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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Geistlichkeit aus irgend welchen Gründen einfiel, die Erinnerung daran aufzu¬
frischen, leicht mannichfache Unannehmlichkeiten und für viele wohl auch arge
Gewissensnöte entwickeln kannten.

Im fünfzehnten Jahrhundert und besonders in der zweiten Hälfte desselben
müssen dergleichen Gewissensbeängstignngen öfters eingetreten sein; wenigstens
sehen wir, daß damals von vielen Seiten zur Beruhigung der Gemüter Päpst¬
liche Dispense, sogenannte Schmalz- oder Bntterbriefe, erworben wurden, in
den südliche" Teilen des Reiches z. B. von Kaufbeuren (schon 1438), Konstanz,
Ulm, Viberach, Herzogtnm Bayern, Stift Ellwangen, Zürich, Schaffhausen,
Augsburg u. s. w. Die bloße Thatsache, daß eine Stadt oder ein Distrikt
eine derartige Licenz erhalten hatte, übte natürlich für sich allein schon einen
starken Druck ans alle Nachbarn, nach ähnlichen Vergünstigungen zu trachten;
und von Rom aus, wo begreiflicherweise die Gebühren nicht ungern einge¬
strichen wurden, war man stets nach Kräften bemüht, die Bewegung hübsch
im Flusse zu erhalten.

Im folgenden soll erzählt werden, wie uuter Einwirkung von verschiednen
römischerseits zu diesem Zwecke veranstalteten Manipulationen die Augsburger
nach langem Zögern und nicht ohne Schmerzen in den Besitz einer solchen
Dispensbulle gelaugte".

Welche äußere Veranlassung es war, was sie zuerst bestimmte, sich um
diese Wohlthat zu bewerben, ist nicht näher bekannt; wir wissen aber,
daß der Rat der Stadt 1479 eine Gelegenheit fand, dem Kardinal Giulinno
della Novere, dein spätern Papst Julius II. und Neffen des damaligen Papstes
Sixtuo IV., die bezüglichen Wünsche der Bürgerschaft vortragen zu lassen.
Augsburg liege, so stellte man ihm vor, in einem kalten Lande, wo der Ölbaum
nicht gedeihe; das Olivenöl sei infolgedessen sehr teuer und für die Einwohner¬
schaft, die größtenteils aus Arbeitern und armen Leuten bestehe, im allgemeinen
unerschwinglich; die wenigen Wohlhabenden aber, die sich in der Lage befänden,
solches zu kaufen, wären an den Genuß nicht gewöhnt und hätten daher Ekel
davor. Die Augsburger wünschten ähnlich gestellt zu werden, wie die Be¬
wohner von Konstanz und der Konstanzer Diözese, denen vermöge einer besondern
päpstlichen Licenz erlaubt sei, an Fasttagen Milch- und Eierspeisen zu genießen;
in Augsburg geschehe dies zwar thatsächlich schon seit unvordenklichen Zeiten
auch ohne eine solche Licenz; eine ausdrückliche Erlaubnis sei jedoch trotzdem
höchst wünschenswert.

Angesichts der Thatsache, daß Augsburg zu deu wichtigsten und reichsten
Städten Deutschlands gehörte, war es eine etwas kühne Behauptung, die
dortige Bevölkerung bestehe größtenteils aus armen Leuten und Arbeitern.
Die fürsichtigem und weisen Herren des Rates gingen eben von der Ansicht
uns, daß arme Leute weniger zu zahlen haben würden als reiche, was ja an
sich gewiß ein ganz richtiger Gedanke war. Nur lief in der Rechnung ein


Geistlichkeit aus irgend welchen Gründen einfiel, die Erinnerung daran aufzu¬
frischen, leicht mannichfache Unannehmlichkeiten und für viele wohl auch arge
Gewissensnöte entwickeln kannten.

Im fünfzehnten Jahrhundert und besonders in der zweiten Hälfte desselben
müssen dergleichen Gewissensbeängstignngen öfters eingetreten sein; wenigstens
sehen wir, daß damals von vielen Seiten zur Beruhigung der Gemüter Päpst¬
liche Dispense, sogenannte Schmalz- oder Bntterbriefe, erworben wurden, in
den südliche» Teilen des Reiches z. B. von Kaufbeuren (schon 1438), Konstanz,
Ulm, Viberach, Herzogtnm Bayern, Stift Ellwangen, Zürich, Schaffhausen,
Augsburg u. s. w. Die bloße Thatsache, daß eine Stadt oder ein Distrikt
eine derartige Licenz erhalten hatte, übte natürlich für sich allein schon einen
starken Druck ans alle Nachbarn, nach ähnlichen Vergünstigungen zu trachten;
und von Rom aus, wo begreiflicherweise die Gebühren nicht ungern einge¬
strichen wurden, war man stets nach Kräften bemüht, die Bewegung hübsch
im Flusse zu erhalten.

Im folgenden soll erzählt werden, wie uuter Einwirkung von verschiednen
römischerseits zu diesem Zwecke veranstalteten Manipulationen die Augsburger
nach langem Zögern und nicht ohne Schmerzen in den Besitz einer solchen
Dispensbulle gelaugte».

Welche äußere Veranlassung es war, was sie zuerst bestimmte, sich um
diese Wohlthat zu bewerben, ist nicht näher bekannt; wir wissen aber,
daß der Rat der Stadt 1479 eine Gelegenheit fand, dem Kardinal Giulinno
della Novere, dein spätern Papst Julius II. und Neffen des damaligen Papstes
Sixtuo IV., die bezüglichen Wünsche der Bürgerschaft vortragen zu lassen.
Augsburg liege, so stellte man ihm vor, in einem kalten Lande, wo der Ölbaum
nicht gedeihe; das Olivenöl sei infolgedessen sehr teuer und für die Einwohner¬
schaft, die größtenteils aus Arbeitern und armen Leuten bestehe, im allgemeinen
unerschwinglich; die wenigen Wohlhabenden aber, die sich in der Lage befänden,
solches zu kaufen, wären an den Genuß nicht gewöhnt und hätten daher Ekel
davor. Die Augsburger wünschten ähnlich gestellt zu werden, wie die Be¬
wohner von Konstanz und der Konstanzer Diözese, denen vermöge einer besondern
päpstlichen Licenz erlaubt sei, an Fasttagen Milch- und Eierspeisen zu genießen;
in Augsburg geschehe dies zwar thatsächlich schon seit unvordenklichen Zeiten
auch ohne eine solche Licenz; eine ausdrückliche Erlaubnis sei jedoch trotzdem
höchst wünschenswert.

Angesichts der Thatsache, daß Augsburg zu deu wichtigsten und reichsten
Städten Deutschlands gehörte, war es eine etwas kühne Behauptung, die
dortige Bevölkerung bestehe größtenteils aus armen Leuten und Arbeitern.
Die fürsichtigem und weisen Herren des Rates gingen eben von der Ansicht
uns, daß arme Leute weniger zu zahlen haben würden als reiche, was ja an
sich gewiß ein ganz richtiger Gedanke war. Nur lief in der Rechnung ein


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[0318] Geistlichkeit aus irgend welchen Gründen einfiel, die Erinnerung daran aufzu¬ frischen, leicht mannichfache Unannehmlichkeiten und für viele wohl auch arge Gewissensnöte entwickeln kannten. Im fünfzehnten Jahrhundert und besonders in der zweiten Hälfte desselben müssen dergleichen Gewissensbeängstignngen öfters eingetreten sein; wenigstens sehen wir, daß damals von vielen Seiten zur Beruhigung der Gemüter Päpst¬ liche Dispense, sogenannte Schmalz- oder Bntterbriefe, erworben wurden, in den südliche» Teilen des Reiches z. B. von Kaufbeuren (schon 1438), Konstanz, Ulm, Viberach, Herzogtnm Bayern, Stift Ellwangen, Zürich, Schaffhausen, Augsburg u. s. w. Die bloße Thatsache, daß eine Stadt oder ein Distrikt eine derartige Licenz erhalten hatte, übte natürlich für sich allein schon einen starken Druck ans alle Nachbarn, nach ähnlichen Vergünstigungen zu trachten; und von Rom aus, wo begreiflicherweise die Gebühren nicht ungern einge¬ strichen wurden, war man stets nach Kräften bemüht, die Bewegung hübsch im Flusse zu erhalten. Im folgenden soll erzählt werden, wie uuter Einwirkung von verschiednen römischerseits zu diesem Zwecke veranstalteten Manipulationen die Augsburger nach langem Zögern und nicht ohne Schmerzen in den Besitz einer solchen Dispensbulle gelaugte». Welche äußere Veranlassung es war, was sie zuerst bestimmte, sich um diese Wohlthat zu bewerben, ist nicht näher bekannt; wir wissen aber, daß der Rat der Stadt 1479 eine Gelegenheit fand, dem Kardinal Giulinno della Novere, dein spätern Papst Julius II. und Neffen des damaligen Papstes Sixtuo IV., die bezüglichen Wünsche der Bürgerschaft vortragen zu lassen. Augsburg liege, so stellte man ihm vor, in einem kalten Lande, wo der Ölbaum nicht gedeihe; das Olivenöl sei infolgedessen sehr teuer und für die Einwohner¬ schaft, die größtenteils aus Arbeitern und armen Leuten bestehe, im allgemeinen unerschwinglich; die wenigen Wohlhabenden aber, die sich in der Lage befänden, solches zu kaufen, wären an den Genuß nicht gewöhnt und hätten daher Ekel davor. Die Augsburger wünschten ähnlich gestellt zu werden, wie die Be¬ wohner von Konstanz und der Konstanzer Diözese, denen vermöge einer besondern päpstlichen Licenz erlaubt sei, an Fasttagen Milch- und Eierspeisen zu genießen; in Augsburg geschehe dies zwar thatsächlich schon seit unvordenklichen Zeiten auch ohne eine solche Licenz; eine ausdrückliche Erlaubnis sei jedoch trotzdem höchst wünschenswert. Angesichts der Thatsache, daß Augsburg zu deu wichtigsten und reichsten Städten Deutschlands gehörte, war es eine etwas kühne Behauptung, die dortige Bevölkerung bestehe größtenteils aus armen Leuten und Arbeitern. Die fürsichtigem und weisen Herren des Rates gingen eben von der Ansicht uns, daß arme Leute weniger zu zahlen haben würden als reiche, was ja an sich gewiß ein ganz richtiger Gedanke war. Nur lief in der Rechnung ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/318>, abgerufen am 05.02.2025.