Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Harte Röpfe that, sie zog sich förmlich in sich zusammen; sie wußte uns nur mit den Dann ist es ein Unglück, daß sie gerade an diesen gewaltigen Logiker Ja, warum hat er ihr denn nicht verziehen? Vermutlich, weil sie das einzige gemacht und immerfort gemacht hat, was Mein Herr Gemahl, ich wünschte manchmal, dn wärst etwas weniger Werde nicht spitz, meine Gute, es ist so; was sieht denn der Chirurg Aber ich bin sicher, daß sie es nur aus Liebe gethan hat. Sie hat also ein halbes Jahr lang das Gegenteil von dem gethan, was Einmal und für immer, wiederholte sie; weißt du, was ich heimlich glaube? Nun? Er denkt noch immer an sie. Ich sah es an seinen Augen, als er von Harte Röpfe that, sie zog sich förmlich in sich zusammen; sie wußte uns nur mit den Dann ist es ein Unglück, daß sie gerade an diesen gewaltigen Logiker Ja, warum hat er ihr denn nicht verziehen? Vermutlich, weil sie das einzige gemacht und immerfort gemacht hat, was Mein Herr Gemahl, ich wünschte manchmal, dn wärst etwas weniger Werde nicht spitz, meine Gute, es ist so; was sieht denn der Chirurg Aber ich bin sicher, daß sie es nur aus Liebe gethan hat. Sie hat also ein halbes Jahr lang das Gegenteil von dem gethan, was Einmal und für immer, wiederholte sie; weißt du, was ich heimlich glaube? Nun? Er denkt noch immer an sie. Ich sah es an seinen Augen, als er von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0483" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204572"/> <fw type="header" place="top"> Harte Röpfe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1571" prev="#ID_1570"> that, sie zog sich förmlich in sich zusammen; sie wußte uns nur mit den<lb/> traurigen Augen anzusehen, wie ein verwundetes Thier, aber sprechen konnte<lb/> sie nicht. Ich selbst habe sie einmal angefahren, weil ich glaubte, sie hätte<lb/> meinen Porzellanengel zerschlagen. So lange sie mir den Rücken kehrte,<lb/> hielt ich sie für verstockt, aber als sie zu nur aufsah, thaten mir meine eignen<lb/> harten Worte so tuller weh, daß ich sie weinend auf meinen Schoß zog.<lb/> So wurde sie mein Kind, und sie ist es geblieben, bis sie verschwand — wir<lb/> wisseli ja jetzt, warum.</p><lb/> <p xml:id="ID_1572"> Dann ist es ein Unglück, daß sie gerade an diesen gewaltigen Logiker<lb/> geraten ist. Der Mann hat sehr helle Augen, das magst du mir glauben, er<lb/> hat auch gesehen, wie ihr zu Mute war, aber —</p><lb/> <p xml:id="ID_1573"> Ja, warum hat er ihr denn nicht verziehen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1574"> Vermutlich, weil sie das einzige gemacht und immerfort gemacht hat, was<lb/> er nicht vertragen kann, schlechtweg eine Dummheit. Ich habe das schon mehr¬<lb/> fach an ihm bemerkt: er verzeiht eine egoistische Schwäche oder Bosheit ohne<lb/> jede Anstrengung, aber die blanke Dummheit ist ihm etwas Unerklärliches,<lb/> etwas Fremdes, das er nicht vergiebt, weil es ihm unverständlich bleibt.<lb/> Und dann bedenke, wie furchtbar sie ihn gekränkt haben muß! Ihn aus¬<lb/> zuschließen von jedem Wort, ihn, dessen ganze Lebensrichtung uur darauf<lb/> hinausgeht, im offnen Streit der Meinungen das Nichtige zu ergründen, ihn<lb/> eiuzuhemmen und auszusperren mit gesellschaftlichen Konventionen, ihn, der<lb/> nur die nackte Wahrheit und das nackte Weib kennen will —</p><lb/> <p xml:id="ID_1575"> Mein Herr Gemahl, ich wünschte manchmal, dn wärst etwas weniger<lb/> Mediziner!</p><lb/> <p xml:id="ID_1576"> Werde nicht spitz, meine Gute, es ist so; was sieht denn der Chirurg<lb/> da, wo er eingreift? er hat in der Hauptsache nackte Menschen vor sich, und<lb/> zwar uicht bloß körperlich, sondern sie liegen auch geistig nackt da, in ihren<lb/> Schmerzen, in ihrer Angst und in ihren Sünden. Wer die Schule hinter<lb/> sich hat, dem imponirt man nicht mehr mit konventionellen Anstandsregeln,<lb/> >"'d es gehörte von ihrer Seite el» unbegreifliches Verkennen dazu, um so<lb/> gegen ihn aufzutreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1577"> Aber ich bin sicher, daß sie es nur aus Liebe gethan hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1578"> Sie hat also ein halbes Jahr lang das Gegenteil von dem gethan, was<lb/> sie eigentlich wollte. Das mache dn einmal einem Menschen begreiflich, der<lb/> mit allen Fasern seines Wesens darauf eingerichtet ist, genau das zu thun,<lb/> Was er will und wollen wird, der seine Entschlüsse einmal faßt und für<lb/> immer!</p><lb/> <p xml:id="ID_1579"> Einmal und für immer, wiederholte sie; weißt du, was ich heimlich glaube?</p><lb/> <p xml:id="ID_1580"> Nun?</p><lb/> <p xml:id="ID_1581"> Er denkt noch immer an sie. Ich sah es an seinen Augen, als er von<lb/> ihr sprach.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0483]
Harte Röpfe
that, sie zog sich förmlich in sich zusammen; sie wußte uns nur mit den
traurigen Augen anzusehen, wie ein verwundetes Thier, aber sprechen konnte
sie nicht. Ich selbst habe sie einmal angefahren, weil ich glaubte, sie hätte
meinen Porzellanengel zerschlagen. So lange sie mir den Rücken kehrte,
hielt ich sie für verstockt, aber als sie zu nur aufsah, thaten mir meine eignen
harten Worte so tuller weh, daß ich sie weinend auf meinen Schoß zog.
So wurde sie mein Kind, und sie ist es geblieben, bis sie verschwand — wir
wisseli ja jetzt, warum.
Dann ist es ein Unglück, daß sie gerade an diesen gewaltigen Logiker
geraten ist. Der Mann hat sehr helle Augen, das magst du mir glauben, er
hat auch gesehen, wie ihr zu Mute war, aber —
Ja, warum hat er ihr denn nicht verziehen?
Vermutlich, weil sie das einzige gemacht und immerfort gemacht hat, was
er nicht vertragen kann, schlechtweg eine Dummheit. Ich habe das schon mehr¬
fach an ihm bemerkt: er verzeiht eine egoistische Schwäche oder Bosheit ohne
jede Anstrengung, aber die blanke Dummheit ist ihm etwas Unerklärliches,
etwas Fremdes, das er nicht vergiebt, weil es ihm unverständlich bleibt.
Und dann bedenke, wie furchtbar sie ihn gekränkt haben muß! Ihn aus¬
zuschließen von jedem Wort, ihn, dessen ganze Lebensrichtung uur darauf
hinausgeht, im offnen Streit der Meinungen das Nichtige zu ergründen, ihn
eiuzuhemmen und auszusperren mit gesellschaftlichen Konventionen, ihn, der
nur die nackte Wahrheit und das nackte Weib kennen will —
Mein Herr Gemahl, ich wünschte manchmal, dn wärst etwas weniger
Mediziner!
Werde nicht spitz, meine Gute, es ist so; was sieht denn der Chirurg
da, wo er eingreift? er hat in der Hauptsache nackte Menschen vor sich, und
zwar uicht bloß körperlich, sondern sie liegen auch geistig nackt da, in ihren
Schmerzen, in ihrer Angst und in ihren Sünden. Wer die Schule hinter
sich hat, dem imponirt man nicht mehr mit konventionellen Anstandsregeln,
>"'d es gehörte von ihrer Seite el» unbegreifliches Verkennen dazu, um so
gegen ihn aufzutreten.
Aber ich bin sicher, daß sie es nur aus Liebe gethan hat.
Sie hat also ein halbes Jahr lang das Gegenteil von dem gethan, was
sie eigentlich wollte. Das mache dn einmal einem Menschen begreiflich, der
mit allen Fasern seines Wesens darauf eingerichtet ist, genau das zu thun,
Was er will und wollen wird, der seine Entschlüsse einmal faßt und für
immer!
Einmal und für immer, wiederholte sie; weißt du, was ich heimlich glaube?
Nun?
Er denkt noch immer an sie. Ich sah es an seinen Augen, als er von
ihr sprach.
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