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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Kolmrg-Gotha

Herzog in Gemeinschaft mit Gustav Freytag im Jahre 1853 gründete, und
von dem wir schon damals einige Kenntnis hatten, aber erst jetzt genaueres
erfahren. Dem Herzog kam in jener Zeit, "wo die Verwickelungen in der
orientalischen Frage die Aussicht eröffneten, die politischen Interessen des
Vaterlandes neu zu beleben," der Gedanke, "die zersplitterten und in ihrer
Vereinzelung fast wirkungslosen guten Kräfte zu einer Verbindung zusammen¬
zufassen und mit ihrer Hilfe dein politischen Geiste eine freiheitlich-gemäßigte
und praktische Richtung anzuweisen. Er verfaßte zu diesem Zwecke eine Denk-
schrift über die Notwendigkeit, die Zwecke und die Organisation eines solchen
Vereins, die den Beitritt zu ihm sür "staatsbürgerliche Pflicht" erklärte und
im Hinblick auf die vorhandenen großen Parteien, die Demokraten, die mit
ihren Sympathien und Hoffnungen zu Frankreich hinneigten, und die Reaktionäre,
die Nußland als Verbündeten betrachteten, von dein Vereine erwartete, er
werde "das einzige Mittel zur Bewahrung der Nation vor dem moralischen
und vielleicht auch denn politischen Untergange" werden, das in der "Bildung
einer enggeschlossenen dritten Partei" bestehe, "welche, indem sie die Interessen
der Nation selbst vertritt, sich zwischen jene Extreme stellt und dieselben, wenn
nicht vernichtet, doch unschädlich macht." Die Bildung einer derartigen Partei,
hieß es weiter, sei möglich, "da sich ihr die Trümmer der alten Gothaer und
viele Kammerpvlititer, namentlich in Preußen, die sowohl gegen die Reaktion
als gegen die Revolution kämpften und nur noch nicht organisirt wären, an¬
schließen würden, und da sie endlich sich auf die Zustimmung der großen
Masse der Nntiou stützen würde, die sich nur für Augenblicke den extremen
Richtungen hinzugeben pflege, weil sie führerlos sei." Zwecke des Vereins
sollten nach der Denkschrift sein: 1. alle aufrichtig der deutschen Sache zu¬
gethaner, gesetzmäßig, verfassungstreu und "volksfreundlich" herrschenden
Regierungen durch direkten Einfluß in den Stnndeversammlnngen und durch
indirekten im Volke zu unterstützen. 2. den Nationalgeist, das Gefühl der
deutschen Ehre in allen Bundesstaaten zu heben, "im Gegensatze gegen die
Bestrebungen, den Begriff eines ideelle" Deutschland zu verwischen und an
dessen Stelle partikulare Bildungen zu fordern." 3. sich der Belehrung, Auf¬
klärung und "Versittlichuttg" des Volkes in jeder Weise anzunehmen. 4. "die
Parteigenossen nach sorgfältiger Prüfung für die ständische Vertretung der
einzelnen Staaten zu designiren und ihnen durch erlaubte Wege bei den Wahlen
Eingang zu verschaffen." 5. den Sinn für Konstitutionalismus zu heben.
Zu verhüten sollte die Partei haben: 1. verfassungswidriges und ungesetzliches
Regiment, 2. Irreleitung des Nationalgeistes durch die Presse und einzelne,
3. "die Möglichkeit, daß deutsche Fürsten und Stämme, eigennützigen Plänen
folgend, sich mit dem Auslande verbinden," 4. Störung des konfessionellen
Friedens, 5. Opposition in den Landtagen, die Regierungen bei "volksfreund¬
lichen Zwecken die verfassungsmäßige Zustimmung verweigert." Die Mittel


Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Kolmrg-Gotha

Herzog in Gemeinschaft mit Gustav Freytag im Jahre 1853 gründete, und
von dem wir schon damals einige Kenntnis hatten, aber erst jetzt genaueres
erfahren. Dem Herzog kam in jener Zeit, „wo die Verwickelungen in der
orientalischen Frage die Aussicht eröffneten, die politischen Interessen des
Vaterlandes neu zu beleben," der Gedanke, „die zersplitterten und in ihrer
Vereinzelung fast wirkungslosen guten Kräfte zu einer Verbindung zusammen¬
zufassen und mit ihrer Hilfe dein politischen Geiste eine freiheitlich-gemäßigte
und praktische Richtung anzuweisen. Er verfaßte zu diesem Zwecke eine Denk-
schrift über die Notwendigkeit, die Zwecke und die Organisation eines solchen
Vereins, die den Beitritt zu ihm sür „staatsbürgerliche Pflicht" erklärte und
im Hinblick auf die vorhandenen großen Parteien, die Demokraten, die mit
ihren Sympathien und Hoffnungen zu Frankreich hinneigten, und die Reaktionäre,
die Nußland als Verbündeten betrachteten, von dein Vereine erwartete, er
werde „das einzige Mittel zur Bewahrung der Nation vor dem moralischen
und vielleicht auch denn politischen Untergange" werden, das in der „Bildung
einer enggeschlossenen dritten Partei" bestehe, „welche, indem sie die Interessen
der Nation selbst vertritt, sich zwischen jene Extreme stellt und dieselben, wenn
nicht vernichtet, doch unschädlich macht." Die Bildung einer derartigen Partei,
hieß es weiter, sei möglich, „da sich ihr die Trümmer der alten Gothaer und
viele Kammerpvlititer, namentlich in Preußen, die sowohl gegen die Reaktion
als gegen die Revolution kämpften und nur noch nicht organisirt wären, an¬
schließen würden, und da sie endlich sich auf die Zustimmung der großen
Masse der Nntiou stützen würde, die sich nur für Augenblicke den extremen
Richtungen hinzugeben pflege, weil sie führerlos sei." Zwecke des Vereins
sollten nach der Denkschrift sein: 1. alle aufrichtig der deutschen Sache zu¬
gethaner, gesetzmäßig, verfassungstreu und „volksfreundlich" herrschenden
Regierungen durch direkten Einfluß in den Stnndeversammlnngen und durch
indirekten im Volke zu unterstützen. 2. den Nationalgeist, das Gefühl der
deutschen Ehre in allen Bundesstaaten zu heben, „im Gegensatze gegen die
Bestrebungen, den Begriff eines ideelle» Deutschland zu verwischen und an
dessen Stelle partikulare Bildungen zu fordern." 3. sich der Belehrung, Auf¬
klärung und „Versittlichuttg" des Volkes in jeder Weise anzunehmen. 4. „die
Parteigenossen nach sorgfältiger Prüfung für die ständische Vertretung der
einzelnen Staaten zu designiren und ihnen durch erlaubte Wege bei den Wahlen
Eingang zu verschaffen." 5. den Sinn für Konstitutionalismus zu heben.
Zu verhüten sollte die Partei haben: 1. verfassungswidriges und ungesetzliches
Regiment, 2. Irreleitung des Nationalgeistes durch die Presse und einzelne,
3. „die Möglichkeit, daß deutsche Fürsten und Stämme, eigennützigen Plänen
folgend, sich mit dem Auslande verbinden," 4. Störung des konfessionellen
Friedens, 5. Opposition in den Landtagen, die Regierungen bei „volksfreund¬
lichen Zwecken die verfassungsmäßige Zustimmung verweigert." Die Mittel


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[0165] Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Kolmrg-Gotha Herzog in Gemeinschaft mit Gustav Freytag im Jahre 1853 gründete, und von dem wir schon damals einige Kenntnis hatten, aber erst jetzt genaueres erfahren. Dem Herzog kam in jener Zeit, „wo die Verwickelungen in der orientalischen Frage die Aussicht eröffneten, die politischen Interessen des Vaterlandes neu zu beleben," der Gedanke, „die zersplitterten und in ihrer Vereinzelung fast wirkungslosen guten Kräfte zu einer Verbindung zusammen¬ zufassen und mit ihrer Hilfe dein politischen Geiste eine freiheitlich-gemäßigte und praktische Richtung anzuweisen. Er verfaßte zu diesem Zwecke eine Denk- schrift über die Notwendigkeit, die Zwecke und die Organisation eines solchen Vereins, die den Beitritt zu ihm sür „staatsbürgerliche Pflicht" erklärte und im Hinblick auf die vorhandenen großen Parteien, die Demokraten, die mit ihren Sympathien und Hoffnungen zu Frankreich hinneigten, und die Reaktionäre, die Nußland als Verbündeten betrachteten, von dein Vereine erwartete, er werde „das einzige Mittel zur Bewahrung der Nation vor dem moralischen und vielleicht auch denn politischen Untergange" werden, das in der „Bildung einer enggeschlossenen dritten Partei" bestehe, „welche, indem sie die Interessen der Nation selbst vertritt, sich zwischen jene Extreme stellt und dieselben, wenn nicht vernichtet, doch unschädlich macht." Die Bildung einer derartigen Partei, hieß es weiter, sei möglich, „da sich ihr die Trümmer der alten Gothaer und viele Kammerpvlititer, namentlich in Preußen, die sowohl gegen die Reaktion als gegen die Revolution kämpften und nur noch nicht organisirt wären, an¬ schließen würden, und da sie endlich sich auf die Zustimmung der großen Masse der Nntiou stützen würde, die sich nur für Augenblicke den extremen Richtungen hinzugeben pflege, weil sie führerlos sei." Zwecke des Vereins sollten nach der Denkschrift sein: 1. alle aufrichtig der deutschen Sache zu¬ gethaner, gesetzmäßig, verfassungstreu und „volksfreundlich" herrschenden Regierungen durch direkten Einfluß in den Stnndeversammlnngen und durch indirekten im Volke zu unterstützen. 2. den Nationalgeist, das Gefühl der deutschen Ehre in allen Bundesstaaten zu heben, „im Gegensatze gegen die Bestrebungen, den Begriff eines ideelle» Deutschland zu verwischen und an dessen Stelle partikulare Bildungen zu fordern." 3. sich der Belehrung, Auf¬ klärung und „Versittlichuttg" des Volkes in jeder Weise anzunehmen. 4. „die Parteigenossen nach sorgfältiger Prüfung für die ständische Vertretung der einzelnen Staaten zu designiren und ihnen durch erlaubte Wege bei den Wahlen Eingang zu verschaffen." 5. den Sinn für Konstitutionalismus zu heben. Zu verhüten sollte die Partei haben: 1. verfassungswidriges und ungesetzliches Regiment, 2. Irreleitung des Nationalgeistes durch die Presse und einzelne, 3. „die Möglichkeit, daß deutsche Fürsten und Stämme, eigennützigen Plänen folgend, sich mit dem Auslande verbinden," 4. Störung des konfessionellen Friedens, 5. Opposition in den Landtagen, die Regierungen bei „volksfreund¬ lichen Zwecken die verfassungsmäßige Zustimmung verweigert." Die Mittel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/165>, abgerufen am 05.02.2025.