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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Englische Technik und deutsche Konkurrenz

ganz überwinden lassen, so lange es gewissenlose Spekulanten und gewissen¬
lose Fabrikanten giebt.

Die deutsche Konkurrenz der englischen Technik gegenüber ist eine un¬
bestreitbare Thatsache. Und zwar zeigt sie sich zunächst in der Verdrängung
englischer Erzeugnisse vom deutschen Markte, Nur auf einzelne Beispiele sei
hier hingewiesen. Die in Deutschland gebrauchten mechanischen Webstuhle
wurden bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich aus England, namentlich
aus Bradford, bezogen. Jetzt liefert Chemnitz dieselben Maschinen zu demselben
Preise, doch in weit besserer, sorgfältigerer Ausführung. Ein Fabrikant ver¬
sicherte mir, trotz seiner Vorliebe für die englischen Stühle habe er seit einigen Jahren
nur Chemnitzer Stühle gekauft, weil jeder daran beschäftigte sich entschieden
zu Gunsten des Chemnitzer Fabrikats geäußert habe. Und wenn einige wenige
Fabrikanten noch jetzt die englischen Stühle vorziehen, so geschieht es lediglich
wegen der großen Dauerhaftigkeit des englischem Gußeisens, dem das unsrige
in dieser Beziehung nicht gleichkommen soll. Die landwirtschaftlichen Maschinen
wurden früher fast ausnahmslos ans England, die Lokomobilen z. B. aus den
Riesenwerken von Lincoln eingeführt. Jetzt sind es Eßlingen, Mannheim,
Frankfurt a. M., Chemnitz und andre Städte Deutschlands, die die englischen
Fabrikate fast gänzlich verdrängt haben. Noch vor wenigen Monaten hat
Kaiser Wilhelm in Stettin seiner und seines Volkes Frende darüber Ausdruck
gegeben, daß auch ans dem Gebiete der Schiffsbaukunst der Deutsche selbständig
geworden sei und erfolgreich die Konkurrenz mit seinem englischen Lehrmeister
aufnehmen könne. Auf diesen letzten Sieg haben wir allen Grund stolz zu
sein, denn was den Bau großer Schiffe anlangt, fo hatte England und hat
ja England noch heute eine Art Monopol beanspruchen können, und es war
ihm auch bisher ohne weiteres zugestanden worden. Wenn also über kurz
oder lang die deutschen Schiffswerften den englischen völlig ebenbürtig zur
Seite stehen, so ist daß der englischen Technik gegenüber ein Erfolg,
dessen wir uns in demselben Maße freuen können, wie wenn ein deutscher
Handelsartikel von großer Bedeutung den englischen Markt für sich er¬
obert hätte.

Aber nicht nur auf dem Heimischen, dem deutschen Absatzgebiete ist die
deutsche Industrie erfolgreich mit der englischen in Wettbewerb getreten, son¬
dern auch auf dem Weltmarkte. Da, wo früher England unbestritten das
Handelsmonopol hatte, im Osten der alten wie auch in der neuen Welt, in
Afrika wie in Polynesien, nimmt mit jeden: Jahr die deutsche Einfuhr zu, so
daß britische Kaufleute voll Neid und mit gerechter Besorgnis dem schnellen
Wachstum deutscher Interessen in den ^entferntesten Weltteilen Ansehen. Nicht
die Geschützwerkstütten von Woolwich, sondern die in Essen liefern den Chinesen
und Japanesen ihre Kanonen, deutsche Müuzanstalten prägen das Geld Eghptens,
deutsche Ingenieure und Monteure sind es jetzt zumeist, die mit deutschem


Englische Technik und deutsche Konkurrenz

ganz überwinden lassen, so lange es gewissenlose Spekulanten und gewissen¬
lose Fabrikanten giebt.

Die deutsche Konkurrenz der englischen Technik gegenüber ist eine un¬
bestreitbare Thatsache. Und zwar zeigt sie sich zunächst in der Verdrängung
englischer Erzeugnisse vom deutschen Markte, Nur auf einzelne Beispiele sei
hier hingewiesen. Die in Deutschland gebrauchten mechanischen Webstuhle
wurden bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich aus England, namentlich
aus Bradford, bezogen. Jetzt liefert Chemnitz dieselben Maschinen zu demselben
Preise, doch in weit besserer, sorgfältigerer Ausführung. Ein Fabrikant ver¬
sicherte mir, trotz seiner Vorliebe für die englischen Stühle habe er seit einigen Jahren
nur Chemnitzer Stühle gekauft, weil jeder daran beschäftigte sich entschieden
zu Gunsten des Chemnitzer Fabrikats geäußert habe. Und wenn einige wenige
Fabrikanten noch jetzt die englischen Stühle vorziehen, so geschieht es lediglich
wegen der großen Dauerhaftigkeit des englischem Gußeisens, dem das unsrige
in dieser Beziehung nicht gleichkommen soll. Die landwirtschaftlichen Maschinen
wurden früher fast ausnahmslos ans England, die Lokomobilen z. B. aus den
Riesenwerken von Lincoln eingeführt. Jetzt sind es Eßlingen, Mannheim,
Frankfurt a. M., Chemnitz und andre Städte Deutschlands, die die englischen
Fabrikate fast gänzlich verdrängt haben. Noch vor wenigen Monaten hat
Kaiser Wilhelm in Stettin seiner und seines Volkes Frende darüber Ausdruck
gegeben, daß auch ans dem Gebiete der Schiffsbaukunst der Deutsche selbständig
geworden sei und erfolgreich die Konkurrenz mit seinem englischen Lehrmeister
aufnehmen könne. Auf diesen letzten Sieg haben wir allen Grund stolz zu
sein, denn was den Bau großer Schiffe anlangt, fo hatte England und hat
ja England noch heute eine Art Monopol beanspruchen können, und es war
ihm auch bisher ohne weiteres zugestanden worden. Wenn also über kurz
oder lang die deutschen Schiffswerften den englischen völlig ebenbürtig zur
Seite stehen, so ist daß der englischen Technik gegenüber ein Erfolg,
dessen wir uns in demselben Maße freuen können, wie wenn ein deutscher
Handelsartikel von großer Bedeutung den englischen Markt für sich er¬
obert hätte.

Aber nicht nur auf dem Heimischen, dem deutschen Absatzgebiete ist die
deutsche Industrie erfolgreich mit der englischen in Wettbewerb getreten, son¬
dern auch auf dem Weltmarkte. Da, wo früher England unbestritten das
Handelsmonopol hatte, im Osten der alten wie auch in der neuen Welt, in
Afrika wie in Polynesien, nimmt mit jeden: Jahr die deutsche Einfuhr zu, so
daß britische Kaufleute voll Neid und mit gerechter Besorgnis dem schnellen
Wachstum deutscher Interessen in den ^entferntesten Weltteilen Ansehen. Nicht
die Geschützwerkstütten von Woolwich, sondern die in Essen liefern den Chinesen
und Japanesen ihre Kanonen, deutsche Müuzanstalten prägen das Geld Eghptens,
deutsche Ingenieure und Monteure sind es jetzt zumeist, die mit deutschem


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[0508] Englische Technik und deutsche Konkurrenz ganz überwinden lassen, so lange es gewissenlose Spekulanten und gewissen¬ lose Fabrikanten giebt. Die deutsche Konkurrenz der englischen Technik gegenüber ist eine un¬ bestreitbare Thatsache. Und zwar zeigt sie sich zunächst in der Verdrängung englischer Erzeugnisse vom deutschen Markte, Nur auf einzelne Beispiele sei hier hingewiesen. Die in Deutschland gebrauchten mechanischen Webstuhle wurden bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich aus England, namentlich aus Bradford, bezogen. Jetzt liefert Chemnitz dieselben Maschinen zu demselben Preise, doch in weit besserer, sorgfältigerer Ausführung. Ein Fabrikant ver¬ sicherte mir, trotz seiner Vorliebe für die englischen Stühle habe er seit einigen Jahren nur Chemnitzer Stühle gekauft, weil jeder daran beschäftigte sich entschieden zu Gunsten des Chemnitzer Fabrikats geäußert habe. Und wenn einige wenige Fabrikanten noch jetzt die englischen Stühle vorziehen, so geschieht es lediglich wegen der großen Dauerhaftigkeit des englischem Gußeisens, dem das unsrige in dieser Beziehung nicht gleichkommen soll. Die landwirtschaftlichen Maschinen wurden früher fast ausnahmslos ans England, die Lokomobilen z. B. aus den Riesenwerken von Lincoln eingeführt. Jetzt sind es Eßlingen, Mannheim, Frankfurt a. M., Chemnitz und andre Städte Deutschlands, die die englischen Fabrikate fast gänzlich verdrängt haben. Noch vor wenigen Monaten hat Kaiser Wilhelm in Stettin seiner und seines Volkes Frende darüber Ausdruck gegeben, daß auch ans dem Gebiete der Schiffsbaukunst der Deutsche selbständig geworden sei und erfolgreich die Konkurrenz mit seinem englischen Lehrmeister aufnehmen könne. Auf diesen letzten Sieg haben wir allen Grund stolz zu sein, denn was den Bau großer Schiffe anlangt, fo hatte England und hat ja England noch heute eine Art Monopol beanspruchen können, und es war ihm auch bisher ohne weiteres zugestanden worden. Wenn also über kurz oder lang die deutschen Schiffswerften den englischen völlig ebenbürtig zur Seite stehen, so ist daß der englischen Technik gegenüber ein Erfolg, dessen wir uns in demselben Maße freuen können, wie wenn ein deutscher Handelsartikel von großer Bedeutung den englischen Markt für sich er¬ obert hätte. Aber nicht nur auf dem Heimischen, dem deutschen Absatzgebiete ist die deutsche Industrie erfolgreich mit der englischen in Wettbewerb getreten, son¬ dern auch auf dem Weltmarkte. Da, wo früher England unbestritten das Handelsmonopol hatte, im Osten der alten wie auch in der neuen Welt, in Afrika wie in Polynesien, nimmt mit jeden: Jahr die deutsche Einfuhr zu, so daß britische Kaufleute voll Neid und mit gerechter Besorgnis dem schnellen Wachstum deutscher Interessen in den ^entferntesten Weltteilen Ansehen. Nicht die Geschützwerkstütten von Woolwich, sondern die in Essen liefern den Chinesen und Japanesen ihre Kanonen, deutsche Müuzanstalten prägen das Geld Eghptens, deutsche Ingenieure und Monteure sind es jetzt zumeist, die mit deutschem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/508>, abgerufen am 28.09.2024.