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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Leibniz als Volkswirt

Für beides, für das Erziehungswesen und für das Sanitätswesen, soll
eine beständige Generaldepntativn eingesetzt werden. Diese soll wie ein Vor¬
mund über die Unterthanen wachen, ihr soll die Sorge für die Wohlfahrt der
Menschen durch Erziehung zur Tugend und durch Erhaltung in Gesundheit und
Anweisung in der Ernährung anvertraut werden. Ans diese Weise wird es deo
Obrigkeit gelingen, Elend fern zu halten und die Verbrechen einzuschränken.

Damit kehren wir zu dem zurück, was am Anfange dieses Aufsatzes aus¬
gesprochen wurde: Leibniz will das leibliche wie das geistige Wohl der Mensch¬
heit fördern. Beide Ziele sind für ihn untrennbar.

Die Erfüllung fast aller Aufgaben der Nationalökonomie weist Leibniz
dem Staate zu. Von selbst entsteht nun die Frage: Woher sollen die Hilfs¬
mittel genommen werden? Mehr gelegentlich als zusammenhängend giebt Leibniz
Winke darüber, wie der Staat für die empfohlenen Unternehmungen Geld
gewinnen könnte. Er Null gewisse Gewerbe und Industriezweige verstaatlichen,
so die Branntweinbrennerei, nicht bloß um das Volk vor dem Genuß eines
schlechten Getränkes zu schützen, sondern auch wegen des reichen Ertrages.
An einer andern Stelle schlüge er eine Branntweinsteuer zu einem ganz
bestimmten Zwecke vor, nämlich zur Unterhaltung der Berliner Sozietät. Für
die Sicherstellung solcher Anstalten, dergleichen er in Petersburg, Dresden,
Wien entstehen zu sehen wünschte, erwähnt er auch den Seidenbau, der ebenfalls
monopolisirt werden soll; außerdem eine Tabak-, Papier- und Kartensteuer.
Besonders Luxusgegenstände sollen als solche von Auflagen betroffen werden, da¬
gegen sollen die unentbehrlichen Lebensbedürfnisse frei bleiben. Daneben verlangt
er eine Kopf- und eine Einkommensteuer. Ganz merkwürdig ist der Gedanke einer
Büchersteuer oder vielmehr die Begründung derselben. Da die Buchhändler
mehr auf ihren Borten bedacht seien, als darauf, gute Bücher unter das Volk
M bringen, und mit Scharteken und Makulatur die Welt erfüllten, so soll
das ganze Bücherwesen der Aufsicht des Staates durch die Sozietäten unter¬
liegen. Um das fast in ein Chaos der Unendlichkeit gehende Bücherwesen
etwas in Ordnung und in die Enge zu bringen, sollen alle Bücher, die ins
Land auf den Markt kommen, zentnerweise besteuert werden. Das Geld soll
der Kasse der Sozietät zugute kommen. Bedenklich mag uns auch der Vorschlag
erscheinen, Lotterien einzurichten. Doch müssen wir auf die eigentümlichen
damaligen Verhältnisse in Deutschland Rücksicht nehmen. Geld war nach den
Verwüstungen der Kriege jener Zeit überhaupt schwer zu erhalten, und denen,
die wirklich Vermögen besaßen, fehlte der Gemeinsinn, davon sür das all¬
gemeine Wohl etwas zu opfern. Leibniz griff zu jeder Auskunft, und wenn
irgendwo, so kann man hier sagen: der Zweck heiligt die Mittel. Er wollte
das auf diese Weise zusammengebrachte Geld für Wissenschaft und Bildung,
Anm Nutzen des Volkes oder zur kräftigen Fortführung des Krieges gegen
Frankreich verwandt wissen.


Leibniz als Volkswirt

Für beides, für das Erziehungswesen und für das Sanitätswesen, soll
eine beständige Generaldepntativn eingesetzt werden. Diese soll wie ein Vor¬
mund über die Unterthanen wachen, ihr soll die Sorge für die Wohlfahrt der
Menschen durch Erziehung zur Tugend und durch Erhaltung in Gesundheit und
Anweisung in der Ernährung anvertraut werden. Ans diese Weise wird es deo
Obrigkeit gelingen, Elend fern zu halten und die Verbrechen einzuschränken.

Damit kehren wir zu dem zurück, was am Anfange dieses Aufsatzes aus¬
gesprochen wurde: Leibniz will das leibliche wie das geistige Wohl der Mensch¬
heit fördern. Beide Ziele sind für ihn untrennbar.

Die Erfüllung fast aller Aufgaben der Nationalökonomie weist Leibniz
dem Staate zu. Von selbst entsteht nun die Frage: Woher sollen die Hilfs¬
mittel genommen werden? Mehr gelegentlich als zusammenhängend giebt Leibniz
Winke darüber, wie der Staat für die empfohlenen Unternehmungen Geld
gewinnen könnte. Er Null gewisse Gewerbe und Industriezweige verstaatlichen,
so die Branntweinbrennerei, nicht bloß um das Volk vor dem Genuß eines
schlechten Getränkes zu schützen, sondern auch wegen des reichen Ertrages.
An einer andern Stelle schlüge er eine Branntweinsteuer zu einem ganz
bestimmten Zwecke vor, nämlich zur Unterhaltung der Berliner Sozietät. Für
die Sicherstellung solcher Anstalten, dergleichen er in Petersburg, Dresden,
Wien entstehen zu sehen wünschte, erwähnt er auch den Seidenbau, der ebenfalls
monopolisirt werden soll; außerdem eine Tabak-, Papier- und Kartensteuer.
Besonders Luxusgegenstände sollen als solche von Auflagen betroffen werden, da¬
gegen sollen die unentbehrlichen Lebensbedürfnisse frei bleiben. Daneben verlangt
er eine Kopf- und eine Einkommensteuer. Ganz merkwürdig ist der Gedanke einer
Büchersteuer oder vielmehr die Begründung derselben. Da die Buchhändler
mehr auf ihren Borten bedacht seien, als darauf, gute Bücher unter das Volk
M bringen, und mit Scharteken und Makulatur die Welt erfüllten, so soll
das ganze Bücherwesen der Aufsicht des Staates durch die Sozietäten unter¬
liegen. Um das fast in ein Chaos der Unendlichkeit gehende Bücherwesen
etwas in Ordnung und in die Enge zu bringen, sollen alle Bücher, die ins
Land auf den Markt kommen, zentnerweise besteuert werden. Das Geld soll
der Kasse der Sozietät zugute kommen. Bedenklich mag uns auch der Vorschlag
erscheinen, Lotterien einzurichten. Doch müssen wir auf die eigentümlichen
damaligen Verhältnisse in Deutschland Rücksicht nehmen. Geld war nach den
Verwüstungen der Kriege jener Zeit überhaupt schwer zu erhalten, und denen,
die wirklich Vermögen besaßen, fehlte der Gemeinsinn, davon sür das all¬
gemeine Wohl etwas zu opfern. Leibniz griff zu jeder Auskunft, und wenn
irgendwo, so kann man hier sagen: der Zweck heiligt die Mittel. Er wollte
das auf diese Weise zusammengebrachte Geld für Wissenschaft und Bildung,
Anm Nutzen des Volkes oder zur kräftigen Fortführung des Krieges gegen
Frankreich verwandt wissen.


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[0079] Leibniz als Volkswirt Für beides, für das Erziehungswesen und für das Sanitätswesen, soll eine beständige Generaldepntativn eingesetzt werden. Diese soll wie ein Vor¬ mund über die Unterthanen wachen, ihr soll die Sorge für die Wohlfahrt der Menschen durch Erziehung zur Tugend und durch Erhaltung in Gesundheit und Anweisung in der Ernährung anvertraut werden. Ans diese Weise wird es deo Obrigkeit gelingen, Elend fern zu halten und die Verbrechen einzuschränken. Damit kehren wir zu dem zurück, was am Anfange dieses Aufsatzes aus¬ gesprochen wurde: Leibniz will das leibliche wie das geistige Wohl der Mensch¬ heit fördern. Beide Ziele sind für ihn untrennbar. Die Erfüllung fast aller Aufgaben der Nationalökonomie weist Leibniz dem Staate zu. Von selbst entsteht nun die Frage: Woher sollen die Hilfs¬ mittel genommen werden? Mehr gelegentlich als zusammenhängend giebt Leibniz Winke darüber, wie der Staat für die empfohlenen Unternehmungen Geld gewinnen könnte. Er Null gewisse Gewerbe und Industriezweige verstaatlichen, so die Branntweinbrennerei, nicht bloß um das Volk vor dem Genuß eines schlechten Getränkes zu schützen, sondern auch wegen des reichen Ertrages. An einer andern Stelle schlüge er eine Branntweinsteuer zu einem ganz bestimmten Zwecke vor, nämlich zur Unterhaltung der Berliner Sozietät. Für die Sicherstellung solcher Anstalten, dergleichen er in Petersburg, Dresden, Wien entstehen zu sehen wünschte, erwähnt er auch den Seidenbau, der ebenfalls monopolisirt werden soll; außerdem eine Tabak-, Papier- und Kartensteuer. Besonders Luxusgegenstände sollen als solche von Auflagen betroffen werden, da¬ gegen sollen die unentbehrlichen Lebensbedürfnisse frei bleiben. Daneben verlangt er eine Kopf- und eine Einkommensteuer. Ganz merkwürdig ist der Gedanke einer Büchersteuer oder vielmehr die Begründung derselben. Da die Buchhändler mehr auf ihren Borten bedacht seien, als darauf, gute Bücher unter das Volk M bringen, und mit Scharteken und Makulatur die Welt erfüllten, so soll das ganze Bücherwesen der Aufsicht des Staates durch die Sozietäten unter¬ liegen. Um das fast in ein Chaos der Unendlichkeit gehende Bücherwesen etwas in Ordnung und in die Enge zu bringen, sollen alle Bücher, die ins Land auf den Markt kommen, zentnerweise besteuert werden. Das Geld soll der Kasse der Sozietät zugute kommen. Bedenklich mag uns auch der Vorschlag erscheinen, Lotterien einzurichten. Doch müssen wir auf die eigentümlichen damaligen Verhältnisse in Deutschland Rücksicht nehmen. Geld war nach den Verwüstungen der Kriege jener Zeit überhaupt schwer zu erhalten, und denen, die wirklich Vermögen besaßen, fehlte der Gemeinsinn, davon sür das all¬ gemeine Wohl etwas zu opfern. Leibniz griff zu jeder Auskunft, und wenn irgendwo, so kann man hier sagen: der Zweck heiligt die Mittel. Er wollte das auf diese Weise zusammengebrachte Geld für Wissenschaft und Bildung, Anm Nutzen des Volkes oder zur kräftigen Fortführung des Krieges gegen Frankreich verwandt wissen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/79>, abgerufen am 29.06.2024.