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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Englische Technik und deutsche Konkurrenz

ausländisches, deutsches Fabrikat; es kostet nur einen Schilling und sechs Pence
(1 Mk. 50 Pf.), taugt aber auch nichts. Das billigste Grabscheit dieser Größe
können wir nur für zwei Schilling und 6 Pence (2 Mk. 50 Pf.) herstellen,
das ist ganz roh, aber dauerhaft gearbeitet, und^der Käufer hat wenigstens
etwas für sein Geld. Trotzdem wählt er meist die billigere ausländische
Ware, die massenhaft in England eingeführt wird und unsre Industrie beson¬
ders dadurch bedroht, daß sich unsre englischen Fabrikanten genötigt sehen, auf
Kosten der Solidität billigere Ware zu liefern. Deutschland ist es also, das
unsre Industrie in doppelter Hinsicht bedroht, erstens indem es teilweise das
englische Fabrikat auf dem eignen wie auch aus dem Weltmarkte verdrängt,
und zweitens durch deu auf unsre Industrie ausgeübten Zwang, billigere und
daher natürlich auch minderwertige Erzeugnisse zu liefern. Deutschland ist es,
das uns zwingt, entweder schlecht zu arbeiten, oder nicht nur auf jeglichen
Gewinn in der Massenproduktion zu verzichten, sondern womöglich noch unter
dem Selbstkostenpreis zu verkaufen. Ihrem Volke also, fuhr der Werkführer
etwas boshaft fort, verdanken wir die Entstehung solcher Anstalten wie
dieser hier.

JchInahm die Anerkennung und das Kompliment dankbar für uus in
Empfang, wagte aber uoch die bescheidene Frage an meine Begleiter zu richten,
welchen Erfolg sie sich von der Gründung solcher technischen Schulen für die
Beseitigung der deutschen Konkurrenz versprachen. Wir bilden -- erwiderte
er -- hier Werkführer und Fabrikdirektoren aus, die neben den praktischen,
sür ihren Beruf nötigen Kenntnissen sich einen bedeutenden Schatz an theore¬
tischem Wissen angeeignet haben, das sie vielleicht^ einst in den Stand setzt,
auf technischem Gebiete durch Erfindungen und Verbesserungen, zweckmäßige
Arbeitsteilung und vor allem durch ihren gebildeten Geschmack eine neue
Blütezeit der englischen Industrie herbeizuführen. Das waren ungefähr die
Worte des Leiters der Anstalt.

Mir war es zwar nicht recht einleuchtend, wie trotz des kläglich geringen
Besuches der Anstalt ein so allgemeiner Aufschwung zu erwarten sein sollte,
aber jedenfalls hatte ich doch einen lehrreichen Blick in diese neue Bewegung
des englischen Jndustrielebens gethan. Es war mir klar geworden, daß Eng¬
land kein Opfer scheut, um der deutschen Konkurrenz Herr zu werden, und
daß, wenn wir unsern Posten behaupten oder gar noch Verstürken wollen, es
gilt, alle Kraft einzusetzen und vor allem auch in der Solidität der ausgeführten
Haudelserzeugnisse den Vorwurf zu widerlegen, der so lange Zeit schwer auf
unsrer Industrie gelastet hat, und der bei der Weltausstellung in Philadelphia
in den: harten Urteil des deutschen Preisrichters Ausdruck fand: Billig und
schlecht. Wir wissen, daß es, Gott Lob, seitdem anders geworden ist, daß in
allen Zweigen der Industrie sich das Streben kundgiebt, wirklich Mutes zu
schaffen, aber die Gefahr ist noch nicht überwunden und wird sich auch nicht


Englische Technik und deutsche Konkurrenz

ausländisches, deutsches Fabrikat; es kostet nur einen Schilling und sechs Pence
(1 Mk. 50 Pf.), taugt aber auch nichts. Das billigste Grabscheit dieser Größe
können wir nur für zwei Schilling und 6 Pence (2 Mk. 50 Pf.) herstellen,
das ist ganz roh, aber dauerhaft gearbeitet, und^der Käufer hat wenigstens
etwas für sein Geld. Trotzdem wählt er meist die billigere ausländische
Ware, die massenhaft in England eingeführt wird und unsre Industrie beson¬
ders dadurch bedroht, daß sich unsre englischen Fabrikanten genötigt sehen, auf
Kosten der Solidität billigere Ware zu liefern. Deutschland ist es also, das
unsre Industrie in doppelter Hinsicht bedroht, erstens indem es teilweise das
englische Fabrikat auf dem eignen wie auch aus dem Weltmarkte verdrängt,
und zweitens durch deu auf unsre Industrie ausgeübten Zwang, billigere und
daher natürlich auch minderwertige Erzeugnisse zu liefern. Deutschland ist es,
das uns zwingt, entweder schlecht zu arbeiten, oder nicht nur auf jeglichen
Gewinn in der Massenproduktion zu verzichten, sondern womöglich noch unter
dem Selbstkostenpreis zu verkaufen. Ihrem Volke also, fuhr der Werkführer
etwas boshaft fort, verdanken wir die Entstehung solcher Anstalten wie
dieser hier.

JchInahm die Anerkennung und das Kompliment dankbar für uus in
Empfang, wagte aber uoch die bescheidene Frage an meine Begleiter zu richten,
welchen Erfolg sie sich von der Gründung solcher technischen Schulen für die
Beseitigung der deutschen Konkurrenz versprachen. Wir bilden — erwiderte
er — hier Werkführer und Fabrikdirektoren aus, die neben den praktischen,
sür ihren Beruf nötigen Kenntnissen sich einen bedeutenden Schatz an theore¬
tischem Wissen angeeignet haben, das sie vielleicht^ einst in den Stand setzt,
auf technischem Gebiete durch Erfindungen und Verbesserungen, zweckmäßige
Arbeitsteilung und vor allem durch ihren gebildeten Geschmack eine neue
Blütezeit der englischen Industrie herbeizuführen. Das waren ungefähr die
Worte des Leiters der Anstalt.

Mir war es zwar nicht recht einleuchtend, wie trotz des kläglich geringen
Besuches der Anstalt ein so allgemeiner Aufschwung zu erwarten sein sollte,
aber jedenfalls hatte ich doch einen lehrreichen Blick in diese neue Bewegung
des englischen Jndustrielebens gethan. Es war mir klar geworden, daß Eng¬
land kein Opfer scheut, um der deutschen Konkurrenz Herr zu werden, und
daß, wenn wir unsern Posten behaupten oder gar noch Verstürken wollen, es
gilt, alle Kraft einzusetzen und vor allem auch in der Solidität der ausgeführten
Haudelserzeugnisse den Vorwurf zu widerlegen, der so lange Zeit schwer auf
unsrer Industrie gelastet hat, und der bei der Weltausstellung in Philadelphia
in den: harten Urteil des deutschen Preisrichters Ausdruck fand: Billig und
schlecht. Wir wissen, daß es, Gott Lob, seitdem anders geworden ist, daß in
allen Zweigen der Industrie sich das Streben kundgiebt, wirklich Mutes zu
schaffen, aber die Gefahr ist noch nicht überwunden und wird sich auch nicht


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[0507] Englische Technik und deutsche Konkurrenz ausländisches, deutsches Fabrikat; es kostet nur einen Schilling und sechs Pence (1 Mk. 50 Pf.), taugt aber auch nichts. Das billigste Grabscheit dieser Größe können wir nur für zwei Schilling und 6 Pence (2 Mk. 50 Pf.) herstellen, das ist ganz roh, aber dauerhaft gearbeitet, und^der Käufer hat wenigstens etwas für sein Geld. Trotzdem wählt er meist die billigere ausländische Ware, die massenhaft in England eingeführt wird und unsre Industrie beson¬ ders dadurch bedroht, daß sich unsre englischen Fabrikanten genötigt sehen, auf Kosten der Solidität billigere Ware zu liefern. Deutschland ist es also, das unsre Industrie in doppelter Hinsicht bedroht, erstens indem es teilweise das englische Fabrikat auf dem eignen wie auch aus dem Weltmarkte verdrängt, und zweitens durch deu auf unsre Industrie ausgeübten Zwang, billigere und daher natürlich auch minderwertige Erzeugnisse zu liefern. Deutschland ist es, das uns zwingt, entweder schlecht zu arbeiten, oder nicht nur auf jeglichen Gewinn in der Massenproduktion zu verzichten, sondern womöglich noch unter dem Selbstkostenpreis zu verkaufen. Ihrem Volke also, fuhr der Werkführer etwas boshaft fort, verdanken wir die Entstehung solcher Anstalten wie dieser hier. JchInahm die Anerkennung und das Kompliment dankbar für uus in Empfang, wagte aber uoch die bescheidene Frage an meine Begleiter zu richten, welchen Erfolg sie sich von der Gründung solcher technischen Schulen für die Beseitigung der deutschen Konkurrenz versprachen. Wir bilden — erwiderte er — hier Werkführer und Fabrikdirektoren aus, die neben den praktischen, sür ihren Beruf nötigen Kenntnissen sich einen bedeutenden Schatz an theore¬ tischem Wissen angeeignet haben, das sie vielleicht^ einst in den Stand setzt, auf technischem Gebiete durch Erfindungen und Verbesserungen, zweckmäßige Arbeitsteilung und vor allem durch ihren gebildeten Geschmack eine neue Blütezeit der englischen Industrie herbeizuführen. Das waren ungefähr die Worte des Leiters der Anstalt. Mir war es zwar nicht recht einleuchtend, wie trotz des kläglich geringen Besuches der Anstalt ein so allgemeiner Aufschwung zu erwarten sein sollte, aber jedenfalls hatte ich doch einen lehrreichen Blick in diese neue Bewegung des englischen Jndustrielebens gethan. Es war mir klar geworden, daß Eng¬ land kein Opfer scheut, um der deutschen Konkurrenz Herr zu werden, und daß, wenn wir unsern Posten behaupten oder gar noch Verstürken wollen, es gilt, alle Kraft einzusetzen und vor allem auch in der Solidität der ausgeführten Haudelserzeugnisse den Vorwurf zu widerlegen, der so lange Zeit schwer auf unsrer Industrie gelastet hat, und der bei der Weltausstellung in Philadelphia in den: harten Urteil des deutschen Preisrichters Ausdruck fand: Billig und schlecht. Wir wissen, daß es, Gott Lob, seitdem anders geworden ist, daß in allen Zweigen der Industrie sich das Streben kundgiebt, wirklich Mutes zu schaffen, aber die Gefahr ist noch nicht überwunden und wird sich auch nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/507>, abgerufen am 28.09.2024.