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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Stimmungen

aufklärungsfeindlicher Mitarbeiter des Blattes, v, Goßler, hebt, indem er ganz
gegen die Gewohnheit der deutschen Aufklärungspolitiker vor allem die Macht
des Staates nach außen ins Auge faßt, aufs nachdrücklichste hervor, daß der
Preußische Staat eine wahre Monarchie, daß in dem Oberhaupt alle Macht
vereinigt und jede gemischte Regierungsform ausgeschlossen fein müsst. Also
ganz das Gegenteil dessen, worin die französische Nationalversammlung und
die Mehrzahl ihrer deutschen Verehrer das Heil suchten!

Was aber um diese Zeit die Geister in Preußen vor allem in Erregung
setzte, das war der Kampf um die Freiheit auf dem Gebiete des religiösen
und philosophischen Denkens. Es galt den Widerstand gegen die Anstrengungen
Friedrich Wilhelms II. und seiner nächsten Vertrauten, eines Bischofswerder
und Wöllner, dnrch neue Inkraftsetzung der kirchlichen Symbole und andre
Maßregeln der Lehrfreiheit Schranken zu setzen und den positiven Kirchen¬
glauben wiederherzustellen. So heftig nun der Widerstand gegen diese An¬
strengungen war, so wurde er doch sast ohne tumultuarische Erscheinungen
geleistet; höchste Behörden -- Minister, Kammergerichts- oder Oberkonsiftvrial-
rnte -- konnten in einzelnen Füllen, ohne aus ihrer Rolle als königliche Diener
herauszufallen, bis zu einem 'gewissen Pnnkte an der Opposition teilnehmen
und die Durchführung des von oben herab beabsichtigten erschweren. Natürlich
aber mußte doch auch dieser Kampf gegen einen ausgesprochenen aufklärungs¬
feindlichen Königswillen, bei aller Verschiedenheit der Beschaffenheit und der
Erscheinungsart, dazu beitragen, in Preußen die Teilnahme an der französischen
Volkserhebung gegen das Königtum zu verstärken; und wenn sich dann unter
dem Eindruck dieser französischen Erhebung auch die Hitze jener preußischen
Opposition steigerte, so wird man das nicht minder begreiflich finden. Zwar
das oft angeführte Wort des Ritter von Zimmermann ans dieser Zeit, es
gebe in Berlin Eiferer, die wohl Lust hätten, gewissen Leuten die Köpfe
abzudanken, um sie vor der Thür ihrer Aufklärungssynagoge aufzupflanzen, ist
die Ausgeburt eines krankhaft überreizten Gehirns und verdient keine übergroße
Beachtung; die Berliner Weisheitsmonopolistcn werden aber, neben den Refor¬
matoren mit Feuer und Schwert, auch von dem durchaus nicht freiheitsfeind¬
licher Körner, in einem Briefe an Schiller, als Leute genannt, die ihm schlecht
behagten und gegen die er manches auf dem Herze" habe.

Sah mau sich in dem außerpreußifchen Norddeutschland um, so stach als
dle Wohn- und Wirkungsstätte derjenigen, die Körner bei dem Ausdruck
Reformatoren mit Feuer und Schwert im Sinne hatte, hauptsächlich Braun-
Ichweig ins Ange. Campe -- den meisten von uns nnr um seines Robinson
und andrer Jugendschriften willen in werter Erinnerung -- hatte sich im Sommer
1789 mit dem jungen Wilhelm von Humboldt nach Paris begeben, um
dort einige Wochen in >r neugebornen französischen Freiheit zu schwelgen
und mit einem dichten Rausche nach Vraunschweig heimzukehren; hier machten


Deutsche Stimmungen

aufklärungsfeindlicher Mitarbeiter des Blattes, v, Goßler, hebt, indem er ganz
gegen die Gewohnheit der deutschen Aufklärungspolitiker vor allem die Macht
des Staates nach außen ins Auge faßt, aufs nachdrücklichste hervor, daß der
Preußische Staat eine wahre Monarchie, daß in dem Oberhaupt alle Macht
vereinigt und jede gemischte Regierungsform ausgeschlossen fein müsst. Also
ganz das Gegenteil dessen, worin die französische Nationalversammlung und
die Mehrzahl ihrer deutschen Verehrer das Heil suchten!

Was aber um diese Zeit die Geister in Preußen vor allem in Erregung
setzte, das war der Kampf um die Freiheit auf dem Gebiete des religiösen
und philosophischen Denkens. Es galt den Widerstand gegen die Anstrengungen
Friedrich Wilhelms II. und seiner nächsten Vertrauten, eines Bischofswerder
und Wöllner, dnrch neue Inkraftsetzung der kirchlichen Symbole und andre
Maßregeln der Lehrfreiheit Schranken zu setzen und den positiven Kirchen¬
glauben wiederherzustellen. So heftig nun der Widerstand gegen diese An¬
strengungen war, so wurde er doch sast ohne tumultuarische Erscheinungen
geleistet; höchste Behörden — Minister, Kammergerichts- oder Oberkonsiftvrial-
rnte — konnten in einzelnen Füllen, ohne aus ihrer Rolle als königliche Diener
herauszufallen, bis zu einem 'gewissen Pnnkte an der Opposition teilnehmen
und die Durchführung des von oben herab beabsichtigten erschweren. Natürlich
aber mußte doch auch dieser Kampf gegen einen ausgesprochenen aufklärungs¬
feindlichen Königswillen, bei aller Verschiedenheit der Beschaffenheit und der
Erscheinungsart, dazu beitragen, in Preußen die Teilnahme an der französischen
Volkserhebung gegen das Königtum zu verstärken; und wenn sich dann unter
dem Eindruck dieser französischen Erhebung auch die Hitze jener preußischen
Opposition steigerte, so wird man das nicht minder begreiflich finden. Zwar
das oft angeführte Wort des Ritter von Zimmermann ans dieser Zeit, es
gebe in Berlin Eiferer, die wohl Lust hätten, gewissen Leuten die Köpfe
abzudanken, um sie vor der Thür ihrer Aufklärungssynagoge aufzupflanzen, ist
die Ausgeburt eines krankhaft überreizten Gehirns und verdient keine übergroße
Beachtung; die Berliner Weisheitsmonopolistcn werden aber, neben den Refor¬
matoren mit Feuer und Schwert, auch von dem durchaus nicht freiheitsfeind¬
licher Körner, in einem Briefe an Schiller, als Leute genannt, die ihm schlecht
behagten und gegen die er manches auf dem Herze» habe.

Sah mau sich in dem außerpreußifchen Norddeutschland um, so stach als
dle Wohn- und Wirkungsstätte derjenigen, die Körner bei dem Ausdruck
Reformatoren mit Feuer und Schwert im Sinne hatte, hauptsächlich Braun-
Ichweig ins Ange. Campe — den meisten von uns nnr um seines Robinson
und andrer Jugendschriften willen in werter Erinnerung — hatte sich im Sommer
1789 mit dem jungen Wilhelm von Humboldt nach Paris begeben, um
dort einige Wochen in >r neugebornen französischen Freiheit zu schwelgen
und mit einem dichten Rausche nach Vraunschweig heimzukehren; hier machten


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[0463] Deutsche Stimmungen aufklärungsfeindlicher Mitarbeiter des Blattes, v, Goßler, hebt, indem er ganz gegen die Gewohnheit der deutschen Aufklärungspolitiker vor allem die Macht des Staates nach außen ins Auge faßt, aufs nachdrücklichste hervor, daß der Preußische Staat eine wahre Monarchie, daß in dem Oberhaupt alle Macht vereinigt und jede gemischte Regierungsform ausgeschlossen fein müsst. Also ganz das Gegenteil dessen, worin die französische Nationalversammlung und die Mehrzahl ihrer deutschen Verehrer das Heil suchten! Was aber um diese Zeit die Geister in Preußen vor allem in Erregung setzte, das war der Kampf um die Freiheit auf dem Gebiete des religiösen und philosophischen Denkens. Es galt den Widerstand gegen die Anstrengungen Friedrich Wilhelms II. und seiner nächsten Vertrauten, eines Bischofswerder und Wöllner, dnrch neue Inkraftsetzung der kirchlichen Symbole und andre Maßregeln der Lehrfreiheit Schranken zu setzen und den positiven Kirchen¬ glauben wiederherzustellen. So heftig nun der Widerstand gegen diese An¬ strengungen war, so wurde er doch sast ohne tumultuarische Erscheinungen geleistet; höchste Behörden — Minister, Kammergerichts- oder Oberkonsiftvrial- rnte — konnten in einzelnen Füllen, ohne aus ihrer Rolle als königliche Diener herauszufallen, bis zu einem 'gewissen Pnnkte an der Opposition teilnehmen und die Durchführung des von oben herab beabsichtigten erschweren. Natürlich aber mußte doch auch dieser Kampf gegen einen ausgesprochenen aufklärungs¬ feindlichen Königswillen, bei aller Verschiedenheit der Beschaffenheit und der Erscheinungsart, dazu beitragen, in Preußen die Teilnahme an der französischen Volkserhebung gegen das Königtum zu verstärken; und wenn sich dann unter dem Eindruck dieser französischen Erhebung auch die Hitze jener preußischen Opposition steigerte, so wird man das nicht minder begreiflich finden. Zwar das oft angeführte Wort des Ritter von Zimmermann ans dieser Zeit, es gebe in Berlin Eiferer, die wohl Lust hätten, gewissen Leuten die Köpfe abzudanken, um sie vor der Thür ihrer Aufklärungssynagoge aufzupflanzen, ist die Ausgeburt eines krankhaft überreizten Gehirns und verdient keine übergroße Beachtung; die Berliner Weisheitsmonopolistcn werden aber, neben den Refor¬ matoren mit Feuer und Schwert, auch von dem durchaus nicht freiheitsfeind¬ licher Körner, in einem Briefe an Schiller, als Leute genannt, die ihm schlecht behagten und gegen die er manches auf dem Herze» habe. Sah mau sich in dem außerpreußifchen Norddeutschland um, so stach als dle Wohn- und Wirkungsstätte derjenigen, die Körner bei dem Ausdruck Reformatoren mit Feuer und Schwert im Sinne hatte, hauptsächlich Braun- Ichweig ins Ange. Campe — den meisten von uns nnr um seines Robinson und andrer Jugendschriften willen in werter Erinnerung — hatte sich im Sommer 1789 mit dem jungen Wilhelm von Humboldt nach Paris begeben, um dort einige Wochen in >r neugebornen französischen Freiheit zu schwelgen und mit einem dichten Rausche nach Vraunschweig heimzukehren; hier machten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/463>, abgerufen am 29.06.2024.