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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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und seine Gesetze. Bald hat er herausgefunden, daß die Dämme zu steil
abfallen und daher um so mehr vom heftigen Wellenschlag angefressen werden.
Zufällig hat der Deichgraf des Ortes seinen Kleinknecht entlassen, Hänke bewirbt
sich um die Stelle und wird aufgenommen, hauptsächlich darum, weil er flink
rechnen kann. Der alte Deichgraf ist nämlich kein großes Licht, nur sein
reicher Besitz ließ ihm das Amt seines Vaters zufallen; die Geschäfte leiden
unter seiner Unfähigkeit und Faulheit. Mit dem Eintritte Haukes kommt ein
frischer Zug hinein; der Junge kann nicht bloß rechnen, sondern beobachtet
scharf alles, was im Dorfe vorgeht, und unterstützt von Elke, des Deichgrafen
Töchterlein, macht er bescheiden und diplomatisch auf die Mängel der Deiche
aufmerksam, so daß im Laufe der Jahre Hänke alle Geschäfte des Deichgrafen,
ohne persönlich herauszutreten, versorgt. Natürlich wird dies bald auch unter
den Leuten ruchbar, nud gar schön und künstlerisch weiß Storm die wachsende
Anerkennung , sonne den entstehenden Neid auf Haukes Bedeutung in Volks¬
szenen zu veranschaulichen. In diesen Jahren ist Hänke noch rein sachlich
gesinnt; er ist ein klarer Kopf, ein entschlossener Junge, der sein Recht zu
wahren weiß, sich nichts bieten läßt, aber auch gar nicht persönlich sich vor¬
drängt. Der häßliche Neid der andern erzeugt freilich eine bittere Menschen-
verachtung in ihm, aber vorläufig auch uicht mehr. Elke liebt er verschwiegen
und wird ebenso wieder geliebt; aber selbst nach dem Tode seines Vaters,
der ihm doch kein zu bescheidenes Grundstück hinterläßt, hat Hänke wenig
Allssicht, die Geliebte heimzuführen. Da stirbt der Deichgraf, Elke ist frei,
und auch das Deichgrafelmint muß nunmehr nen verliehen werden. Kein
Zweifel, daß einzig'.Hänke der berufene Mann dafür ist. Aber er hat
nicht den erforderlichen Grundbesitz für diese Würde. Dn, beim Leichen-
Mahl selbst, lüftet Elke das Geheimnis ihres Verlöbnisses mit Hänke, und
nun wird dieser anstandslos Deichgraf. Jahre vergehen in stiller Pflicht¬
erfüllung und in stillem Eheglück, dem leider der Kindersegen mangelt. In
halbdnrchwachten Nächten hat Hänke allerlei Pläne zur Erweiterung der Deiche
geschaffen, er konnte nicht wie andre Menschen einzig sich der Liebe und des Be¬
hagens am Besitze freuen; sein reicher Geist war unausgesetzt thätig, auch dann,
wenn er endlich an der Seite seiner geliebten, hingebungsvollen, unthätigen Elke
lag. Da rüttelt ihn ein spöttisches Wort ans, das im Dorfe umgeht und ihm
schließlich zu Ohren kommt. Hänke, heißt es, sei Deichgraf nnr von Gnaden seiner
Frau geworden. Damit ist seine ganze Leidenschaft des Ehrgeizes zu Heller
Lohe entfesselt, und nun ist er entschlossen, den Leuten zu zeigen, was für
ein Deichgraf er sein könne, und wie einzig berufen er zu diesem Amte sei.
Nun schließt er seine im Stillen entworfenen Pläne ab, und nach vielfachen
schwierigen Unterhandlungen setzt er es durch, daß die von ihm geforderten
Deiche, so viel Geld und so viel Arbeit sie auch kosten mögen, unter seiner Auf¬
sicht geballt werden. Hänke ist Feuer und Flamme, seine Arbeitskraft ver-


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und seine Gesetze. Bald hat er herausgefunden, daß die Dämme zu steil
abfallen und daher um so mehr vom heftigen Wellenschlag angefressen werden.
Zufällig hat der Deichgraf des Ortes seinen Kleinknecht entlassen, Hänke bewirbt
sich um die Stelle und wird aufgenommen, hauptsächlich darum, weil er flink
rechnen kann. Der alte Deichgraf ist nämlich kein großes Licht, nur sein
reicher Besitz ließ ihm das Amt seines Vaters zufallen; die Geschäfte leiden
unter seiner Unfähigkeit und Faulheit. Mit dem Eintritte Haukes kommt ein
frischer Zug hinein; der Junge kann nicht bloß rechnen, sondern beobachtet
scharf alles, was im Dorfe vorgeht, und unterstützt von Elke, des Deichgrafen
Töchterlein, macht er bescheiden und diplomatisch auf die Mängel der Deiche
aufmerksam, so daß im Laufe der Jahre Hänke alle Geschäfte des Deichgrafen,
ohne persönlich herauszutreten, versorgt. Natürlich wird dies bald auch unter
den Leuten ruchbar, nud gar schön und künstlerisch weiß Storm die wachsende
Anerkennung , sonne den entstehenden Neid auf Haukes Bedeutung in Volks¬
szenen zu veranschaulichen. In diesen Jahren ist Hänke noch rein sachlich
gesinnt; er ist ein klarer Kopf, ein entschlossener Junge, der sein Recht zu
wahren weiß, sich nichts bieten läßt, aber auch gar nicht persönlich sich vor¬
drängt. Der häßliche Neid der andern erzeugt freilich eine bittere Menschen-
verachtung in ihm, aber vorläufig auch uicht mehr. Elke liebt er verschwiegen
und wird ebenso wieder geliebt; aber selbst nach dem Tode seines Vaters,
der ihm doch kein zu bescheidenes Grundstück hinterläßt, hat Hänke wenig
Allssicht, die Geliebte heimzuführen. Da stirbt der Deichgraf, Elke ist frei,
und auch das Deichgrafelmint muß nunmehr nen verliehen werden. Kein
Zweifel, daß einzig'.Hänke der berufene Mann dafür ist. Aber er hat
nicht den erforderlichen Grundbesitz für diese Würde. Dn, beim Leichen-
Mahl selbst, lüftet Elke das Geheimnis ihres Verlöbnisses mit Hänke, und
nun wird dieser anstandslos Deichgraf. Jahre vergehen in stiller Pflicht¬
erfüllung und in stillem Eheglück, dem leider der Kindersegen mangelt. In
halbdnrchwachten Nächten hat Hänke allerlei Pläne zur Erweiterung der Deiche
geschaffen, er konnte nicht wie andre Menschen einzig sich der Liebe und des Be¬
hagens am Besitze freuen; sein reicher Geist war unausgesetzt thätig, auch dann,
wenn er endlich an der Seite seiner geliebten, hingebungsvollen, unthätigen Elke
lag. Da rüttelt ihn ein spöttisches Wort ans, das im Dorfe umgeht und ihm
schließlich zu Ohren kommt. Hänke, heißt es, sei Deichgraf nnr von Gnaden seiner
Frau geworden. Damit ist seine ganze Leidenschaft des Ehrgeizes zu Heller
Lohe entfesselt, und nun ist er entschlossen, den Leuten zu zeigen, was für
ein Deichgraf er sein könne, und wie einzig berufen er zu diesem Amte sei.
Nun schließt er seine im Stillen entworfenen Pläne ab, und nach vielfachen
schwierigen Unterhandlungen setzt er es durch, daß die von ihm geforderten
Deiche, so viel Geld und so viel Arbeit sie auch kosten mögen, unter seiner Auf¬
sicht geballt werden. Hänke ist Feuer und Flamme, seine Arbeitskraft ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/93>, abgerufen am 29.06.2024.