Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Zur Bekämpfung der Trunksucht gelassnen Gebiete gemachten Vorschläge sind nicht alle zu billigen, da anch Ehe wir uns aber diesen Vorschlügen im einzelnen zuwenden, müssen Was nun die zur Bekämpfung der Trunksucht gemachten Vorschläge im Bei Besprechung der ersten Gruppe stehen wir auf dem Gebiete des Ge¬ Strafbar kann natürlich die Trunkenheit nur dann sein, wenn sie in die Zur Bekämpfung der Trunksucht gelassnen Gebiete gemachten Vorschläge sind nicht alle zu billigen, da anch Ehe wir uns aber diesen Vorschlügen im einzelnen zuwenden, müssen Was nun die zur Bekämpfung der Trunksucht gemachten Vorschläge im Bei Besprechung der ersten Gruppe stehen wir auf dem Gebiete des Ge¬ Strafbar kann natürlich die Trunkenheit nur dann sein, wenn sie in die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204847"/> <fw type="header" place="top"> Zur Bekämpfung der Trunksucht</fw><lb/> <p xml:id="ID_283" prev="#ID_282"> gelassnen Gebiete gemachten Vorschläge sind nicht alle zu billigen, da anch<lb/> nnter ihnen einzelne zu weit gehen, andre erweitert werden müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_284"> Ehe wir uns aber diesen Vorschlügen im einzelnen zuwenden, müssen<lb/> wir vor allem feststellen, daß die gegen den Mißbrauch geistiger Getränke<lb/> gerichteten Bestrebungen nicht nnr gegen den übermäßigen Genuß von Brannt¬<lb/> wein im engern Sinne (Schnaps), sondern von allen spirituösen Getränken<lb/> (Rum, Kognak, Grog, Liköre n. tgi.), jn überhaupt gegen den Mißbrauch<lb/> aller berauschenden Getränke, also much von Bier und Wein gerichtet sein<lb/> müssen, wenn nicht der von mancher Seite den auf die Bekämpfung der Trunk¬<lb/> sucht gerichteten Bestrebungen gemachte Vorwurf begründet erscheinen soll,<lb/> daß mau uur den armen Mann fassen, den reichen aber ungestört lassen wolle,<lb/> während doch die Trunkenheit bei jedem Stande häßlich, bei den gebildeten<lb/> Stünden aber mit Rücksicht auf deren Bildung doppelt häßlich erscheine.</p><lb/> <p xml:id="ID_285"> Was nun die zur Bekämpfung der Trunksucht gemachten Vorschläge im<lb/> einzelnen anlangt, so kann man sie in zwei Gruppen einteilen: erstens in solche,<lb/> welche die Trunksucht nnter Strafe stellen, und zweitens in solche, die dem<lb/> übermäßigen Trinken vorbeugen wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_286"> Bei Besprechung der ersten Gruppe stehen wir auf dem Gebiete des Ge¬<lb/> setzentwurfs vou 1881, und es drängen sich dabei die zwei Fragen auf, ob<lb/> Trunkenheit allein an und für sich strafbar sei, und wie die in der Trunken¬<lb/> heit begangenen Gesetzesübertretungen geahndet werden sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_287" next="#ID_288"> Strafbar kann natürlich die Trunkenheit nur dann sein, wenn sie in die<lb/> Öffentlichkeit tritt; daß die Trunksucht, der man im geheimen fröhnt, an sich<lb/> ebenso unsittlich ist, als die öffentlich erscheinende, unterliegt ja keinem Zweifel,<lb/> wir können aber nicht alles unsittliche strafen, fondern müssen uns auf die<lb/> Bestrafung dessen beschränken, was dadurch, daß es in die Öffentlichkeit dringt,<lb/> das allgemeine Interesse erregt. Die öffentlich wahrgenommene Trunkenheit<lb/> muß aber auch Ärgernis erregen, um strafbar zu sein, und damit stellte sich<lb/> die von vielen Gegnern des Gesetzentwurfs von 1881 als unbestimmbar be¬<lb/> zeichnete Grenze zwischen strafbarer Trunkenheit und nicht strafbarer Ange-<lb/> trunkenheit (dem, wenn ich diesen Ausdruck hier brauchen darf, Angeheitertsein)<lb/> von selbst her. Wer es auch sein mag, hoch oder niedrig, der von einem<lb/> vaterländischen Feste, von einer Hochzeit oder Kindtaufe, von einer fröhlichen<lb/> Mahlzeit oder sonst irgend einem durch einen Trunk gewürzten Zusammensein<lb/> heiter nach Hause kehrt, erregt kein Ärgernis, sondern heitres Mitgefühl;<lb/> Ärgernis erregt der, der nicht durch Wem (oder ein andres Getränk) sein Herz<lb/> erfreut, sondern sich dnrch unmäßiges Trinken mehr oder weniger der Herr¬<lb/> schaft über seineu Geist oder Körper oder beide zugleich beraubt hat. Mag<lb/> ,im einzelnen Fall einmal die Grenze nicht leicht festzustellen sein, im großen<lb/> And ganzen wird man nach diesen Unterscheidungsmerkmalen die Grenzen der<lb/> iärgerniserregenden Trunkenheit feststellen können. Dies Ärgernis brauchen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
Zur Bekämpfung der Trunksucht
gelassnen Gebiete gemachten Vorschläge sind nicht alle zu billigen, da anch
nnter ihnen einzelne zu weit gehen, andre erweitert werden müssen.
Ehe wir uns aber diesen Vorschlügen im einzelnen zuwenden, müssen
wir vor allem feststellen, daß die gegen den Mißbrauch geistiger Getränke
gerichteten Bestrebungen nicht nnr gegen den übermäßigen Genuß von Brannt¬
wein im engern Sinne (Schnaps), sondern von allen spirituösen Getränken
(Rum, Kognak, Grog, Liköre n. tgi.), jn überhaupt gegen den Mißbrauch
aller berauschenden Getränke, also much von Bier und Wein gerichtet sein
müssen, wenn nicht der von mancher Seite den auf die Bekämpfung der Trunk¬
sucht gerichteten Bestrebungen gemachte Vorwurf begründet erscheinen soll,
daß mau uur den armen Mann fassen, den reichen aber ungestört lassen wolle,
während doch die Trunkenheit bei jedem Stande häßlich, bei den gebildeten
Stünden aber mit Rücksicht auf deren Bildung doppelt häßlich erscheine.
Was nun die zur Bekämpfung der Trunksucht gemachten Vorschläge im
einzelnen anlangt, so kann man sie in zwei Gruppen einteilen: erstens in solche,
welche die Trunksucht nnter Strafe stellen, und zweitens in solche, die dem
übermäßigen Trinken vorbeugen wollen.
Bei Besprechung der ersten Gruppe stehen wir auf dem Gebiete des Ge¬
setzentwurfs vou 1881, und es drängen sich dabei die zwei Fragen auf, ob
Trunkenheit allein an und für sich strafbar sei, und wie die in der Trunken¬
heit begangenen Gesetzesübertretungen geahndet werden sollen.
Strafbar kann natürlich die Trunkenheit nur dann sein, wenn sie in die
Öffentlichkeit tritt; daß die Trunksucht, der man im geheimen fröhnt, an sich
ebenso unsittlich ist, als die öffentlich erscheinende, unterliegt ja keinem Zweifel,
wir können aber nicht alles unsittliche strafen, fondern müssen uns auf die
Bestrafung dessen beschränken, was dadurch, daß es in die Öffentlichkeit dringt,
das allgemeine Interesse erregt. Die öffentlich wahrgenommene Trunkenheit
muß aber auch Ärgernis erregen, um strafbar zu sein, und damit stellte sich
die von vielen Gegnern des Gesetzentwurfs von 1881 als unbestimmbar be¬
zeichnete Grenze zwischen strafbarer Trunkenheit und nicht strafbarer Ange-
trunkenheit (dem, wenn ich diesen Ausdruck hier brauchen darf, Angeheitertsein)
von selbst her. Wer es auch sein mag, hoch oder niedrig, der von einem
vaterländischen Feste, von einer Hochzeit oder Kindtaufe, von einer fröhlichen
Mahlzeit oder sonst irgend einem durch einen Trunk gewürzten Zusammensein
heiter nach Hause kehrt, erregt kein Ärgernis, sondern heitres Mitgefühl;
Ärgernis erregt der, der nicht durch Wem (oder ein andres Getränk) sein Herz
erfreut, sondern sich dnrch unmäßiges Trinken mehr oder weniger der Herr¬
schaft über seineu Geist oder Körper oder beide zugleich beraubt hat. Mag
,im einzelnen Fall einmal die Grenze nicht leicht festzustellen sein, im großen
And ganzen wird man nach diesen Unterscheidungsmerkmalen die Grenzen der
iärgerniserregenden Trunkenheit feststellen können. Dies Ärgernis brauchen
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