Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Harte Köpfe der Blick eines todwunden, flehenden Tieres. Ein rührend ängstliches Lächeln Wir beiden Überflüssigem warfen uns einen Blick zu und zogen uns ins Dank, sagte sie, daß Sie gekommen sind. Ich weiß es jetzt, daß ich ein Ich habe in der Erbschaft Ihres Vaters nie eine Schmach für Sie ge¬ Das wohl nicht, aber man sagt, die Schuld gehe auf Kiuder und Kindes¬ Man sagt vieles, was nicht wahr ist. Die Armut vererbt sich und die Ich glaube es Ihnen; ich glaubte es schon lange, aber im Anfang konnte Ich glaube nicht, daß ich Sie so ganz mißverstanden habe. Was mich Doch wohl, aber ich wußte ja, welche Antwort ich bekommen würde, Weil Sie nichts gethan hatten, um Verzeihung zu verdienen. Sie haben Harte Köpfe der Blick eines todwunden, flehenden Tieres. Ein rührend ängstliches Lächeln Wir beiden Überflüssigem warfen uns einen Blick zu und zogen uns ins Dank, sagte sie, daß Sie gekommen sind. Ich weiß es jetzt, daß ich ein Ich habe in der Erbschaft Ihres Vaters nie eine Schmach für Sie ge¬ Das wohl nicht, aber man sagt, die Schuld gehe auf Kiuder und Kindes¬ Man sagt vieles, was nicht wahr ist. Die Armut vererbt sich und die Ich glaube es Ihnen; ich glaubte es schon lange, aber im Anfang konnte Ich glaube nicht, daß ich Sie so ganz mißverstanden habe. Was mich Doch wohl, aber ich wußte ja, welche Antwort ich bekommen würde, Weil Sie nichts gethan hatten, um Verzeihung zu verdienen. Sie haben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204575"/> <fw type="header" place="top"> Harte Köpfe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1593" prev="#ID_1592"> der Blick eines todwunden, flehenden Tieres. Ein rührend ängstliches Lächeln<lb/> zog über ihr Gesicht, als er näher trat und ihr die Hand reichte, ohne zu<lb/> sprechen. Sie nestelte ihre eignen Finger mit Mühe auseinander, zog seine<lb/> Hand an sich und drückte sie an die Lippen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1594"> Wir beiden Überflüssigem warfen uns einen Blick zu und zogen uns ins<lb/> Nebenzimmer zurück. Aber wie wenig wir muh die Absicht hatten, zu horchen,<lb/> wir mußten zuhören; denn die klagende Stimme des Weibes klang seltsam<lb/> deutlich zu uns herüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_1595"> Dank, sagte sie, daß Sie gekommen sind. Ich weiß es jetzt, daß ich ein<lb/> großes Unrecht gegen Sie gethan habe. Aber Sie müssen auch wissen, daß<lb/> mein Wille nicht böse war. Ich glaubte, es sei nicht möglich, daß Sie meine<lb/> Schmach vergessen könnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1596"> Ich habe in der Erbschaft Ihres Vaters nie eine Schmach für Sie ge¬<lb/> sehen; ich hatte also nichts zu vergesse». War es denn Ihre Schuld, daß<lb/> sich Ihr Vater zum Übeln wandte?</p><lb/> <p xml:id="ID_1597"> Das wohl nicht, aber man sagt, die Schuld gehe auf Kiuder und Kindes¬<lb/> kinder über.</p><lb/> <p xml:id="ID_1598"> Man sagt vieles, was nicht wahr ist. Die Armut vererbt sich und die<lb/> Krankheit, und beide erzeugen neue Schuld; das ist der Hergang der Sünden-<lb/> Vererbung. Bei Ihnen aber wußte ich, daß keine Krankheit übergegangen war,<lb/> denn Sie waren wahrhaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1599"> Ich glaube es Ihnen; ich glaubte es schon lange, aber im Anfang konnte<lb/> ich es nicht fassen; ich habe Jahre gebraucht, um mir klar zu werden über<lb/> Dinge, mit denen Sie in einer Sekunde fertig waren. Deshalb habe ich Sie<lb/> zurückgewiesen. Ich hatte gedacht, Sie würden mich bald vergessen und dann<lb/> mit einer andern ein Glück finden, das ich Ihnen nicht bieten konnte. Ach<lb/> Gott, ich hatte an alles gedacht, nur nicht an das eine, daß Sie mich mi߬<lb/> verstehen würden, nicht an ihrer schrecklichen Zorn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1600"> Ich glaube nicht, daß ich Sie so ganz mißverstanden habe. Was mich<lb/> empört hat, das war nicht sowohl die Thatsache, daß Sie mich verstießen,<lb/> als die Art, wie Sie es gethan haben. Hätten Sie mich nnr einmal angehört,<lb/> Sie hätten alsbald erfahren können, wie es mit mir stand. Ist Ihnen denn<lb/> nie eingefallen, daß ich in einer Sache, die mich so nahe anging, doch auch<lb/> wohl ein Wort zu sagen gehabt hätte?</p><lb/> <p xml:id="ID_1601"> Doch wohl, aber ich wußte ja, welche Antwort ich bekommen würde,<lb/> wenn ich Sie fragte, und das wußte ich auch, wenn Sie mich nur angesehen<lb/> Hütten, würde ich gethan haben, was Sie wollten; ich aber glaubte, es sei<lb/> meine Pflicht, zu entsagen, und nur deshalb — v, warum haben Sie mir<lb/> nicht verziehen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1602" next="#ID_1603"> Weil Sie nichts gethan hatten, um Verzeihung zu verdienen. Sie haben<lb/> mir acht Monate lang gegenüber gestanden wie ein Weib, das kein Recht und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0486]
Harte Köpfe
der Blick eines todwunden, flehenden Tieres. Ein rührend ängstliches Lächeln
zog über ihr Gesicht, als er näher trat und ihr die Hand reichte, ohne zu
sprechen. Sie nestelte ihre eignen Finger mit Mühe auseinander, zog seine
Hand an sich und drückte sie an die Lippen.
Wir beiden Überflüssigem warfen uns einen Blick zu und zogen uns ins
Nebenzimmer zurück. Aber wie wenig wir muh die Absicht hatten, zu horchen,
wir mußten zuhören; denn die klagende Stimme des Weibes klang seltsam
deutlich zu uns herüber.
Dank, sagte sie, daß Sie gekommen sind. Ich weiß es jetzt, daß ich ein
großes Unrecht gegen Sie gethan habe. Aber Sie müssen auch wissen, daß
mein Wille nicht böse war. Ich glaubte, es sei nicht möglich, daß Sie meine
Schmach vergessen könnten.
Ich habe in der Erbschaft Ihres Vaters nie eine Schmach für Sie ge¬
sehen; ich hatte also nichts zu vergesse». War es denn Ihre Schuld, daß
sich Ihr Vater zum Übeln wandte?
Das wohl nicht, aber man sagt, die Schuld gehe auf Kiuder und Kindes¬
kinder über.
Man sagt vieles, was nicht wahr ist. Die Armut vererbt sich und die
Krankheit, und beide erzeugen neue Schuld; das ist der Hergang der Sünden-
Vererbung. Bei Ihnen aber wußte ich, daß keine Krankheit übergegangen war,
denn Sie waren wahrhaft.
Ich glaube es Ihnen; ich glaubte es schon lange, aber im Anfang konnte
ich es nicht fassen; ich habe Jahre gebraucht, um mir klar zu werden über
Dinge, mit denen Sie in einer Sekunde fertig waren. Deshalb habe ich Sie
zurückgewiesen. Ich hatte gedacht, Sie würden mich bald vergessen und dann
mit einer andern ein Glück finden, das ich Ihnen nicht bieten konnte. Ach
Gott, ich hatte an alles gedacht, nur nicht an das eine, daß Sie mich mi߬
verstehen würden, nicht an ihrer schrecklichen Zorn.
Ich glaube nicht, daß ich Sie so ganz mißverstanden habe. Was mich
empört hat, das war nicht sowohl die Thatsache, daß Sie mich verstießen,
als die Art, wie Sie es gethan haben. Hätten Sie mich nnr einmal angehört,
Sie hätten alsbald erfahren können, wie es mit mir stand. Ist Ihnen denn
nie eingefallen, daß ich in einer Sache, die mich so nahe anging, doch auch
wohl ein Wort zu sagen gehabt hätte?
Doch wohl, aber ich wußte ja, welche Antwort ich bekommen würde,
wenn ich Sie fragte, und das wußte ich auch, wenn Sie mich nur angesehen
Hütten, würde ich gethan haben, was Sie wollten; ich aber glaubte, es sei
meine Pflicht, zu entsagen, und nur deshalb — v, warum haben Sie mir
nicht verziehen?
Weil Sie nichts gethan hatten, um Verzeihung zu verdienen. Sie haben
mir acht Monate lang gegenüber gestanden wie ein Weib, das kein Recht und
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