Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Erklärung deutscher Revolntionssympathien ^7H0--

Berfasfungswerk zu schafft", konnte ja doch in dem ganz wundersamen Ausnahme¬
zustände, worin sich Frankreich befand, unmöglich auf solche Weise in Wirk¬
samkeit treten, daß man daraus dein Gläubigen in zwingender Weise die
Falschheit jener Lehren selbst und die Unbrauchbarkeit der ans sie gegründeten
Einrichtungen hätte beweisen können.

Und in allem Streite genossen die revolutionären Gedanken und Lehren
-- Männer wie Brandes und Gentz versäumten nicht auch darauf hinzu¬
weisen -- einen Vorteil, den sie mit den Lehren des Despotismus gemein
hatten: sie waren einfach, leicht faßlich und schnitten scharf durch, gegenüber
der Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte und der vielseitigen Erwägungen, deren
es bedürfte, sie abzuweisen. Welch ein Erfolg, den des Amerikaners Payne
Schrift über die Menschenrechte aus deutschem Voden erzielte! Gegenüber den
wuchtigen, tiefgreifenden, dann und wann überschwänglichen Behauptungen,
mit denen der Engländer Burke die französischen Verfassnngsarbeiter als gänz¬
lich unbekannt mit den wahren Bedingungen staatlicher Bildungen angegriffen
hatte, löst der Amerikaner die schwierigsten Probleme in einfachster Weise
mittels einiger Sätze über die ursprünglichen Rechte des Menschen und über
die Art, wie, ihnen entsprechend und zu ihrer Sicherung und Ausübung, der
Übergang zu staatlichen Zustünden habe erfolgen müssen. In Verbindung
mit einer überaus einseitigen Darstellung der Revvlutivusereignisse brachten
diese dürftigen Erörterungen dem Buche eine Aufnahme, daß unter den Er¬
zeugnissen der außerdeutschen Litteratur vor allen dieses, so wird uns ver¬
sichert, den deutscheu Freunden der Nationalversammlung als ein Evangelium
galt. Und nichts faßlicheres und leichter eingehendes läßt sich denken als die
mit bequemem und rücksichtslosem Witze gewürzte Art, in der der Freiherr
v. Knigge politische Schriftstellerei treibt, sei es, um in seiner Geschichte des
Pinselordens Vergangenheit und Gegenwart zu durchmustern und das Prädikat
der Dummheit oder des Gegenteils nach rechts und nach links hin an Personen,
Einrichtungen und Grundsätze zu verteilen, sei es, nur durch seinen abhssinischen
Prinzen (am Schlüsse der "Geschichte der Ausklärung in Abyssinien") eine
Art von Musterstaat auf einem glatten, von allem Historischen gesäuberten
Boden aus reinen Naturrechts- und Zweckmäßigkeitsprinzipien konstruiren
zu lassen.

Das Wichtigste und Hauptsächlichste aber für die Erfolge der französischen
Nevolutionseindrücke lag doch immer in der Vorbereitung, die den Deutschen
durch die Aufklärmlgsbewegung der letzten Jahrzehnte zu Teil geworden war.
Denn für wie viele mußte darnach das Vorgehen der Franzosen nur als die
Konsequenz ihrer eignen Anschauungen, der Widersacher aber vielleicht als
Verlengner von dem erscheinen, wozu er bisher, mehr oder weniger deutlich
und ausdrücklich, sich selbst bekannt hatte! Trat doch die revolutionäre Arbeit
als die allgemein wahre und euizig richtige Ausführung von Gedanken und


Zur Erklärung deutscher Revolntionssympathien ^7H0—

Berfasfungswerk zu schafft», konnte ja doch in dem ganz wundersamen Ausnahme¬
zustände, worin sich Frankreich befand, unmöglich auf solche Weise in Wirk¬
samkeit treten, daß man daraus dein Gläubigen in zwingender Weise die
Falschheit jener Lehren selbst und die Unbrauchbarkeit der ans sie gegründeten
Einrichtungen hätte beweisen können.

Und in allem Streite genossen die revolutionären Gedanken und Lehren
— Männer wie Brandes und Gentz versäumten nicht auch darauf hinzu¬
weisen — einen Vorteil, den sie mit den Lehren des Despotismus gemein
hatten: sie waren einfach, leicht faßlich und schnitten scharf durch, gegenüber
der Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte und der vielseitigen Erwägungen, deren
es bedürfte, sie abzuweisen. Welch ein Erfolg, den des Amerikaners Payne
Schrift über die Menschenrechte aus deutschem Voden erzielte! Gegenüber den
wuchtigen, tiefgreifenden, dann und wann überschwänglichen Behauptungen,
mit denen der Engländer Burke die französischen Verfassnngsarbeiter als gänz¬
lich unbekannt mit den wahren Bedingungen staatlicher Bildungen angegriffen
hatte, löst der Amerikaner die schwierigsten Probleme in einfachster Weise
mittels einiger Sätze über die ursprünglichen Rechte des Menschen und über
die Art, wie, ihnen entsprechend und zu ihrer Sicherung und Ausübung, der
Übergang zu staatlichen Zustünden habe erfolgen müssen. In Verbindung
mit einer überaus einseitigen Darstellung der Revvlutivusereignisse brachten
diese dürftigen Erörterungen dem Buche eine Aufnahme, daß unter den Er¬
zeugnissen der außerdeutschen Litteratur vor allen dieses, so wird uns ver¬
sichert, den deutscheu Freunden der Nationalversammlung als ein Evangelium
galt. Und nichts faßlicheres und leichter eingehendes läßt sich denken als die
mit bequemem und rücksichtslosem Witze gewürzte Art, in der der Freiherr
v. Knigge politische Schriftstellerei treibt, sei es, um in seiner Geschichte des
Pinselordens Vergangenheit und Gegenwart zu durchmustern und das Prädikat
der Dummheit oder des Gegenteils nach rechts und nach links hin an Personen,
Einrichtungen und Grundsätze zu verteilen, sei es, nur durch seinen abhssinischen
Prinzen (am Schlüsse der „Geschichte der Ausklärung in Abyssinien") eine
Art von Musterstaat auf einem glatten, von allem Historischen gesäuberten
Boden aus reinen Naturrechts- und Zweckmäßigkeitsprinzipien konstruiren
zu lassen.

Das Wichtigste und Hauptsächlichste aber für die Erfolge der französischen
Nevolutionseindrücke lag doch immer in der Vorbereitung, die den Deutschen
durch die Aufklärmlgsbewegung der letzten Jahrzehnte zu Teil geworden war.
Denn für wie viele mußte darnach das Vorgehen der Franzosen nur als die
Konsequenz ihrer eignen Anschauungen, der Widersacher aber vielleicht als
Verlengner von dem erscheinen, wozu er bisher, mehr oder weniger deutlich
und ausdrücklich, sich selbst bekannt hatte! Trat doch die revolutionäre Arbeit
als die allgemein wahre und euizig richtige Ausführung von Gedanken und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0548" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204637"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Erklärung deutscher Revolntionssympathien ^7H0&#x2014;</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1780" prev="#ID_1779"> Berfasfungswerk zu schafft», konnte ja doch in dem ganz wundersamen Ausnahme¬<lb/>
zustände, worin sich Frankreich befand, unmöglich auf solche Weise in Wirk¬<lb/>
samkeit treten, daß man daraus dein Gläubigen in zwingender Weise die<lb/>
Falschheit jener Lehren selbst und die Unbrauchbarkeit der ans sie gegründeten<lb/>
Einrichtungen hätte beweisen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1781"> Und in allem Streite genossen die revolutionären Gedanken und Lehren<lb/>
&#x2014; Männer wie Brandes und Gentz versäumten nicht auch darauf hinzu¬<lb/>
weisen &#x2014; einen Vorteil, den sie mit den Lehren des Despotismus gemein<lb/>
hatten: sie waren einfach, leicht faßlich und schnitten scharf durch, gegenüber<lb/>
der Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte und der vielseitigen Erwägungen, deren<lb/>
es bedürfte, sie abzuweisen. Welch ein Erfolg, den des Amerikaners Payne<lb/>
Schrift über die Menschenrechte aus deutschem Voden erzielte! Gegenüber den<lb/>
wuchtigen, tiefgreifenden, dann und wann überschwänglichen Behauptungen,<lb/>
mit denen der Engländer Burke die französischen Verfassnngsarbeiter als gänz¬<lb/>
lich unbekannt mit den wahren Bedingungen staatlicher Bildungen angegriffen<lb/>
hatte, löst der Amerikaner die schwierigsten Probleme in einfachster Weise<lb/>
mittels einiger Sätze über die ursprünglichen Rechte des Menschen und über<lb/>
die Art, wie, ihnen entsprechend und zu ihrer Sicherung und Ausübung, der<lb/>
Übergang zu staatlichen Zustünden habe erfolgen müssen. In Verbindung<lb/>
mit einer überaus einseitigen Darstellung der Revvlutivusereignisse brachten<lb/>
diese dürftigen Erörterungen dem Buche eine Aufnahme, daß unter den Er¬<lb/>
zeugnissen der außerdeutschen Litteratur vor allen dieses, so wird uns ver¬<lb/>
sichert, den deutscheu Freunden der Nationalversammlung als ein Evangelium<lb/>
galt. Und nichts faßlicheres und leichter eingehendes läßt sich denken als die<lb/>
mit bequemem und rücksichtslosem Witze gewürzte Art, in der der Freiherr<lb/>
v. Knigge politische Schriftstellerei treibt, sei es, um in seiner Geschichte des<lb/>
Pinselordens Vergangenheit und Gegenwart zu durchmustern und das Prädikat<lb/>
der Dummheit oder des Gegenteils nach rechts und nach links hin an Personen,<lb/>
Einrichtungen und Grundsätze zu verteilen, sei es, nur durch seinen abhssinischen<lb/>
Prinzen (am Schlüsse der &#x201E;Geschichte der Ausklärung in Abyssinien") eine<lb/>
Art von Musterstaat auf einem glatten, von allem Historischen gesäuberten<lb/>
Boden aus reinen Naturrechts- und Zweckmäßigkeitsprinzipien konstruiren<lb/>
zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1782" next="#ID_1783"> Das Wichtigste und Hauptsächlichste aber für die Erfolge der französischen<lb/>
Nevolutionseindrücke lag doch immer in der Vorbereitung, die den Deutschen<lb/>
durch die Aufklärmlgsbewegung der letzten Jahrzehnte zu Teil geworden war.<lb/>
Denn für wie viele mußte darnach das Vorgehen der Franzosen nur als die<lb/>
Konsequenz ihrer eignen Anschauungen, der Widersacher aber vielleicht als<lb/>
Verlengner von dem erscheinen, wozu er bisher, mehr oder weniger deutlich<lb/>
und ausdrücklich, sich selbst bekannt hatte! Trat doch die revolutionäre Arbeit<lb/>
als die allgemein wahre und euizig richtige Ausführung von Gedanken und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0548] Zur Erklärung deutscher Revolntionssympathien ^7H0— Berfasfungswerk zu schafft», konnte ja doch in dem ganz wundersamen Ausnahme¬ zustände, worin sich Frankreich befand, unmöglich auf solche Weise in Wirk¬ samkeit treten, daß man daraus dein Gläubigen in zwingender Weise die Falschheit jener Lehren selbst und die Unbrauchbarkeit der ans sie gegründeten Einrichtungen hätte beweisen können. Und in allem Streite genossen die revolutionären Gedanken und Lehren — Männer wie Brandes und Gentz versäumten nicht auch darauf hinzu¬ weisen — einen Vorteil, den sie mit den Lehren des Despotismus gemein hatten: sie waren einfach, leicht faßlich und schnitten scharf durch, gegenüber der Mannigfaltigkeit der Gesichtspunkte und der vielseitigen Erwägungen, deren es bedürfte, sie abzuweisen. Welch ein Erfolg, den des Amerikaners Payne Schrift über die Menschenrechte aus deutschem Voden erzielte! Gegenüber den wuchtigen, tiefgreifenden, dann und wann überschwänglichen Behauptungen, mit denen der Engländer Burke die französischen Verfassnngsarbeiter als gänz¬ lich unbekannt mit den wahren Bedingungen staatlicher Bildungen angegriffen hatte, löst der Amerikaner die schwierigsten Probleme in einfachster Weise mittels einiger Sätze über die ursprünglichen Rechte des Menschen und über die Art, wie, ihnen entsprechend und zu ihrer Sicherung und Ausübung, der Übergang zu staatlichen Zustünden habe erfolgen müssen. In Verbindung mit einer überaus einseitigen Darstellung der Revvlutivusereignisse brachten diese dürftigen Erörterungen dem Buche eine Aufnahme, daß unter den Er¬ zeugnissen der außerdeutschen Litteratur vor allen dieses, so wird uns ver¬ sichert, den deutscheu Freunden der Nationalversammlung als ein Evangelium galt. Und nichts faßlicheres und leichter eingehendes läßt sich denken als die mit bequemem und rücksichtslosem Witze gewürzte Art, in der der Freiherr v. Knigge politische Schriftstellerei treibt, sei es, um in seiner Geschichte des Pinselordens Vergangenheit und Gegenwart zu durchmustern und das Prädikat der Dummheit oder des Gegenteils nach rechts und nach links hin an Personen, Einrichtungen und Grundsätze zu verteilen, sei es, nur durch seinen abhssinischen Prinzen (am Schlüsse der „Geschichte der Ausklärung in Abyssinien") eine Art von Musterstaat auf einem glatten, von allem Historischen gesäuberten Boden aus reinen Naturrechts- und Zweckmäßigkeitsprinzipien konstruiren zu lassen. Das Wichtigste und Hauptsächlichste aber für die Erfolge der französischen Nevolutionseindrücke lag doch immer in der Vorbereitung, die den Deutschen durch die Aufklärmlgsbewegung der letzten Jahrzehnte zu Teil geworden war. Denn für wie viele mußte darnach das Vorgehen der Franzosen nur als die Konsequenz ihrer eignen Anschauungen, der Widersacher aber vielleicht als Verlengner von dem erscheinen, wozu er bisher, mehr oder weniger deutlich und ausdrücklich, sich selbst bekannt hatte! Trat doch die revolutionäre Arbeit als die allgemein wahre und euizig richtige Ausführung von Gedanken und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/548
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/548>, abgerufen am 28.09.2024.