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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die Mnmienlnldmsse von Rnbajat i,n Li Fcijum

Bauwerke, anscheinend einem Gräberban (Mastaba), gefunden. Denk Fnnd-
bericht desselben sehen wir mit Spannung entgegen.

Wenden wir uus uun zur Untersuchung der Bildnisse von Rnbajat. Was
sind Mumienbilduisse? Wie kam mau dazu, den Gestorbenen ihr Porträt aufs
Gesicht zu legen? Diese Fragen erfordern eine kurze Darlegung gewisser Brauche
des ägyptischen Totenkultes. Es war eine uralte, nicht uur ägyptische Sitte,
den, Behälter der irdische" Neste eines Toten entweder eine ganz menschen¬
ähnliche (anthropoide) Gestalt zu geben oder doch wenigstens das Antlitz daraus
anzubringen. Wir besitzen menscheugestaltige Sarkophage von Stein, Terra¬
kotta. Holz und einer Art von Papiermache Phönizische aus weißem Marmor
befinden sich im Louvre und im Museum von Palermo. Ähnlicher begegnet
man an der ganzen phönizischen Küste (ausgenommen die Totenstadt Tyrus),
sowie in phönizischen Kolonien auf Cypern, Malta, Sizilien und Korsika. Die
einfachsten zeigen nur den Kopf, zuweilen auch Hals und Schulterrundung.
andre aber bilden eine volle, plastische Menschengestalt mit Armen und un¬
geteilten Beinen, deren Füße noch eben unter dem Gewände hervorschauen.
Ähnlich sind die aus Holz oder einer Art von Papiermache gefertigten ägyp¬
tischen Mumienkasten ausgeführt. Sie stellen eine maskirte Mumie so vor,
wie sie drinnen liegt, tragen demgemäß am Kopfende eine mehr oder weniger
plastische, meist farbige Maske mit mehr typischen, als porträtartigen Zügen
und zeigen anch Arme und Hände, öfter nur Hände, sowie eine Andeutung
der Füße. Vielfach wird angenommen, die phönizischen menschengcstaltigen
Sarkophage seien eine Nachbildung dieser Mumienkasten; doch ist diese Au-
nahme zur Erklärung ihrer Ähnlichkeit nicht notwendig, seit die Ethnologie
die erstaunlichsten Übereinstimmungen in den Erzengnissen selbst räumlich weit
getrennter Völker (z. B. der Ägypter und der vorgeschichtlichen Bewohner von
Mexiko) dargethan hat. Dieselbe Erscheinung finden wir bei den Aschemirneu
fast aller Völker. Die einfachsten zeigen ebenfalls nnr den Kopf, meist sogar
nur das Gesicht oder die Maske, andre wieder mehr, nämlich den Oberkörper,
hünfig mit über die Brust gekreuzten Armen. Näheres über meuschengestaltige
Sarkophage findet der Leser bei Renan. NiLÄon ä" xbvmÄe, bei Longpwer,
Uusöo III,, sowie in einer Mitteilung vou G. Perrot in der Usvne
-KrelwoloFianv 1883.

Je älter um oder (was aber nicht dasselbe ist) je roher diese Sarkophage
und Urnen sind, um so weniger tritt das Bestreben hervor, ein Porträt zu
bieten, dagegen finden wir merkwürdigerweise an Urnen ohne Unterschied der
Zeit oder der Güte der Arbeit neben rein menschlichem auch tierischen, sowie
einen aus menschlichen und tierischen Zügen gemischten Typus. Die künstlerisch
vollendetste Ausführung dieser Typen zeigen ägyptische Kanopen. Es sind
das Gefäße ans Alabaster. Kalkstein oder Porzellan, in denen die Eingeweide
und das Hirn der Mumie geborgen wurden. Sie stehen in dein Sarkophage,


Die Mnmienlnldmsse von Rnbajat i,n Li Fcijum

Bauwerke, anscheinend einem Gräberban (Mastaba), gefunden. Denk Fnnd-
bericht desselben sehen wir mit Spannung entgegen.

Wenden wir uus uun zur Untersuchung der Bildnisse von Rnbajat. Was
sind Mumienbilduisse? Wie kam mau dazu, den Gestorbenen ihr Porträt aufs
Gesicht zu legen? Diese Fragen erfordern eine kurze Darlegung gewisser Brauche
des ägyptischen Totenkultes. Es war eine uralte, nicht uur ägyptische Sitte,
den, Behälter der irdische« Neste eines Toten entweder eine ganz menschen¬
ähnliche (anthropoide) Gestalt zu geben oder doch wenigstens das Antlitz daraus
anzubringen. Wir besitzen menscheugestaltige Sarkophage von Stein, Terra¬
kotta. Holz und einer Art von Papiermache Phönizische aus weißem Marmor
befinden sich im Louvre und im Museum von Palermo. Ähnlicher begegnet
man an der ganzen phönizischen Küste (ausgenommen die Totenstadt Tyrus),
sowie in phönizischen Kolonien auf Cypern, Malta, Sizilien und Korsika. Die
einfachsten zeigen nur den Kopf, zuweilen auch Hals und Schulterrundung.
andre aber bilden eine volle, plastische Menschengestalt mit Armen und un¬
geteilten Beinen, deren Füße noch eben unter dem Gewände hervorschauen.
Ähnlich sind die aus Holz oder einer Art von Papiermache gefertigten ägyp¬
tischen Mumienkasten ausgeführt. Sie stellen eine maskirte Mumie so vor,
wie sie drinnen liegt, tragen demgemäß am Kopfende eine mehr oder weniger
plastische, meist farbige Maske mit mehr typischen, als porträtartigen Zügen
und zeigen anch Arme und Hände, öfter nur Hände, sowie eine Andeutung
der Füße. Vielfach wird angenommen, die phönizischen menschengcstaltigen
Sarkophage seien eine Nachbildung dieser Mumienkasten; doch ist diese Au-
nahme zur Erklärung ihrer Ähnlichkeit nicht notwendig, seit die Ethnologie
die erstaunlichsten Übereinstimmungen in den Erzengnissen selbst räumlich weit
getrennter Völker (z. B. der Ägypter und der vorgeschichtlichen Bewohner von
Mexiko) dargethan hat. Dieselbe Erscheinung finden wir bei den Aschemirneu
fast aller Völker. Die einfachsten zeigen ebenfalls nnr den Kopf, meist sogar
nur das Gesicht oder die Maske, andre wieder mehr, nämlich den Oberkörper,
hünfig mit über die Brust gekreuzten Armen. Näheres über meuschengestaltige
Sarkophage findet der Leser bei Renan. NiLÄon ä« xbvmÄe, bei Longpwer,
Uusöo III,, sowie in einer Mitteilung vou G. Perrot in der Usvne
-KrelwoloFianv 1883.

Je älter um oder (was aber nicht dasselbe ist) je roher diese Sarkophage
und Urnen sind, um so weniger tritt das Bestreben hervor, ein Porträt zu
bieten, dagegen finden wir merkwürdigerweise an Urnen ohne Unterschied der
Zeit oder der Güte der Arbeit neben rein menschlichem auch tierischen, sowie
einen aus menschlichen und tierischen Zügen gemischten Typus. Die künstlerisch
vollendetste Ausführung dieser Typen zeigen ägyptische Kanopen. Es sind
das Gefäße ans Alabaster. Kalkstein oder Porzellan, in denen die Eingeweide
und das Hirn der Mumie geborgen wurden. Sie stehen in dein Sarkophage,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/527>, abgerufen am 29.06.2024.