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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Englische Technik und deutsche Konkurrenz

Welche Sorgfalt läßt sichs nicht der ernst- und gewissenhafte Brandes kosten,
um jeden Verdacht einer äußern Rücksicht oder eines Abhängigkeitsgefühls, den?
er bei seiner Bekämpfung der deutschen Revolutionsfreunde Raum gebe, von
sich abzuwenden!

(Fortsetzung folgt)




Englische Technik und deutsche Konkurrenz
von Johannes Wllttig ^Schluß)

5M)eim ich im Vorangegnngnen die großen Vorteile nachzuweisen
gesucht habe, die der englischen Industrie ihre bisher fast un¬
angefochtene Machtstellung verschafft haben, und die groß genug
sind, ihr auch für die Zukunft eine entschiedne Überlegenheit
zu sichern, so ist es nur billig, wenn wir uns nun mit den
Verhältnissen beschäftigen, die von englischer Seite als Gründe für die Kon¬
kurrenzfähigkeit des Auslandes, besonders Deutschlands, angeführt werden.
Vor allem sagt man, es sei natürlich, daß Deutschland billiger Produziren
könne, denn da seien ja die Lebensmittel so viel billiger, folglich die Arbeits¬
löhne fo viel niedriger; überdies sei der deutsche Arbeiter anspruchsloser als
der englische.

An diesen Behauptungen ist entschieden etwas Wahres, aber nicht allzu
viel. Wenn mau Engländer über diesen Punkt reden hört, so sollte man
meinen, der deutsche Fabrikarbeiter lebe von der Luft nebst einem Zusatze von
Sauerkraut. So groß ist nun doch die Bedürfnislosigkeit nicht. Ich glaube
bestimmt, der Arbeiter lebt im allgemeinen besser, als der Kleinbauer, und
das ist sehr gut und erfreulich. Ich glaube auch, er muß besser leben, wenn
n in geschlossnen Räumen zehn bis zwölf Stunden angestrengt arbeiten soll.
Ich will aber zugeben, daß der englische Arbeiter mehr Fleisch ißt, als der
deutsche. Das ist aber noch kein Grund, daß ihm sein Essen mehr kosten
sollte als dem deutschen. Denn der Speck und Schinken z. B., der in Eng¬
land ungemein viel und in allen möglichen Zubereitungsfvrmen gegessen wird,
ist bedeutend billiger als in Deutschland. Hier mag der Durchschnittspreis
Pf. bis 1 Mk. 20 Pf. fürs Pfund sein," in England kostet das Pfund
durchschnittlich 5 ä bis 8 d 42 bis L7 Pf.; der billigere ist meist nmeri-


Grenzboten I 1K89 69
Englische Technik und deutsche Konkurrenz

Welche Sorgfalt läßt sichs nicht der ernst- und gewissenhafte Brandes kosten,
um jeden Verdacht einer äußern Rücksicht oder eines Abhängigkeitsgefühls, den?
er bei seiner Bekämpfung der deutschen Revolutionsfreunde Raum gebe, von
sich abzuwenden!

(Fortsetzung folgt)




Englische Technik und deutsche Konkurrenz
von Johannes Wllttig ^Schluß)

5M)eim ich im Vorangegnngnen die großen Vorteile nachzuweisen
gesucht habe, die der englischen Industrie ihre bisher fast un¬
angefochtene Machtstellung verschafft haben, und die groß genug
sind, ihr auch für die Zukunft eine entschiedne Überlegenheit
zu sichern, so ist es nur billig, wenn wir uns nun mit den
Verhältnissen beschäftigen, die von englischer Seite als Gründe für die Kon¬
kurrenzfähigkeit des Auslandes, besonders Deutschlands, angeführt werden.
Vor allem sagt man, es sei natürlich, daß Deutschland billiger Produziren
könne, denn da seien ja die Lebensmittel so viel billiger, folglich die Arbeits¬
löhne fo viel niedriger; überdies sei der deutsche Arbeiter anspruchsloser als
der englische.

An diesen Behauptungen ist entschieden etwas Wahres, aber nicht allzu
viel. Wenn mau Engländer über diesen Punkt reden hört, so sollte man
meinen, der deutsche Fabrikarbeiter lebe von der Luft nebst einem Zusatze von
Sauerkraut. So groß ist nun doch die Bedürfnislosigkeit nicht. Ich glaube
bestimmt, der Arbeiter lebt im allgemeinen besser, als der Kleinbauer, und
das ist sehr gut und erfreulich. Ich glaube auch, er muß besser leben, wenn
n in geschlossnen Räumen zehn bis zwölf Stunden angestrengt arbeiten soll.
Ich will aber zugeben, daß der englische Arbeiter mehr Fleisch ißt, als der
deutsche. Das ist aber noch kein Grund, daß ihm sein Essen mehr kosten
sollte als dem deutschen. Denn der Speck und Schinken z. B., der in Eng¬
land ungemein viel und in allen möglichen Zubereitungsfvrmen gegessen wird,
ist bedeutend billiger als in Deutschland. Hier mag der Durchschnittspreis
Pf. bis 1 Mk. 20 Pf. fürs Pfund sein," in England kostet das Pfund
durchschnittlich 5 ä bis 8 d 42 bis L7 Pf.; der billigere ist meist nmeri-


Grenzboten I 1K89 69
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[0553] Englische Technik und deutsche Konkurrenz Welche Sorgfalt läßt sichs nicht der ernst- und gewissenhafte Brandes kosten, um jeden Verdacht einer äußern Rücksicht oder eines Abhängigkeitsgefühls, den? er bei seiner Bekämpfung der deutschen Revolutionsfreunde Raum gebe, von sich abzuwenden! (Fortsetzung folgt) Englische Technik und deutsche Konkurrenz von Johannes Wllttig ^Schluß) 5M)eim ich im Vorangegnngnen die großen Vorteile nachzuweisen gesucht habe, die der englischen Industrie ihre bisher fast un¬ angefochtene Machtstellung verschafft haben, und die groß genug sind, ihr auch für die Zukunft eine entschiedne Überlegenheit zu sichern, so ist es nur billig, wenn wir uns nun mit den Verhältnissen beschäftigen, die von englischer Seite als Gründe für die Kon¬ kurrenzfähigkeit des Auslandes, besonders Deutschlands, angeführt werden. Vor allem sagt man, es sei natürlich, daß Deutschland billiger Produziren könne, denn da seien ja die Lebensmittel so viel billiger, folglich die Arbeits¬ löhne fo viel niedriger; überdies sei der deutsche Arbeiter anspruchsloser als der englische. An diesen Behauptungen ist entschieden etwas Wahres, aber nicht allzu viel. Wenn mau Engländer über diesen Punkt reden hört, so sollte man meinen, der deutsche Fabrikarbeiter lebe von der Luft nebst einem Zusatze von Sauerkraut. So groß ist nun doch die Bedürfnislosigkeit nicht. Ich glaube bestimmt, der Arbeiter lebt im allgemeinen besser, als der Kleinbauer, und das ist sehr gut und erfreulich. Ich glaube auch, er muß besser leben, wenn n in geschlossnen Räumen zehn bis zwölf Stunden angestrengt arbeiten soll. Ich will aber zugeben, daß der englische Arbeiter mehr Fleisch ißt, als der deutsche. Das ist aber noch kein Grund, daß ihm sein Essen mehr kosten sollte als dem deutschen. Denn der Speck und Schinken z. B., der in Eng¬ land ungemein viel und in allen möglichen Zubereitungsfvrmen gegessen wird, ist bedeutend billiger als in Deutschland. Hier mag der Durchschnittspreis Pf. bis 1 Mk. 20 Pf. fürs Pfund sein," in England kostet das Pfund durchschnittlich 5 ä bis 8 d 42 bis L7 Pf.; der billigere ist meist nmeri- Grenzboten I 1K89 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/553>, abgerufen am 29.06.2024.