeit, örtliche oder Weltzeit?</fw><lb/> <p xml:id="ID_918" prev="#ID_917"> aus dem Dienstvermerk läßt sich dann unmittelbar ersehen, wie viel Minuten<lb/> es unterwegs gewesen ist, und der aufnehmende Beamte in Berlin hat es nicht<lb/> mehr nötig, alle möglichen fremden Zeiten, die oft nicht einmal sicher bekannt sind,<lb/> umzurechnen, sondern hat nnr eine einzige Zahl im Kopfe zu behalten, um die<lb/> Weltzeit in Berliner Zeit zu übersetzen. Ebenso in jedem andern Orte. Wir<lb/> Leipziger z. B. haben dann nach den Bestimmungen unsers verstorbenen<lb/> immer nur 49 Minuten 34^ Sekunden, also fast genau 50 Minuten znzu-<lb/> Astronvmen Vruhns fügen, so wird aus Weltzeit Leipziger Zeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_919"> Wenn wirklich der Vorschlag Professor Struves durchdringt, so wird mit<lb/> der Wende des Jahrhunderts der weltbeherrschende 5sg.ntieÄl ^iM-uno, der<lb/> jetzt noch von Mittag zu Mittag rechnet, die neue Zeit annehmen, und dann<lb/> in allein innern Dienst der Astronomen, der Geodäten, der Nautiker, der<lb/> Eisenbahn- und Telegraphenbeamten ausschließlich die Weltzeit gebraucht werden.<lb/> Wie aber soll es alsdann im bürgerlichen Leben gehalten werden?</p><lb/> <p xml:id="ID_920"> Nun, da die Nationalzeit hat zurücktreten müssen, so sind nur noch<lb/> zwei Wege offen. Entweder behalte jeder Ort, wie bisher bei uns Nord¬<lb/> deutschen, seine eigne örtliche Zeit: die Dienstuhr also nur drinnen im Dienst¬<lb/> zimmer, außen auf dem Perron aber dieselbe Uhr wie drinnen in der Stadt!<lb/> Oder aber: alle Ortszeiten werden völlig weggewischt und ausgelöscht, und<lb/> alle Mettscheu gezwungen, auch im täglichen Thun und Treiben sich nach der<lb/> Weltzeit zu richten.</p><lb/> <p xml:id="ID_921"> Der letzte Vorschlag hat, ich kauu nur sagen leider, einen eifrigen Ver¬<lb/> teidiger gefunden in dem verstorbenen Astronomen Oppolzer in Wien.^) Doch<lb/> hat er keine Aussicht, von den Deutschen angenommen zu werden. Alle Gründe<lb/> gegen die Normalzeit gelten im verstärkten Maße auch gegen die Weltzeit im<lb/> Alltagsleben. Wer wird am hellen Morgen eines Familienfestes Lust haben,<lb/> darum ein paar Stündchen mit der Feier zu warten, weil es an der Greenwicher<lb/> Uhr noch nicht so weit ist? Ja für solche Orte, die weiter von Greenwich<lb/> entfernt sind, käme es bei diesem Vorschlage zuletzt dahin, daß jemand ein<lb/> Datum, sogar sein Neujahr, statt in ernster Mitternacht zu irgend einem Zeit¬<lb/> punkte des Vor- oder Nachmittags anfangen müßte; es würde zuletzt sogar der<lb/> einfache Begriff „heute" ins Schwanken geraten. Denn ganz die Blicke von der<lb/> Sonne wegzuwenden werden die Menschen doch niemals lernen.</p><lb/> <p xml:id="ID_922" next="#ID_923"> Eine wirksame Abweisung jenes über das Ziel schießenden Vorschlages<lb/> sowohl, als auch der deutsch-nntioualen Zeit hat der Borsteher unsers<lb/> geodätischen Reichsamtes und Direktor der Berliner Sternwarte W. Förster<lb/> in der früher erwähnten kleinen Schrift: Einige „Zeitfragen" niedergelegt. Ich<lb/> kann mit nicht versagen, seine Schlußworte zu wiederholen: „Deutschland hat<lb/> hier (aus den: Gebiete der Zeiteinrichtungen) die Mission, welche ganz im Geiste</p><lb/> <note xml:id="FID_48" place="foot"> *) Th. v. Oppolzer, Über Weltzeit. Wien 1835.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0334]
Nationalzeit, örtliche oder Weltzeit?
aus dem Dienstvermerk läßt sich dann unmittelbar ersehen, wie viel Minuten
es unterwegs gewesen ist, und der aufnehmende Beamte in Berlin hat es nicht
mehr nötig, alle möglichen fremden Zeiten, die oft nicht einmal sicher bekannt sind,
umzurechnen, sondern hat nnr eine einzige Zahl im Kopfe zu behalten, um die
Weltzeit in Berliner Zeit zu übersetzen. Ebenso in jedem andern Orte. Wir
Leipziger z. B. haben dann nach den Bestimmungen unsers verstorbenen
immer nur 49 Minuten 34^ Sekunden, also fast genau 50 Minuten znzu-
Astronvmen Vruhns fügen, so wird aus Weltzeit Leipziger Zeit.
Wenn wirklich der Vorschlag Professor Struves durchdringt, so wird mit
der Wende des Jahrhunderts der weltbeherrschende 5sg.ntieÄl ^iM-uno, der
jetzt noch von Mittag zu Mittag rechnet, die neue Zeit annehmen, und dann
in allein innern Dienst der Astronomen, der Geodäten, der Nautiker, der
Eisenbahn- und Telegraphenbeamten ausschließlich die Weltzeit gebraucht werden.
Wie aber soll es alsdann im bürgerlichen Leben gehalten werden?
Nun, da die Nationalzeit hat zurücktreten müssen, so sind nur noch
zwei Wege offen. Entweder behalte jeder Ort, wie bisher bei uns Nord¬
deutschen, seine eigne örtliche Zeit: die Dienstuhr also nur drinnen im Dienst¬
zimmer, außen auf dem Perron aber dieselbe Uhr wie drinnen in der Stadt!
Oder aber: alle Ortszeiten werden völlig weggewischt und ausgelöscht, und
alle Mettscheu gezwungen, auch im täglichen Thun und Treiben sich nach der
Weltzeit zu richten.
Der letzte Vorschlag hat, ich kauu nur sagen leider, einen eifrigen Ver¬
teidiger gefunden in dem verstorbenen Astronomen Oppolzer in Wien.^) Doch
hat er keine Aussicht, von den Deutschen angenommen zu werden. Alle Gründe
gegen die Normalzeit gelten im verstärkten Maße auch gegen die Weltzeit im
Alltagsleben. Wer wird am hellen Morgen eines Familienfestes Lust haben,
darum ein paar Stündchen mit der Feier zu warten, weil es an der Greenwicher
Uhr noch nicht so weit ist? Ja für solche Orte, die weiter von Greenwich
entfernt sind, käme es bei diesem Vorschlage zuletzt dahin, daß jemand ein
Datum, sogar sein Neujahr, statt in ernster Mitternacht zu irgend einem Zeit¬
punkte des Vor- oder Nachmittags anfangen müßte; es würde zuletzt sogar der
einfache Begriff „heute" ins Schwanken geraten. Denn ganz die Blicke von der
Sonne wegzuwenden werden die Menschen doch niemals lernen.
Eine wirksame Abweisung jenes über das Ziel schießenden Vorschlages
sowohl, als auch der deutsch-nntioualen Zeit hat der Borsteher unsers
geodätischen Reichsamtes und Direktor der Berliner Sternwarte W. Förster
in der früher erwähnten kleinen Schrift: Einige „Zeitfragen" niedergelegt. Ich
kann mit nicht versagen, seine Schlußworte zu wiederholen: „Deutschland hat
hier (aus den: Gebiete der Zeiteinrichtungen) die Mission, welche ganz im Geiste
*) Th. v. Oppolzer, Über Weltzeit. Wien 1835.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |