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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die Numienbildnisse von Rnbajat im Gi Lajuin

Die sehr dünnen Bildtafeln waren bei der Auffindung schmutzig überzogen
und nach der Richtung der Holzfaser meist mehrfach gespalten, sind aber jetzt
vorzüglich wieder zusammgefügt und auf Hvlzpappe aufgeleimt. Die meiste"
bestehen aus Sykomorenhvlz und sind mit einer Grundirung (Kreide) versehen,
da diese Holzart zu porös ist, als daß man unmittelbar darauf hätte malen
können; andre Tafeln aber ans einer dichten Holzart, Mahagoni (?) oder Cy-
pressen, sind unmitelbar bemalt. Die Malweise ist bei einigen Bildern Tem¬
pera; die Farben dürften mit Eidotter oder mit Leim oder mit dem Saft der
Sykomore zubereitet sein; in der Mehrzahl der Fülle jedoch ist die Malerei
in Wachspasten und enkaustisch ausgeführt. Herr Otto Donner in Frank¬
furt a. M. hat sehr eingehende Untersuchungen darüber angestellt. Es ist
ihm gelungen, mit einer Paste aus punischen Wachs mit Eidotter und
Eiweiß, einigen Tropfen Olivenöl und der betreffenden pulverisirten Farbe,
welche Masse er mit einem fein gezahnten hölzernen Werkzeug, einer Art
Spatel (von den Alten Cestrum genannt) auftrug, eine genaue Kopie eines
jener Bildnisse herzustellen. Diese .Kopie, die ich gesehen habe, kommt technisch
jener Malerei in der That gleich. Es fehlt ihr nur die Übung. Ein be¬
sondres Verdienst Donners ist auch die Berichtigung des Begriffes der
Enkaustik (des "Einbrennens"), eines Wortes, das, ans antiken Schriftstellern
übernommen, für unsre Vorstellungsweise so unglücklich wie möglich gewählt ist,
wie so manches andre in der Archäologie. Donner hat durch Versuche er¬
mittelt, daß das "Einbrennen" nichts andres ist als ein nachträgliches Erhitzen
des erkalteten Wachsbildes bis zum Schwitzen, "damit die Oberfläche gleich¬
mäßig werde."

Die Wirkung der Bilder ist bedeutend. Wir schauen in das Antlitz von
Geschlechtern, die vor mehr als 2000 Jahren zur ewigen Ruhe gebettet worden
sind. Vergeblich ist die Frage: Wer wäret ihr, wie hießet ihr, du dort mit
dem Typus eines Johannes in der Wüste, oder ihr, die man zu Fürsten
stempeln will, oder du, schönes Weib mit dem schwärmerisch strahlenden Blick
des großen und dunkeln Auges, mit der hohen und edeln Weißen Stirn, be¬
schattet von schwarzem Haar, mit der wohlgeformten Nase, dem feingeschnittnen
Mund und dem lieblichen Oval des ganzen Gesichts von einem mehr euro¬
päischen als ägyptischen, wenn auch nicht gerade griechischen Typus. Das
letzte Bildnis ist wohl das schönste der Sammlung. Alle Gesichter sind über¬
aus ausdrucksvoll, aus jedem spricht ein eignes Ich, es ist nichts schablonen¬
haftes darin, wie so ost in pompejanischen Bildern, nichts von jener faden
Jdealisirung in so vielen klassischen Büsten und Statuen, es sind offenbar
treue Abbilder der Wirklichkeit gewesen, selbst in allerlei Mißgestaltung (z- B. der
Nase oder des Halses). Aus dem einen spricht gewaltige Energie, aus einem
andern berechnende Klugheit, hier blickt uns ein guter Vater an, dort eine
zärtliche Mutter, wohlerzogene Knaben und Mädchen schauen noch fragend in


Die Numienbildnisse von Rnbajat im Gi Lajuin

Die sehr dünnen Bildtafeln waren bei der Auffindung schmutzig überzogen
und nach der Richtung der Holzfaser meist mehrfach gespalten, sind aber jetzt
vorzüglich wieder zusammgefügt und auf Hvlzpappe aufgeleimt. Die meiste«
bestehen aus Sykomorenhvlz und sind mit einer Grundirung (Kreide) versehen,
da diese Holzart zu porös ist, als daß man unmittelbar darauf hätte malen
können; andre Tafeln aber ans einer dichten Holzart, Mahagoni (?) oder Cy-
pressen, sind unmitelbar bemalt. Die Malweise ist bei einigen Bildern Tem¬
pera; die Farben dürften mit Eidotter oder mit Leim oder mit dem Saft der
Sykomore zubereitet sein; in der Mehrzahl der Fülle jedoch ist die Malerei
in Wachspasten und enkaustisch ausgeführt. Herr Otto Donner in Frank¬
furt a. M. hat sehr eingehende Untersuchungen darüber angestellt. Es ist
ihm gelungen, mit einer Paste aus punischen Wachs mit Eidotter und
Eiweiß, einigen Tropfen Olivenöl und der betreffenden pulverisirten Farbe,
welche Masse er mit einem fein gezahnten hölzernen Werkzeug, einer Art
Spatel (von den Alten Cestrum genannt) auftrug, eine genaue Kopie eines
jener Bildnisse herzustellen. Diese .Kopie, die ich gesehen habe, kommt technisch
jener Malerei in der That gleich. Es fehlt ihr nur die Übung. Ein be¬
sondres Verdienst Donners ist auch die Berichtigung des Begriffes der
Enkaustik (des „Einbrennens"), eines Wortes, das, ans antiken Schriftstellern
übernommen, für unsre Vorstellungsweise so unglücklich wie möglich gewählt ist,
wie so manches andre in der Archäologie. Donner hat durch Versuche er¬
mittelt, daß das „Einbrennen" nichts andres ist als ein nachträgliches Erhitzen
des erkalteten Wachsbildes bis zum Schwitzen, „damit die Oberfläche gleich¬
mäßig werde."

Die Wirkung der Bilder ist bedeutend. Wir schauen in das Antlitz von
Geschlechtern, die vor mehr als 2000 Jahren zur ewigen Ruhe gebettet worden
sind. Vergeblich ist die Frage: Wer wäret ihr, wie hießet ihr, du dort mit
dem Typus eines Johannes in der Wüste, oder ihr, die man zu Fürsten
stempeln will, oder du, schönes Weib mit dem schwärmerisch strahlenden Blick
des großen und dunkeln Auges, mit der hohen und edeln Weißen Stirn, be¬
schattet von schwarzem Haar, mit der wohlgeformten Nase, dem feingeschnittnen
Mund und dem lieblichen Oval des ganzen Gesichts von einem mehr euro¬
päischen als ägyptischen, wenn auch nicht gerade griechischen Typus. Das
letzte Bildnis ist wohl das schönste der Sammlung. Alle Gesichter sind über¬
aus ausdrucksvoll, aus jedem spricht ein eignes Ich, es ist nichts schablonen¬
haftes darin, wie so ost in pompejanischen Bildern, nichts von jener faden
Jdealisirung in so vielen klassischen Büsten und Statuen, es sind offenbar
treue Abbilder der Wirklichkeit gewesen, selbst in allerlei Mißgestaltung (z- B. der
Nase oder des Halses). Aus dem einen spricht gewaltige Energie, aus einem
andern berechnende Klugheit, hier blickt uns ein guter Vater an, dort eine
zärtliche Mutter, wohlerzogene Knaben und Mädchen schauen noch fragend in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/530>, abgerufen am 29.06.2024.