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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die Mnmienbildnisse von Rubajat im <Li Fajum

in jeder Ecke eine, und tragen entweder eine Menschen-, eine Sperber-, eine
Schakal-, eine Hundsaffen- oder endlich eine gemischte Maske, eine Vereinigung
des menschlichen mit dem Sperbertypus. Es ist klar, daß dem eine religiöse
Bedeutung innewohnt. Verwandtes finden wir in dem Masksnwesen fast aller
Völker, beispielsweise deu Mischtypus sowohl in antiken Masken (auch im
Satyr), wie in etruskischen (im dunklen Dämon) oder in ceylonischen, den
noch heute gebrauchten Masken der Tenfelstünzer. Ist nun der ägyptische
menscheugestaltige Mumienkasten gleichsam selbst Maske, so ist er doch nicht die
einzige, denn der gemalte innere Deckel ahmt ebenfalls die menschliche Gestalt
nach, und darunter trägt das Antlitz der Mumie wiederum eine Maske; zu¬
weilen ist sogar der ganze Oberkörper maskirt (Vollmaske, zum überstülpen,
wie die halbe auch im Tempeldienst verwendet). Natürlich wechselte die
Ausführung dieser religiös vorgeschriebenen Maske. Anstatt der Mumie
eine von Holz oder Papiermachö aufzulegen, malte man sie auf die Leinen¬
hülle, oft nnr das Gesicht, oft auch Hände und Füße, zuweilen farbig, zu¬
weilen (bei armen Leuten) uur mit einfachen schwarzen Strichen. Gerade die
letzterwähnte Art zeigt deutlich, daß eine Maske aus religiösen Gründen un¬
erläßlich war.

Warum nun diese Maskirung? Was hatte der Kultus damit zu thun?
Das lehren uns die ägyptischen Tempellülder. Ich habe im Archiv für Anthro¬
pologie die Kultusmaske an den Personen, die opfernd und anbetend vor der
Gottheit erscheine!?, aus bestimmten Merkmalen nachgewiesen. Mit dieser Mas¬
kirung stimmt die Angabe des alten Testaments überein, daß Moses (der Zög¬
ling der ägyptischen Hierarchie!) eine "Decke" vor sein Angesicht nahm, wenn
er in das Allerheiligste ging, "um mit dem Herrn zu reden," denn es ist
(wie an eiuer andern Stelle gesagt wird) der Mensch "nicht im Stande, den
Aublick der Herrlichkeit Gottes zu ertragen." Wir kennen die große Ausdeh¬
nung des Opferns im Altertum. Mau opferte im Tempel, auf dem Markte und
zu Hause, kurz, überall und bei jeder Gelegenheit. Aber auch im Jenseits
mußten die Götter gewonnen, die dämonischen Mächte mit ihrer Hilfe be¬
zwungen werden; also auch im Jenseits galt es, zu opfern. Dazu bedürfte
der Hinübergegaugene, "der nun erst lebende," der für den Opferdienst vor¬
geschriebenen Tracht, mithin auch der Maske. Was ihm in das Grab gelegt
worden war (wozu auch Opfergefäßc und sonstige Geräte gehörten), das stand
ihm drüben in vollkommenster Gestalt zur Verfügung, mochte die irdische Mit¬
gabe auch noch so ärmlich ausgefallen sein.

An den ältesten Masken erscheinen nur konventionelle Züge, die lediglich
die Nationalität des Toten bekunden. (Nicht anders ist es beiläufig mit den
peruanischen Mumienmasken bestellt.) Erst gegen Ende des alten Reiches
dringen individuelle Züge in die Maske ein, und dies nehmen wir auch an
den fünf Goldmasken aus den Gräbern des dem ägyptischen Kulturkreise an-


Die Mnmienbildnisse von Rubajat im <Li Fajum

in jeder Ecke eine, und tragen entweder eine Menschen-, eine Sperber-, eine
Schakal-, eine Hundsaffen- oder endlich eine gemischte Maske, eine Vereinigung
des menschlichen mit dem Sperbertypus. Es ist klar, daß dem eine religiöse
Bedeutung innewohnt. Verwandtes finden wir in dem Masksnwesen fast aller
Völker, beispielsweise deu Mischtypus sowohl in antiken Masken (auch im
Satyr), wie in etruskischen (im dunklen Dämon) oder in ceylonischen, den
noch heute gebrauchten Masken der Tenfelstünzer. Ist nun der ägyptische
menscheugestaltige Mumienkasten gleichsam selbst Maske, so ist er doch nicht die
einzige, denn der gemalte innere Deckel ahmt ebenfalls die menschliche Gestalt
nach, und darunter trägt das Antlitz der Mumie wiederum eine Maske; zu¬
weilen ist sogar der ganze Oberkörper maskirt (Vollmaske, zum überstülpen,
wie die halbe auch im Tempeldienst verwendet). Natürlich wechselte die
Ausführung dieser religiös vorgeschriebenen Maske. Anstatt der Mumie
eine von Holz oder Papiermachö aufzulegen, malte man sie auf die Leinen¬
hülle, oft nnr das Gesicht, oft auch Hände und Füße, zuweilen farbig, zu¬
weilen (bei armen Leuten) uur mit einfachen schwarzen Strichen. Gerade die
letzterwähnte Art zeigt deutlich, daß eine Maske aus religiösen Gründen un¬
erläßlich war.

Warum nun diese Maskirung? Was hatte der Kultus damit zu thun?
Das lehren uns die ägyptischen Tempellülder. Ich habe im Archiv für Anthro¬
pologie die Kultusmaske an den Personen, die opfernd und anbetend vor der
Gottheit erscheine!?, aus bestimmten Merkmalen nachgewiesen. Mit dieser Mas¬
kirung stimmt die Angabe des alten Testaments überein, daß Moses (der Zög¬
ling der ägyptischen Hierarchie!) eine „Decke" vor sein Angesicht nahm, wenn
er in das Allerheiligste ging, „um mit dem Herrn zu reden," denn es ist
(wie an eiuer andern Stelle gesagt wird) der Mensch „nicht im Stande, den
Aublick der Herrlichkeit Gottes zu ertragen." Wir kennen die große Ausdeh¬
nung des Opferns im Altertum. Mau opferte im Tempel, auf dem Markte und
zu Hause, kurz, überall und bei jeder Gelegenheit. Aber auch im Jenseits
mußten die Götter gewonnen, die dämonischen Mächte mit ihrer Hilfe be¬
zwungen werden; also auch im Jenseits galt es, zu opfern. Dazu bedürfte
der Hinübergegaugene, „der nun erst lebende," der für den Opferdienst vor¬
geschriebenen Tracht, mithin auch der Maske. Was ihm in das Grab gelegt
worden war (wozu auch Opfergefäßc und sonstige Geräte gehörten), das stand
ihm drüben in vollkommenster Gestalt zur Verfügung, mochte die irdische Mit¬
gabe auch noch so ärmlich ausgefallen sein.

An den ältesten Masken erscheinen nur konventionelle Züge, die lediglich
die Nationalität des Toten bekunden. (Nicht anders ist es beiläufig mit den
peruanischen Mumienmasken bestellt.) Erst gegen Ende des alten Reiches
dringen individuelle Züge in die Maske ein, und dies nehmen wir auch an
den fünf Goldmasken aus den Gräbern des dem ägyptischen Kulturkreise an-


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[0528] Die Mnmienbildnisse von Rubajat im <Li Fajum in jeder Ecke eine, und tragen entweder eine Menschen-, eine Sperber-, eine Schakal-, eine Hundsaffen- oder endlich eine gemischte Maske, eine Vereinigung des menschlichen mit dem Sperbertypus. Es ist klar, daß dem eine religiöse Bedeutung innewohnt. Verwandtes finden wir in dem Masksnwesen fast aller Völker, beispielsweise deu Mischtypus sowohl in antiken Masken (auch im Satyr), wie in etruskischen (im dunklen Dämon) oder in ceylonischen, den noch heute gebrauchten Masken der Tenfelstünzer. Ist nun der ägyptische menscheugestaltige Mumienkasten gleichsam selbst Maske, so ist er doch nicht die einzige, denn der gemalte innere Deckel ahmt ebenfalls die menschliche Gestalt nach, und darunter trägt das Antlitz der Mumie wiederum eine Maske; zu¬ weilen ist sogar der ganze Oberkörper maskirt (Vollmaske, zum überstülpen, wie die halbe auch im Tempeldienst verwendet). Natürlich wechselte die Ausführung dieser religiös vorgeschriebenen Maske. Anstatt der Mumie eine von Holz oder Papiermachö aufzulegen, malte man sie auf die Leinen¬ hülle, oft nnr das Gesicht, oft auch Hände und Füße, zuweilen farbig, zu¬ weilen (bei armen Leuten) uur mit einfachen schwarzen Strichen. Gerade die letzterwähnte Art zeigt deutlich, daß eine Maske aus religiösen Gründen un¬ erläßlich war. Warum nun diese Maskirung? Was hatte der Kultus damit zu thun? Das lehren uns die ägyptischen Tempellülder. Ich habe im Archiv für Anthro¬ pologie die Kultusmaske an den Personen, die opfernd und anbetend vor der Gottheit erscheine!?, aus bestimmten Merkmalen nachgewiesen. Mit dieser Mas¬ kirung stimmt die Angabe des alten Testaments überein, daß Moses (der Zög¬ ling der ägyptischen Hierarchie!) eine „Decke" vor sein Angesicht nahm, wenn er in das Allerheiligste ging, „um mit dem Herrn zu reden," denn es ist (wie an eiuer andern Stelle gesagt wird) der Mensch „nicht im Stande, den Aublick der Herrlichkeit Gottes zu ertragen." Wir kennen die große Ausdeh¬ nung des Opferns im Altertum. Mau opferte im Tempel, auf dem Markte und zu Hause, kurz, überall und bei jeder Gelegenheit. Aber auch im Jenseits mußten die Götter gewonnen, die dämonischen Mächte mit ihrer Hilfe be¬ zwungen werden; also auch im Jenseits galt es, zu opfern. Dazu bedürfte der Hinübergegaugene, „der nun erst lebende," der für den Opferdienst vor¬ geschriebenen Tracht, mithin auch der Maske. Was ihm in das Grab gelegt worden war (wozu auch Opfergefäßc und sonstige Geräte gehörten), das stand ihm drüben in vollkommenster Gestalt zur Verfügung, mochte die irdische Mit¬ gabe auch noch so ärmlich ausgefallen sein. An den ältesten Masken erscheinen nur konventionelle Züge, die lediglich die Nationalität des Toten bekunden. (Nicht anders ist es beiläufig mit den peruanischen Mumienmasken bestellt.) Erst gegen Ende des alten Reiches dringen individuelle Züge in die Maske ein, und dies nehmen wir auch an den fünf Goldmasken aus den Gräbern des dem ägyptischen Kulturkreise an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/528>, abgerufen am 29.06.2024.