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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die Mumieiioildnisse von Rubajat im Gi Lajuin

gehörigen Mykenä wahr, die nicht allgemein konventionell, sondern individuell,
Porträtmäßig gehalten sind. (Sie haben nach meiner Auffassung Mumien be¬
kleidet, die, wie uoch heute in Südvstnsien üblich, nach vorgeschriebener Frist
verbrannt, statt beigesetzt wurden.) Von nun an entwickelte sich nnter dem
Einflüsse fremder Elemente, die das altägyptische Volkstum mehr und mehr
veränderten, das Streben nach Individualisirung der Maske immer stärker,
wiewohl es von dein hieratischen Kanon noch lange zurückgebannt wurde.
Für die spätere Zeit, vielleicht von 600 oder 500 v. Chr. an, ließe sich aus
verschiedenen Museen eine Reihe von Masken zusammenbringen, die einen deut¬
lichen Übergang zum Bildnis. zum "Porträt" bekunden. Wirkliche Porträ-
tirnng statt Maskirnng finden Nur aber erst in den Mnmienbildnissen, die bis
jetzt nur an wenigen 'Orten gefunden worden find und noch keineswegs eine
allgemein ägyptische Sitte bekunden. Die Plastik der Maske ist verschwunden.
Man hat das Bildnis auf eine dünne Holztafel gemalt und diese mit Pech
ans dem Mumienhaupte befestigt. Da man rings um den Rand dieser Tafel
einen Leinwandstreifen schlug und mit Pech an dem Holze und an der Mnmien-
hülle festklebte, so blieb wenig mehr als der Kopf des Bildnisses sichtbar. Aus
dieser Entwicklung verstehen wir nun, wie überhaupt die seltsame Sitte, den,
Toten sein Porträt auf das Gesicht zu legen, entstanden ist.

Nur das ägyptische Klima konnte uns, wie so vieles andre, so auch diese
auf Holz gemalten Bildnisse erhalten. In unsern Museen sehen wir Tnuseude
von Beispiele" davon, was dies wunderbar trockne Klima vermag. Unter den
dort aufbewahrten Grabfunden sind W> viele hölzerne Gegenstände aller Art,
die Jahrtausende ununterbrochen Aufsindung in der Grabkammer
(Felsenhöhle) gelegen hatten und dort weder verstockt, uoch schwammig, ja nicht
einmal wurmstichig geworden waren. Wenn es jetzt verdorbene Dinge derart
i" unsern Museen giebt, so ist daran unser Klima schuld, dem mit der Zeit
alles Vegetabilische zum Opfer fällt. Es bedarf also keiner Erklärung, warum
diese Bilder bis jetzt so trefflich erhalten sind, und die Vermutung, die Zer¬
störung der Grabstätte müsse schon in urchristlicher oder noch vorchristlicher
Zeit stattgefunden haben, sodaß die Bilder seitdem im warmen Wüstensande
gelegen hätten und deshalb so wohlerhalten seien, schwebt völlig in der Luft.
Man könnte sogar mit Grund einwenden, daß die, wenn auch geringe",
atmosphärischen Niederschläge und die Temperaturwechsel, denen das im Freien
im Sande liegende Holz ausgesetzt gewesen sein würde, im Lause von Jahr¬
tausenden es beschädigt oder ganz zerstört haben müßten, während in den
ägyptische": Felsengräbern eine sehr warme und immer trockne Luft, ähnlich
wie in Backöfen, herrscht, was eben die Ursache der guten Erhaltung ihres
Jahrtausende alten Inhaltes ist. Wir können mithin nicht daran zweifeln,
daß die Plünderung, der wir unsre Bilder verdanken, erst in jüngster Zeit
stattgefunden hat.


Grmzlwtni I 1839 W
Die Mumieiioildnisse von Rubajat im Gi Lajuin

gehörigen Mykenä wahr, die nicht allgemein konventionell, sondern individuell,
Porträtmäßig gehalten sind. (Sie haben nach meiner Auffassung Mumien be¬
kleidet, die, wie uoch heute in Südvstnsien üblich, nach vorgeschriebener Frist
verbrannt, statt beigesetzt wurden.) Von nun an entwickelte sich nnter dem
Einflüsse fremder Elemente, die das altägyptische Volkstum mehr und mehr
veränderten, das Streben nach Individualisirung der Maske immer stärker,
wiewohl es von dein hieratischen Kanon noch lange zurückgebannt wurde.
Für die spätere Zeit, vielleicht von 600 oder 500 v. Chr. an, ließe sich aus
verschiedenen Museen eine Reihe von Masken zusammenbringen, die einen deut¬
lichen Übergang zum Bildnis. zum „Porträt" bekunden. Wirkliche Porträ-
tirnng statt Maskirnng finden Nur aber erst in den Mnmienbildnissen, die bis
jetzt nur an wenigen 'Orten gefunden worden find und noch keineswegs eine
allgemein ägyptische Sitte bekunden. Die Plastik der Maske ist verschwunden.
Man hat das Bildnis auf eine dünne Holztafel gemalt und diese mit Pech
ans dem Mumienhaupte befestigt. Da man rings um den Rand dieser Tafel
einen Leinwandstreifen schlug und mit Pech an dem Holze und an der Mnmien-
hülle festklebte, so blieb wenig mehr als der Kopf des Bildnisses sichtbar. Aus
dieser Entwicklung verstehen wir nun, wie überhaupt die seltsame Sitte, den,
Toten sein Porträt auf das Gesicht zu legen, entstanden ist.

Nur das ägyptische Klima konnte uns, wie so vieles andre, so auch diese
auf Holz gemalten Bildnisse erhalten. In unsern Museen sehen wir Tnuseude
von Beispiele» davon, was dies wunderbar trockne Klima vermag. Unter den
dort aufbewahrten Grabfunden sind W> viele hölzerne Gegenstände aller Art,
die Jahrtausende ununterbrochen Aufsindung in der Grabkammer
(Felsenhöhle) gelegen hatten und dort weder verstockt, uoch schwammig, ja nicht
einmal wurmstichig geworden waren. Wenn es jetzt verdorbene Dinge derart
i» unsern Museen giebt, so ist daran unser Klima schuld, dem mit der Zeit
alles Vegetabilische zum Opfer fällt. Es bedarf also keiner Erklärung, warum
diese Bilder bis jetzt so trefflich erhalten sind, und die Vermutung, die Zer¬
störung der Grabstätte müsse schon in urchristlicher oder noch vorchristlicher
Zeit stattgefunden haben, sodaß die Bilder seitdem im warmen Wüstensande
gelegen hätten und deshalb so wohlerhalten seien, schwebt völlig in der Luft.
Man könnte sogar mit Grund einwenden, daß die, wenn auch geringe»,
atmosphärischen Niederschläge und die Temperaturwechsel, denen das im Freien
im Sande liegende Holz ausgesetzt gewesen sein würde, im Lause von Jahr¬
tausenden es beschädigt oder ganz zerstört haben müßten, während in den
ägyptische»: Felsengräbern eine sehr warme und immer trockne Luft, ähnlich
wie in Backöfen, herrscht, was eben die Ursache der guten Erhaltung ihres
Jahrtausende alten Inhaltes ist. Wir können mithin nicht daran zweifeln,
daß die Plünderung, der wir unsre Bilder verdanken, erst in jüngster Zeit
stattgefunden hat.


Grmzlwtni I 1839 W
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[0529] Die Mumieiioildnisse von Rubajat im Gi Lajuin gehörigen Mykenä wahr, die nicht allgemein konventionell, sondern individuell, Porträtmäßig gehalten sind. (Sie haben nach meiner Auffassung Mumien be¬ kleidet, die, wie uoch heute in Südvstnsien üblich, nach vorgeschriebener Frist verbrannt, statt beigesetzt wurden.) Von nun an entwickelte sich nnter dem Einflüsse fremder Elemente, die das altägyptische Volkstum mehr und mehr veränderten, das Streben nach Individualisirung der Maske immer stärker, wiewohl es von dein hieratischen Kanon noch lange zurückgebannt wurde. Für die spätere Zeit, vielleicht von 600 oder 500 v. Chr. an, ließe sich aus verschiedenen Museen eine Reihe von Masken zusammenbringen, die einen deut¬ lichen Übergang zum Bildnis. zum „Porträt" bekunden. Wirkliche Porträ- tirnng statt Maskirnng finden Nur aber erst in den Mnmienbildnissen, die bis jetzt nur an wenigen 'Orten gefunden worden find und noch keineswegs eine allgemein ägyptische Sitte bekunden. Die Plastik der Maske ist verschwunden. Man hat das Bildnis auf eine dünne Holztafel gemalt und diese mit Pech ans dem Mumienhaupte befestigt. Da man rings um den Rand dieser Tafel einen Leinwandstreifen schlug und mit Pech an dem Holze und an der Mnmien- hülle festklebte, so blieb wenig mehr als der Kopf des Bildnisses sichtbar. Aus dieser Entwicklung verstehen wir nun, wie überhaupt die seltsame Sitte, den, Toten sein Porträt auf das Gesicht zu legen, entstanden ist. Nur das ägyptische Klima konnte uns, wie so vieles andre, so auch diese auf Holz gemalten Bildnisse erhalten. In unsern Museen sehen wir Tnuseude von Beispiele» davon, was dies wunderbar trockne Klima vermag. Unter den dort aufbewahrten Grabfunden sind W> viele hölzerne Gegenstände aller Art, die Jahrtausende ununterbrochen Aufsindung in der Grabkammer (Felsenhöhle) gelegen hatten und dort weder verstockt, uoch schwammig, ja nicht einmal wurmstichig geworden waren. Wenn es jetzt verdorbene Dinge derart i» unsern Museen giebt, so ist daran unser Klima schuld, dem mit der Zeit alles Vegetabilische zum Opfer fällt. Es bedarf also keiner Erklärung, warum diese Bilder bis jetzt so trefflich erhalten sind, und die Vermutung, die Zer¬ störung der Grabstätte müsse schon in urchristlicher oder noch vorchristlicher Zeit stattgefunden haben, sodaß die Bilder seitdem im warmen Wüstensande gelegen hätten und deshalb so wohlerhalten seien, schwebt völlig in der Luft. Man könnte sogar mit Grund einwenden, daß die, wenn auch geringe», atmosphärischen Niederschläge und die Temperaturwechsel, denen das im Freien im Sande liegende Holz ausgesetzt gewesen sein würde, im Lause von Jahr¬ tausenden es beschädigt oder ganz zerstört haben müßten, während in den ägyptische»: Felsengräbern eine sehr warme und immer trockne Luft, ähnlich wie in Backöfen, herrscht, was eben die Ursache der guten Erhaltung ihres Jahrtausende alten Inhaltes ist. Wir können mithin nicht daran zweifeln, daß die Plünderung, der wir unsre Bilder verdanken, erst in jüngster Zeit stattgefunden hat. Grmzlwtni I 1839 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/529>, abgerufen am 29.06.2024.