Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Amalie von Helwig trat die junge Frau in diesen ersten Ehejahren aus der Öffentlichkeit so Die Katastrophe König Gustavs IV. im März 1809 brachte eine Er¬ Amalie von Helwig trat die junge Frau in diesen ersten Ehejahren aus der Öffentlichkeit so Die Katastrophe König Gustavs IV. im März 1809 brachte eine Er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204874"/> <fw type="header" place="top"> Amalie von Helwig</fw><lb/> <p xml:id="ID_348" prev="#ID_347"> trat die junge Frau in diesen ersten Ehejahren aus der Öffentlichkeit so<lb/> gilt wie zurück. In wunderbar veränderter Umgebung mußte sie ihre<lb/> Weimarischen Erinnerungen hegen, im Park des Edelsitzes Edsberg las sie<lb/> im Juli 1805 mit ihrer schwedischen Freundin Malta von Montgomery<lb/> Schillers Tell und beweinte den Tod des großen Freundes, der soeben auch<lb/> in Schweden bekannt geworden war, erschüttert erfuhr sie im Herbst 1806 die<lb/> Schicksale der Weimarischen Heimat nach der Schlacht bei Jena; beglückt war<lb/> sie, als während des Winters von 1806 auf 1807 Ernst Moritz Arndt, vor<lb/> Napoleons todbringenden Zorn ans Deutschland flüchtend, sich in Stockholm<lb/> niederließ und alle deutschen Anschauungen und Beziehungen auffrischte. In<lb/> elegisch freien Versen, die Schillers „Göttern Griechenlands" nachklangen,<lb/> sprach sie im April 1808 ihre „Sehnsucht nach dem vaterländischen Frühling"<lb/> aus, immerhin aber schien sie in Schweden heimisch zu werden. Zwei Söhne,<lb/> Brvr und Bernhard, wurden dem Helwigschen Paare geboren, Amaliens jüngste<lb/> Schwester, Marianne, verlobte sich mit einem Schweden. Mitten in den<lb/> Stürmen der Zeit entfaltete sich hier ein friedliches Glück, das nichts als<lb/> Dauer bedurft hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_349" next="#ID_350"> Die Katastrophe König Gustavs IV. im März 1809 brachte eine Er¬<lb/> schütterung, deren Folgen nie ganz überwunden wurden, auch sür das Helwigsche<lb/> Haus. Der hochdenkende und männliche, aber wenig begabte und in seinem<lb/> Trotz über die Machtmittel seines Reiches und die Opferwilligkeit seines Volkes<lb/> ganz und gar verblendete König, ward durch einen Aufstand des Heeres und<lb/> eine Verschwörung seiner nächsten Umgebung gestürzt, mit seiner Gemahlin<lb/> und seinem Sohne in die Verbannung geschickt, sein intriganter Oheim, der<lb/> Herzog von Södermannland aus den Thron Schwedens erhoben und was<lb/> freilich dringend notwendig und unvermeidlich war — Friede mit Rußland<lb/> und Frankreich geschlossen. Helwig hatte zu den persönlichen Günstlingen<lb/> Gustavs gehört, die Versuche, die er machte, sich Stellung und Zukunft<lb/> zu retten, waren von vornherein ziemlich aussichtslos, waren es unbedingt<lb/> von der Zeit an, wo im Juni 1810 die neue Thronfolgeordnung mit dem plötz¬<lb/> lichen Tode des zum Nachfolger Karls XIII. bestimmten Prinzen von Schleswig-<lb/> Holstein wieder ins Wanken geriet. Ans den Ränken und Kämpfen, die dem<lb/> Tode des Kronprinzen folgten, ging der französische Marschall Berncidotte als<lb/> künftiger Erbe der Krone Gustav Adolfs und Karls XII. hervor. Es ist<lb/> begreiflich, daß Personen, die so hart und schwer von dein Umschwunge der<lb/> Verhältnisse betroffen wurden, wie Karl und Amalie von Helwig, den Argwohn<lb/> teilten, der ganz Stockholm erfüllte, daß der Prinz von Schleswig-Holstein<lb/> von seinen höfischen Gegnern vergiftet worden sei, ein Argwohn, infolge dessen<lb/> der Reichsmnrschall Graf Fersen beim Leichenbegängnis des Prinzen der<lb/> Volkswut zum blutigen Opfer fiel; aber es ist unstatthaft, daß die Biographie<lb/> mit keinem Wort andeutet, daß der Verdacht keineswegs zur geschichtlichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0143]
Amalie von Helwig
trat die junge Frau in diesen ersten Ehejahren aus der Öffentlichkeit so
gilt wie zurück. In wunderbar veränderter Umgebung mußte sie ihre
Weimarischen Erinnerungen hegen, im Park des Edelsitzes Edsberg las sie
im Juli 1805 mit ihrer schwedischen Freundin Malta von Montgomery
Schillers Tell und beweinte den Tod des großen Freundes, der soeben auch
in Schweden bekannt geworden war, erschüttert erfuhr sie im Herbst 1806 die
Schicksale der Weimarischen Heimat nach der Schlacht bei Jena; beglückt war
sie, als während des Winters von 1806 auf 1807 Ernst Moritz Arndt, vor
Napoleons todbringenden Zorn ans Deutschland flüchtend, sich in Stockholm
niederließ und alle deutschen Anschauungen und Beziehungen auffrischte. In
elegisch freien Versen, die Schillers „Göttern Griechenlands" nachklangen,
sprach sie im April 1808 ihre „Sehnsucht nach dem vaterländischen Frühling"
aus, immerhin aber schien sie in Schweden heimisch zu werden. Zwei Söhne,
Brvr und Bernhard, wurden dem Helwigschen Paare geboren, Amaliens jüngste
Schwester, Marianne, verlobte sich mit einem Schweden. Mitten in den
Stürmen der Zeit entfaltete sich hier ein friedliches Glück, das nichts als
Dauer bedurft hätte.
Die Katastrophe König Gustavs IV. im März 1809 brachte eine Er¬
schütterung, deren Folgen nie ganz überwunden wurden, auch sür das Helwigsche
Haus. Der hochdenkende und männliche, aber wenig begabte und in seinem
Trotz über die Machtmittel seines Reiches und die Opferwilligkeit seines Volkes
ganz und gar verblendete König, ward durch einen Aufstand des Heeres und
eine Verschwörung seiner nächsten Umgebung gestürzt, mit seiner Gemahlin
und seinem Sohne in die Verbannung geschickt, sein intriganter Oheim, der
Herzog von Södermannland aus den Thron Schwedens erhoben und was
freilich dringend notwendig und unvermeidlich war — Friede mit Rußland
und Frankreich geschlossen. Helwig hatte zu den persönlichen Günstlingen
Gustavs gehört, die Versuche, die er machte, sich Stellung und Zukunft
zu retten, waren von vornherein ziemlich aussichtslos, waren es unbedingt
von der Zeit an, wo im Juni 1810 die neue Thronfolgeordnung mit dem plötz¬
lichen Tode des zum Nachfolger Karls XIII. bestimmten Prinzen von Schleswig-
Holstein wieder ins Wanken geriet. Ans den Ränken und Kämpfen, die dem
Tode des Kronprinzen folgten, ging der französische Marschall Berncidotte als
künftiger Erbe der Krone Gustav Adolfs und Karls XII. hervor. Es ist
begreiflich, daß Personen, die so hart und schwer von dein Umschwunge der
Verhältnisse betroffen wurden, wie Karl und Amalie von Helwig, den Argwohn
teilten, der ganz Stockholm erfüllte, daß der Prinz von Schleswig-Holstein
von seinen höfischen Gegnern vergiftet worden sei, ein Argwohn, infolge dessen
der Reichsmnrschall Graf Fersen beim Leichenbegängnis des Prinzen der
Volkswut zum blutigen Opfer fiel; aber es ist unstatthaft, daß die Biographie
mit keinem Wort andeutet, daß der Verdacht keineswegs zur geschichtlichen
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