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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Harte Aöxfe

Aline Perdetti.

Sie schrie fast auf: Ich habe es geahnt! O Aline, meine arme kleine
Freundin, mein Kind, das ich abends in der Pension aus den Schoß nahm,
um ihm Märchen zu erzählen! Wie waren wir glücklich! Jetzt weiß ich, warum
-sie spurlos aus dem Gesichtskreis aller Freundinnen verschwand. Und so zu
scheitern! O sie kluger, kluger Doktor, Sie habe" nie gemerkt, daß das arme
Mädchen Sie nur deshalb'nicht zu Worte kommen ließ, weil sie ganz sicher
wußte, daß sie Ihnen nicht fünf Minuten widerstehen würde, wenn Sie erst
mit ihr allein wären?

Mag teilweise so sein, antwortete er, das ändert aber nichts an der Sach¬
lage und an der -- Anstcmdsdame.

Jawohl, an der hängen Sie nun; v. ich glaube, Sie sind viel mehr ge¬
liebt worden, als Sie es verdienen.

Ich weiß vorläufig nur, daß ich viel mehr an die Luft gesetzt worden
bin, als ich es verdiente. Doch wir wollen keinen Streit wegen der Ver¬
gangenheit anfangen. Sie ist einmal gegeben, und ich habe mit ihr abge¬
schlossen. Jetzt handelt es sich um etwas andres. Das Duell wird nicht
ganz ohne Aussehen vorübergegangen sein, es gelangt vermutlich in die
Zeitungen, aus alle Fälle wird es unmöglich sein, der Frau die Kenntnis
davon vorzuenthalten, daß ich derjenige bin, der ihren Mann verwundet hat.
Sie muß denken, es handle sich dabei um einen feindseligen Akt von meiner
Seite. Daß mir das nicht eingefallen ist, daß ich nichts von ihrem Namen
wußte, und daß das Duell mir trotz meines Widerstrebens aufgezwungen wurde,
das kann sie kaum ahnen, und wenn ich es selbst ihr sagte, so würde sie es
wahrscheinlich nicht einmal glauben. Es ist auch zu vermuten, daß sie muh
wieder nicht dazu kommen lassen würde, es ihr zu sagen. Es muß ihr aber
gesagt werden, und das kann nur eine Frau thun. Sind Sie, gnädige Fran.
eine Freundin von ihr, um so besser; Sie allein können jetzt der Unglücklichen
glaubhaft auseinandersetzen, wie sich die Sache zugetragen hat, und können
weitere mögliche Folgen verhindern. Wollen Sie ihr schreiben, oder besser,
wollen Sie Hinreisen und ihr mündlich das Nötige mitteilen?

Ich will, sagte sie unter Thränen; das ist wenigstens nett von Ihnen,
daß Sie das fühlen! Weshalb lächeln Sie jetzt so eigentümlich?

Ja, sagte er, da ich mich nicht ganz habe zurückhalten können, muß ich
es Ihnen wohl erklären, auf die Gefahr hin, als ein Bär zu erscheinen. Wenn
man die Gefühle der Damen schont, sind Sie sofort bereit, das als wenigstens
nett zu acceptiren; wenn wir aber einmal einen ähnlichen Anspruch erheben
wollten, dann -- den Schluß können Sie sich nach dem, was Sie gehört
haben, selbst ausmalen.

O. Ihre Gefühle! blitzte mein kleiner Sprühtenfel dnrch ihre Thränen
hindurch, was Ihnen in den Augen funkelt, ist Stolz, nichts andres! Und
Gre


nzboten I 1889 ^
Harte Aöxfe

Aline Perdetti.

Sie schrie fast auf: Ich habe es geahnt! O Aline, meine arme kleine
Freundin, mein Kind, das ich abends in der Pension aus den Schoß nahm,
um ihm Märchen zu erzählen! Wie waren wir glücklich! Jetzt weiß ich, warum
-sie spurlos aus dem Gesichtskreis aller Freundinnen verschwand. Und so zu
scheitern! O sie kluger, kluger Doktor, Sie habe» nie gemerkt, daß das arme
Mädchen Sie nur deshalb'nicht zu Worte kommen ließ, weil sie ganz sicher
wußte, daß sie Ihnen nicht fünf Minuten widerstehen würde, wenn Sie erst
mit ihr allein wären?

Mag teilweise so sein, antwortete er, das ändert aber nichts an der Sach¬
lage und an der — Anstcmdsdame.

Jawohl, an der hängen Sie nun; v. ich glaube, Sie sind viel mehr ge¬
liebt worden, als Sie es verdienen.

Ich weiß vorläufig nur, daß ich viel mehr an die Luft gesetzt worden
bin, als ich es verdiente. Doch wir wollen keinen Streit wegen der Ver¬
gangenheit anfangen. Sie ist einmal gegeben, und ich habe mit ihr abge¬
schlossen. Jetzt handelt es sich um etwas andres. Das Duell wird nicht
ganz ohne Aussehen vorübergegangen sein, es gelangt vermutlich in die
Zeitungen, aus alle Fälle wird es unmöglich sein, der Frau die Kenntnis
davon vorzuenthalten, daß ich derjenige bin, der ihren Mann verwundet hat.
Sie muß denken, es handle sich dabei um einen feindseligen Akt von meiner
Seite. Daß mir das nicht eingefallen ist, daß ich nichts von ihrem Namen
wußte, und daß das Duell mir trotz meines Widerstrebens aufgezwungen wurde,
das kann sie kaum ahnen, und wenn ich es selbst ihr sagte, so würde sie es
wahrscheinlich nicht einmal glauben. Es ist auch zu vermuten, daß sie muh
wieder nicht dazu kommen lassen würde, es ihr zu sagen. Es muß ihr aber
gesagt werden, und das kann nur eine Frau thun. Sind Sie, gnädige Fran.
eine Freundin von ihr, um so besser; Sie allein können jetzt der Unglücklichen
glaubhaft auseinandersetzen, wie sich die Sache zugetragen hat, und können
weitere mögliche Folgen verhindern. Wollen Sie ihr schreiben, oder besser,
wollen Sie Hinreisen und ihr mündlich das Nötige mitteilen?

Ich will, sagte sie unter Thränen; das ist wenigstens nett von Ihnen,
daß Sie das fühlen! Weshalb lächeln Sie jetzt so eigentümlich?

Ja, sagte er, da ich mich nicht ganz habe zurückhalten können, muß ich
es Ihnen wohl erklären, auf die Gefahr hin, als ein Bär zu erscheinen. Wenn
man die Gefühle der Damen schont, sind Sie sofort bereit, das als wenigstens
nett zu acceptiren; wenn wir aber einmal einen ähnlichen Anspruch erheben
wollten, dann — den Schluß können Sie sich nach dem, was Sie gehört
haben, selbst ausmalen.

O. Ihre Gefühle! blitzte mein kleiner Sprühtenfel dnrch ihre Thränen
hindurch, was Ihnen in den Augen funkelt, ist Stolz, nichts andres! Und
Gre


nzboten I 1889 ^
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[0481] Harte Aöxfe Aline Perdetti. Sie schrie fast auf: Ich habe es geahnt! O Aline, meine arme kleine Freundin, mein Kind, das ich abends in der Pension aus den Schoß nahm, um ihm Märchen zu erzählen! Wie waren wir glücklich! Jetzt weiß ich, warum -sie spurlos aus dem Gesichtskreis aller Freundinnen verschwand. Und so zu scheitern! O sie kluger, kluger Doktor, Sie habe» nie gemerkt, daß das arme Mädchen Sie nur deshalb'nicht zu Worte kommen ließ, weil sie ganz sicher wußte, daß sie Ihnen nicht fünf Minuten widerstehen würde, wenn Sie erst mit ihr allein wären? Mag teilweise so sein, antwortete er, das ändert aber nichts an der Sach¬ lage und an der — Anstcmdsdame. Jawohl, an der hängen Sie nun; v. ich glaube, Sie sind viel mehr ge¬ liebt worden, als Sie es verdienen. Ich weiß vorläufig nur, daß ich viel mehr an die Luft gesetzt worden bin, als ich es verdiente. Doch wir wollen keinen Streit wegen der Ver¬ gangenheit anfangen. Sie ist einmal gegeben, und ich habe mit ihr abge¬ schlossen. Jetzt handelt es sich um etwas andres. Das Duell wird nicht ganz ohne Aussehen vorübergegangen sein, es gelangt vermutlich in die Zeitungen, aus alle Fälle wird es unmöglich sein, der Frau die Kenntnis davon vorzuenthalten, daß ich derjenige bin, der ihren Mann verwundet hat. Sie muß denken, es handle sich dabei um einen feindseligen Akt von meiner Seite. Daß mir das nicht eingefallen ist, daß ich nichts von ihrem Namen wußte, und daß das Duell mir trotz meines Widerstrebens aufgezwungen wurde, das kann sie kaum ahnen, und wenn ich es selbst ihr sagte, so würde sie es wahrscheinlich nicht einmal glauben. Es ist auch zu vermuten, daß sie muh wieder nicht dazu kommen lassen würde, es ihr zu sagen. Es muß ihr aber gesagt werden, und das kann nur eine Frau thun. Sind Sie, gnädige Fran. eine Freundin von ihr, um so besser; Sie allein können jetzt der Unglücklichen glaubhaft auseinandersetzen, wie sich die Sache zugetragen hat, und können weitere mögliche Folgen verhindern. Wollen Sie ihr schreiben, oder besser, wollen Sie Hinreisen und ihr mündlich das Nötige mitteilen? Ich will, sagte sie unter Thränen; das ist wenigstens nett von Ihnen, daß Sie das fühlen! Weshalb lächeln Sie jetzt so eigentümlich? Ja, sagte er, da ich mich nicht ganz habe zurückhalten können, muß ich es Ihnen wohl erklären, auf die Gefahr hin, als ein Bär zu erscheinen. Wenn man die Gefühle der Damen schont, sind Sie sofort bereit, das als wenigstens nett zu acceptiren; wenn wir aber einmal einen ähnlichen Anspruch erheben wollten, dann — den Schluß können Sie sich nach dem, was Sie gehört haben, selbst ausmalen. O. Ihre Gefühle! blitzte mein kleiner Sprühtenfel dnrch ihre Thränen hindurch, was Ihnen in den Augen funkelt, ist Stolz, nichts andres! Und Gre nzboten I 1889 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/481>, abgerufen am 29.06.2024.