Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Amalie von Helwig von den frühern Lebensverhältnissen ihres Vaters berührt worden ist. Sie Grenzboten II 1889 >7
Amalie von Helwig von den frühern Lebensverhältnissen ihres Vaters berührt worden ist. Sie Grenzboten II 1889 >7
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204868"/> <fw type="header" place="top"> Amalie von Helwig</fw><lb/> <p xml:id="ID_337" prev="#ID_336" next="#ID_338"> von den frühern Lebensverhältnissen ihres Vaters berührt worden ist. Sie<lb/> war elf Jahre als, als ihre Familie l787 nach Weimar übersiedelte, sie verlor<lb/> im zwölften Lebensjahre ihren Vater durch den Tod. Auf ihre Entwicklung<lb/> und Bildung übte offenbar die Familie ihrer Mutter einen weit größeren Ein¬<lb/> fluß aus, als der abenteuerliche Vater. Sie ward in die Weimnrischen Lebens¬<lb/> kreise gleichsam hineingeboren. In den Tagen, die ihrer Geburt unmittelbar<lb/> vorangegangen waren, schrieb ihr Vater, recht wie ein gebranntes .Kind, das<lb/> das Feuer scheut, seiner jungen Frau: „Hüte dich vor den Herren und Frauen<lb/> mit großen Geistern, sie möchten dafür sorgen, daß du nicht zu viel Anteil an<lb/> mir nimmst," schalt Goethe einen „Götzen in Menschengestalt" und fand das<lb/> von Goethe gezeichnete Bild seiner Frnn so schön, daß er „Moux ward."<lb/> lind Goethe spendete freilich Luise von Jmhoff Rosen und küßte ihr die Hand,<lb/> aber doch nur, weil es die Hand der Schwester Charlottens war. Er rang<lb/> eben damals umsonst, die leidenschaftliche Neigung zu Frau von Stein zu<lb/> überwinden. Sonnabend den 10. August 177t; rief er ihr zu: „Adieu Engel, ich<lb/> mag dir nichts weiter sagen, dn hast alles, was ich gethan habe, von dir los<lb/> zu kommen, wieder zu Grunde gerichtet." Und dabei blieb es denn auch<lb/> die heranwachsende Amalie von Jmhoff erblickte neben ihrer Tante Charlotte<lb/> deren großen Freund, und das „höchst schöne Kind" zog Goethe nach seinem<lb/> eignen Zeugnis lebhaft an. Er bewahrte dem jungen Mädchen auch nach<lb/> dem verhängnißvollen Bruche mit Charlotte von Stein im Sommer 1789<lb/> seine Teilnahme und freute sich, daß sie in frühen Jahren doppelte Talente<lb/> entwickelte. Der Sinn, die Lust und die Fähigkeit zum Zeichnen und Malen,<lb/> die Amnlie schon zu Eingang der neunziger Jahre an den Tag legte, waren<lb/> von ihrem Vater ererbt, der sich vielfach als Porträtmaler versucht hatte, und<lb/> wurden durch Goethes künstlerischen Freund, den Schweizer Heinrich Meyer<lb/> (den „Knuscht-Meyer") weiter entwickelt. Meyer förderte die Studien des<lb/> jungen Mädchens mit seiner gewohnten Sorgsamkeit, verliebte sich nebenbei<lb/> ein wenig in seine Schülerin und sah es mit Eifersucht, daß die reizende<lb/> Gestalt mit den schönen Augen und dein braunlockigen Haar anch andern eine<lb/> wärmere Empfindung erregte. Ihres lernenden poetischen Talentes nahm sich<lb/> zuerst Knebel um, der überall poetische Begabung witterte und jede Art<lb/> davou aufrichtig bewunderte, dann zeigte Schiller an den noch unreifen poeti¬<lb/> schen Versuchen Amaliens einen freundlich ermunternden Anteil, schließlich<lb/> erwärmte sich auch Goethe für die lyrische» Gedichte des liebenswürdigen<lb/> Hoffräuleins. Denn zur Hofdame der Prinzessin Karoline war gegen den<lb/> Ausgang des Jahrhunderts Amalie von Jmhoff ernannt worden. Dies<lb/> war ungefähr um die gleiche Zeit geschehen, wo sie mit ihrem ersten und besten<lb/> größern Gedicht: „Die Schwestern von Lesbos" (in Schillers Musenalmanach<lb/> für 1800) an die Öffentlichkeit trat. Das Andenken an die ernsten Prüfungen<lb/> eines jungen Selbstvertrauens, die der Dichterin bei dieser Gelegenheit nicht</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1889 >7</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Amalie von Helwig
von den frühern Lebensverhältnissen ihres Vaters berührt worden ist. Sie
war elf Jahre als, als ihre Familie l787 nach Weimar übersiedelte, sie verlor
im zwölften Lebensjahre ihren Vater durch den Tod. Auf ihre Entwicklung
und Bildung übte offenbar die Familie ihrer Mutter einen weit größeren Ein¬
fluß aus, als der abenteuerliche Vater. Sie ward in die Weimnrischen Lebens¬
kreise gleichsam hineingeboren. In den Tagen, die ihrer Geburt unmittelbar
vorangegangen waren, schrieb ihr Vater, recht wie ein gebranntes .Kind, das
das Feuer scheut, seiner jungen Frau: „Hüte dich vor den Herren und Frauen
mit großen Geistern, sie möchten dafür sorgen, daß du nicht zu viel Anteil an
mir nimmst," schalt Goethe einen „Götzen in Menschengestalt" und fand das
von Goethe gezeichnete Bild seiner Frnn so schön, daß er „Moux ward."
lind Goethe spendete freilich Luise von Jmhoff Rosen und küßte ihr die Hand,
aber doch nur, weil es die Hand der Schwester Charlottens war. Er rang
eben damals umsonst, die leidenschaftliche Neigung zu Frau von Stein zu
überwinden. Sonnabend den 10. August 177t; rief er ihr zu: „Adieu Engel, ich
mag dir nichts weiter sagen, dn hast alles, was ich gethan habe, von dir los
zu kommen, wieder zu Grunde gerichtet." Und dabei blieb es denn auch
die heranwachsende Amalie von Jmhoff erblickte neben ihrer Tante Charlotte
deren großen Freund, und das „höchst schöne Kind" zog Goethe nach seinem
eignen Zeugnis lebhaft an. Er bewahrte dem jungen Mädchen auch nach
dem verhängnißvollen Bruche mit Charlotte von Stein im Sommer 1789
seine Teilnahme und freute sich, daß sie in frühen Jahren doppelte Talente
entwickelte. Der Sinn, die Lust und die Fähigkeit zum Zeichnen und Malen,
die Amnlie schon zu Eingang der neunziger Jahre an den Tag legte, waren
von ihrem Vater ererbt, der sich vielfach als Porträtmaler versucht hatte, und
wurden durch Goethes künstlerischen Freund, den Schweizer Heinrich Meyer
(den „Knuscht-Meyer") weiter entwickelt. Meyer förderte die Studien des
jungen Mädchens mit seiner gewohnten Sorgsamkeit, verliebte sich nebenbei
ein wenig in seine Schülerin und sah es mit Eifersucht, daß die reizende
Gestalt mit den schönen Augen und dein braunlockigen Haar anch andern eine
wärmere Empfindung erregte. Ihres lernenden poetischen Talentes nahm sich
zuerst Knebel um, der überall poetische Begabung witterte und jede Art
davou aufrichtig bewunderte, dann zeigte Schiller an den noch unreifen poeti¬
schen Versuchen Amaliens einen freundlich ermunternden Anteil, schließlich
erwärmte sich auch Goethe für die lyrische» Gedichte des liebenswürdigen
Hoffräuleins. Denn zur Hofdame der Prinzessin Karoline war gegen den
Ausgang des Jahrhunderts Amalie von Jmhoff ernannt worden. Dies
war ungefähr um die gleiche Zeit geschehen, wo sie mit ihrem ersten und besten
größern Gedicht: „Die Schwestern von Lesbos" (in Schillers Musenalmanach
für 1800) an die Öffentlichkeit trat. Das Andenken an die ernsten Prüfungen
eines jungen Selbstvertrauens, die der Dichterin bei dieser Gelegenheit nicht
Grenzboten II 1889 >7
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