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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Augsburger Schmalzbriefe

bietet, mit der geringen Anzahl solcher fertig zu werden, die etwa Stünkcreien
anzetteln wollen. Daß die Wünsche der Bauern, das noch übrige Besitztum
der Edelleute zu erhalten, nicht sobald einschlummern werden, besonders deshalb,
weil sie im geheimen von der Umsturzpartei immer wieder genährt werden,
darf man allerdings nicht aus den Augen verlieren, aber immerhin befindet
sich die russische Negierung infolge des Aufhörens der Teilungen und der
Konsolidirung des Gemeindebesitzes in mannigfacher Beziehung in einer an¬
genehmeren Lage als die westeuropäischen Regierungen, die unausgesetzt mit
der zunehmenden Verarmung des gesamten Grundbesitzes und dem Übermächtig-
werdeu der Kapitnlpartei zu rechnen haben.

Daß es bei einem ausbrechenden Kampfe zwischen Nußland und dem
Westen aber nicht gleichgiltig ist, in welcher Stimmung sich die Massen bei
beiden befinden, ist von maßgebender Seite zwar schon hinreichend anerkannt
worden, es dürfte aber doch gut sein, wenn man in Deutschland von dem,
was sich ans dem wirtschaftlichen Gebiete jetzt jenseits der deutsch-russischen
Grenze vollzieht, etwas mehr Kenntnis nähme, als bis jetzt im allgemeinen
geschehen ist. Am allerwenigsten entspricht den Interessen Deutschlands der
Glaube, daß die Wirtschaft der russischen Bauern auch hente noch in voller
Auflösung begriffen sei. Das letztere war bis vor kurzem allerdings der Fall,
aber wie der Jude für das Gewesene nichts giebt, so bleibt auch hier nichts
weiter übrig, als mit dem Vorhandenen und Kommenden zu rechnen, um durch
die Ereignisse uicht überrascht zu werden.




Augsburger Schmalzbriefe
von Adolf Buff

le Fastengebote der katholischen Kirche waren im Mittelalter viel
strenger als heutzutage: uicht nur Fleisch, sondern auch Milch,
Butter, Schmalz, Kühe und sonstige aus Milch bereitete Speisen
gehörten an Fasttagen zu den nicht erlaubten Dingen. In Deutsch¬
land aber, wie wohl überhaupt in Nordeuropa, wo man nicht,
wie in Italien, Olivenöl zum Backe" hatte und wo deshalb vor allem Butter
und Schmalz schwer zu entbehren war, scheinen diese strengern Bestimmungen
niemals sonderlich beachtet worden zu sein. Gleichwohl waren damit Be¬
dingungen gegeben, woraus sich unter Umständen, namentlich wenn es der


Augsburger Schmalzbriefe

bietet, mit der geringen Anzahl solcher fertig zu werden, die etwa Stünkcreien
anzetteln wollen. Daß die Wünsche der Bauern, das noch übrige Besitztum
der Edelleute zu erhalten, nicht sobald einschlummern werden, besonders deshalb,
weil sie im geheimen von der Umsturzpartei immer wieder genährt werden,
darf man allerdings nicht aus den Augen verlieren, aber immerhin befindet
sich die russische Negierung infolge des Aufhörens der Teilungen und der
Konsolidirung des Gemeindebesitzes in mannigfacher Beziehung in einer an¬
genehmeren Lage als die westeuropäischen Regierungen, die unausgesetzt mit
der zunehmenden Verarmung des gesamten Grundbesitzes und dem Übermächtig-
werdeu der Kapitnlpartei zu rechnen haben.

Daß es bei einem ausbrechenden Kampfe zwischen Nußland und dem
Westen aber nicht gleichgiltig ist, in welcher Stimmung sich die Massen bei
beiden befinden, ist von maßgebender Seite zwar schon hinreichend anerkannt
worden, es dürfte aber doch gut sein, wenn man in Deutschland von dem,
was sich ans dem wirtschaftlichen Gebiete jetzt jenseits der deutsch-russischen
Grenze vollzieht, etwas mehr Kenntnis nähme, als bis jetzt im allgemeinen
geschehen ist. Am allerwenigsten entspricht den Interessen Deutschlands der
Glaube, daß die Wirtschaft der russischen Bauern auch hente noch in voller
Auflösung begriffen sei. Das letztere war bis vor kurzem allerdings der Fall,
aber wie der Jude für das Gewesene nichts giebt, so bleibt auch hier nichts
weiter übrig, als mit dem Vorhandenen und Kommenden zu rechnen, um durch
die Ereignisse uicht überrascht zu werden.




Augsburger Schmalzbriefe
von Adolf Buff

le Fastengebote der katholischen Kirche waren im Mittelalter viel
strenger als heutzutage: uicht nur Fleisch, sondern auch Milch,
Butter, Schmalz, Kühe und sonstige aus Milch bereitete Speisen
gehörten an Fasttagen zu den nicht erlaubten Dingen. In Deutsch¬
land aber, wie wohl überhaupt in Nordeuropa, wo man nicht,
wie in Italien, Olivenöl zum Backe» hatte und wo deshalb vor allem Butter
und Schmalz schwer zu entbehren war, scheinen diese strengern Bestimmungen
niemals sonderlich beachtet worden zu sein. Gleichwohl waren damit Be¬
dingungen gegeben, woraus sich unter Umständen, namentlich wenn es der


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[0317] Augsburger Schmalzbriefe bietet, mit der geringen Anzahl solcher fertig zu werden, die etwa Stünkcreien anzetteln wollen. Daß die Wünsche der Bauern, das noch übrige Besitztum der Edelleute zu erhalten, nicht sobald einschlummern werden, besonders deshalb, weil sie im geheimen von der Umsturzpartei immer wieder genährt werden, darf man allerdings nicht aus den Augen verlieren, aber immerhin befindet sich die russische Negierung infolge des Aufhörens der Teilungen und der Konsolidirung des Gemeindebesitzes in mannigfacher Beziehung in einer an¬ genehmeren Lage als die westeuropäischen Regierungen, die unausgesetzt mit der zunehmenden Verarmung des gesamten Grundbesitzes und dem Übermächtig- werdeu der Kapitnlpartei zu rechnen haben. Daß es bei einem ausbrechenden Kampfe zwischen Nußland und dem Westen aber nicht gleichgiltig ist, in welcher Stimmung sich die Massen bei beiden befinden, ist von maßgebender Seite zwar schon hinreichend anerkannt worden, es dürfte aber doch gut sein, wenn man in Deutschland von dem, was sich ans dem wirtschaftlichen Gebiete jetzt jenseits der deutsch-russischen Grenze vollzieht, etwas mehr Kenntnis nähme, als bis jetzt im allgemeinen geschehen ist. Am allerwenigsten entspricht den Interessen Deutschlands der Glaube, daß die Wirtschaft der russischen Bauern auch hente noch in voller Auflösung begriffen sei. Das letztere war bis vor kurzem allerdings der Fall, aber wie der Jude für das Gewesene nichts giebt, so bleibt auch hier nichts weiter übrig, als mit dem Vorhandenen und Kommenden zu rechnen, um durch die Ereignisse uicht überrascht zu werden. Augsburger Schmalzbriefe von Adolf Buff le Fastengebote der katholischen Kirche waren im Mittelalter viel strenger als heutzutage: uicht nur Fleisch, sondern auch Milch, Butter, Schmalz, Kühe und sonstige aus Milch bereitete Speisen gehörten an Fasttagen zu den nicht erlaubten Dingen. In Deutsch¬ land aber, wie wohl überhaupt in Nordeuropa, wo man nicht, wie in Italien, Olivenöl zum Backe» hatte und wo deshalb vor allem Butter und Schmalz schwer zu entbehren war, scheinen diese strengern Bestimmungen niemals sonderlich beachtet worden zu sein. Gleichwohl waren damit Be¬ dingungen gegeben, woraus sich unter Umständen, namentlich wenn es der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/317>, abgerufen am 05.02.2025.