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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Militärisch-politische Blicke nach Osten
2

icht irgend ein Gefühl von besonders warmer Liebe auf der einen
oder der andern Seite oder von Haß gegen einen dritten, sondern
die Gemeinsamkeit der Interessen Österreich-Ungarns und des
Deutschen Reiches hat zwischen diesen beiden Staaten ein Freund¬
schaftsverhältnis entstehen lassen, das nicht leicht zu stören und zu
lösen sein und das bei dem für die Dauer doch kaum vermeidlichen Weltkriege,
mit dem uns französische Rachgier und russische Eroberungslust bedrohen, sich
sicherlich bewähren wird. Da indes die politische Lage gegenwärtig noch derart
^, daß die Kräfte Deutschlands bei einem solchen Kampfe zum größern Teile
Mr Niederwerfung Frankreichs verwendet werden müssen, so wird sich Österreich
dabei, wenigstens anfangs, vorzüglich ans seine eignen militärischen Hilfsmittel
zu verlassen haben, und das gleiche gilt von Rußland, wenn es sich auschickt,
über Wien zur Eroberung Konstantinopels oder anch mir zu einer wesentlichen
Umgestaltung der staatlichen Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel vorzugehen.
Rußland hat in seinen beiden letzten Kriegen mit der Pforte erfahren, wie
nachteilig die große Ausdehnung feines Gebietes auf die Mobilmachung, die
Sammlung und Aufstellung der Armeen, auf deren Verpflegung und ans den
notwendigen Nachschub von Truppen wirkt, und es hat darnach gehandelt.

hat seitdem zunächst sein Eisenbahnnetz erweitert, und zwar in der Weise,
dnß es die Ansammlung von Streitkräften in den westlichen Grenzprvvinzen
bedeutend erleichtert. Von Petersburg. Moskau. Sarepta, Kursk, Charkow,
Nossow und Odessa laufen jetzt durchgehende Linien, die durch Zwischenbahnen
von Norden nach Süden mit einander verbunden sind, nach dem Weichsellaude,
"ut selbst die unwegsamen Nokitno-Sümpfe sind durch Schienenstößen dem


Grenzboten 1 188ö 12


Militärisch-politische Blicke nach Osten
2

icht irgend ein Gefühl von besonders warmer Liebe auf der einen
oder der andern Seite oder von Haß gegen einen dritten, sondern
die Gemeinsamkeit der Interessen Österreich-Ungarns und des
Deutschen Reiches hat zwischen diesen beiden Staaten ein Freund¬
schaftsverhältnis entstehen lassen, das nicht leicht zu stören und zu
lösen sein und das bei dem für die Dauer doch kaum vermeidlichen Weltkriege,
mit dem uns französische Rachgier und russische Eroberungslust bedrohen, sich
sicherlich bewähren wird. Da indes die politische Lage gegenwärtig noch derart
^, daß die Kräfte Deutschlands bei einem solchen Kampfe zum größern Teile
Mr Niederwerfung Frankreichs verwendet werden müssen, so wird sich Österreich
dabei, wenigstens anfangs, vorzüglich ans seine eignen militärischen Hilfsmittel
zu verlassen haben, und das gleiche gilt von Rußland, wenn es sich auschickt,
über Wien zur Eroberung Konstantinopels oder anch mir zu einer wesentlichen
Umgestaltung der staatlichen Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel vorzugehen.
Rußland hat in seinen beiden letzten Kriegen mit der Pforte erfahren, wie
nachteilig die große Ausdehnung feines Gebietes auf die Mobilmachung, die
Sammlung und Aufstellung der Armeen, auf deren Verpflegung und ans den
notwendigen Nachschub von Truppen wirkt, und es hat darnach gehandelt.

hat seitdem zunächst sein Eisenbahnnetz erweitert, und zwar in der Weise,
dnß es die Ansammlung von Streitkräften in den westlichen Grenzprvvinzen
bedeutend erleichtert. Von Petersburg. Moskau. Sarepta, Kursk, Charkow,
Nossow und Odessa laufen jetzt durchgehende Linien, die durch Zwischenbahnen
von Norden nach Süden mit einander verbunden sind, nach dem Weichsellaude,
"ut selbst die unwegsamen Nokitno-Sümpfe sind durch Schienenstößen dem


Grenzboten 1 188ö 12
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[0497] [Abbildung] Militärisch-politische Blicke nach Osten 2 icht irgend ein Gefühl von besonders warmer Liebe auf der einen oder der andern Seite oder von Haß gegen einen dritten, sondern die Gemeinsamkeit der Interessen Österreich-Ungarns und des Deutschen Reiches hat zwischen diesen beiden Staaten ein Freund¬ schaftsverhältnis entstehen lassen, das nicht leicht zu stören und zu lösen sein und das bei dem für die Dauer doch kaum vermeidlichen Weltkriege, mit dem uns französische Rachgier und russische Eroberungslust bedrohen, sich sicherlich bewähren wird. Da indes die politische Lage gegenwärtig noch derart ^, daß die Kräfte Deutschlands bei einem solchen Kampfe zum größern Teile Mr Niederwerfung Frankreichs verwendet werden müssen, so wird sich Österreich dabei, wenigstens anfangs, vorzüglich ans seine eignen militärischen Hilfsmittel zu verlassen haben, und das gleiche gilt von Rußland, wenn es sich auschickt, über Wien zur Eroberung Konstantinopels oder anch mir zu einer wesentlichen Umgestaltung der staatlichen Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel vorzugehen. Rußland hat in seinen beiden letzten Kriegen mit der Pforte erfahren, wie nachteilig die große Ausdehnung feines Gebietes auf die Mobilmachung, die Sammlung und Aufstellung der Armeen, auf deren Verpflegung und ans den notwendigen Nachschub von Truppen wirkt, und es hat darnach gehandelt. hat seitdem zunächst sein Eisenbahnnetz erweitert, und zwar in der Weise, dnß es die Ansammlung von Streitkräften in den westlichen Grenzprvvinzen bedeutend erleichtert. Von Petersburg. Moskau. Sarepta, Kursk, Charkow, Nossow und Odessa laufen jetzt durchgehende Linien, die durch Zwischenbahnen von Norden nach Süden mit einander verbunden sind, nach dem Weichsellaude, "ut selbst die unwegsamen Nokitno-Sümpfe sind durch Schienenstößen dem Grenzboten 1 188ö 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/497>, abgerufen am 29.06.2024.