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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Harte Aöpfe

stellen, wenn Herr Darrenbach mir einen genügenden Grund für sein Auftreten
angeben will.

Und ich, sagte der ältere von Darrenbachs Sekundanten, ich weigre
mich, dem Herrn noch ferner zu assistiren; die Unregelmäßigkeit eines Kugel-
Wechsels, bei dem ein Teil nicht weiß, weshalb er sich schlägt, ist groß genug,
für ein zweitesmal mag Herr Darrenbach sich andre Zeugen suchen.

Der Verwundete knirschte. Elender Heuchler, rief er aus, da nimm,
damit die Vergeltung dich endlich treffe! -- -- er griff mit der gesunden Hand
in seine Brusttasche und zog einen halb zerknitterten Brief hervor, den er ins
Leere hinaushielt. Venarius bückte sich, nahm das Papier, glättete es ein
wenig und warf einen Blick darauf; ein leichtes Rot färbte sein Gesicht. Also
das, sagte er; in welcher Beziehung stehen Sie zu Aline Perdetti?

Ich bin ihr Mann.

Venarius zuckte die Achseln: Sie haben wohl geglaubt, daß ich das wüßte?
Und für wie alt halten Sie den Brief?

Er hat kein Datum, wie alle seinesgleichen, sprach Darrenbach mit thea¬
tralischen Hohn; ich habe ihn vor vier Tagen im Nähkörbchen meiner Frau
gefunden, genügt Ihnen das?

Ich bitte den Herrn Unparteiischen und die Sekundanten meines Gegners,
heranzutreten, sagte Venarius. Er hielt den Brief in die Höhe, so daß das
Tageslicht hindurchschien, und fuhr fort: Herr Hauptmann, wollen Sie die
Güte haben, das Wasserzeichen, das Sie da sehen, laut vorzulesen?

Der Hauptmann las: Wiener Ausstellung 1873, Journalistenpavillon.

Und nun sehen Sie, meine Herren; dies Papier hat nur einmal in der
Welt existirt, es war nämlich dasjenige, welches die Ausstellnngsbehörden von
den bei der Ausstellung beschäftigten Journalisten lieferten. Es war
ballenweise bestellt, und der Fabrikant hat die Höflichkeit gehabt, uus ein eignes
Wasserzeichen anzulegen. Ich habe damals über deu medicinisch-chirurgischen
Teil Berichte für ein Fachblatt geschrieben und während einer Pause habe ich
vom Pavillon aus diesen Brief an die jetzige Frau des Herrn Darrenbach
gerüstet. Damals hatte ich das Recht, ihr derartige Briefe zu schreiben, und
Herr Darrenbach besaß, wie ich bestimmt weiß, kein Anrecht an die Dame.
^>cum dies der Grund ist, den Herr Darrenbach anzugeben hat, so kann ich
arin nur einen Beweis dafür sehen, daß wir doch besser gethan hätten, ihn
^"sperren zu lassen. Es ist eine ganz unglaubliche Eifersuchtspinselei. Herr
arrenbach hat es vermutlich auch für besonders romantisch gehalten, die ihm
angeblich angethane Unehre nicht in die Öffentlichkeit kommen zu lassen. Bitte,
geben Sie dem Herrn seinen Brief zurück, ich glaube kaum, daß er jetzt noch
nach einen: Kugelwechsel verlangen wird. Damit wandte er sich und ging
b^on, ohne sich umzublicken.

Was die Physische Wunde nicht vermocht hatte, das that die moralische


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Harte Aöpfe

stellen, wenn Herr Darrenbach mir einen genügenden Grund für sein Auftreten
angeben will.

Und ich, sagte der ältere von Darrenbachs Sekundanten, ich weigre
mich, dem Herrn noch ferner zu assistiren; die Unregelmäßigkeit eines Kugel-
Wechsels, bei dem ein Teil nicht weiß, weshalb er sich schlägt, ist groß genug,
für ein zweitesmal mag Herr Darrenbach sich andre Zeugen suchen.

Der Verwundete knirschte. Elender Heuchler, rief er aus, da nimm,
damit die Vergeltung dich endlich treffe! — — er griff mit der gesunden Hand
in seine Brusttasche und zog einen halb zerknitterten Brief hervor, den er ins
Leere hinaushielt. Venarius bückte sich, nahm das Papier, glättete es ein
wenig und warf einen Blick darauf; ein leichtes Rot färbte sein Gesicht. Also
das, sagte er; in welcher Beziehung stehen Sie zu Aline Perdetti?

Ich bin ihr Mann.

Venarius zuckte die Achseln: Sie haben wohl geglaubt, daß ich das wüßte?
Und für wie alt halten Sie den Brief?

Er hat kein Datum, wie alle seinesgleichen, sprach Darrenbach mit thea¬
tralischen Hohn; ich habe ihn vor vier Tagen im Nähkörbchen meiner Frau
gefunden, genügt Ihnen das?

Ich bitte den Herrn Unparteiischen und die Sekundanten meines Gegners,
heranzutreten, sagte Venarius. Er hielt den Brief in die Höhe, so daß das
Tageslicht hindurchschien, und fuhr fort: Herr Hauptmann, wollen Sie die
Güte haben, das Wasserzeichen, das Sie da sehen, laut vorzulesen?

Der Hauptmann las: Wiener Ausstellung 1873, Journalistenpavillon.

Und nun sehen Sie, meine Herren; dies Papier hat nur einmal in der
Welt existirt, es war nämlich dasjenige, welches die Ausstellnngsbehörden von
den bei der Ausstellung beschäftigten Journalisten lieferten. Es war
ballenweise bestellt, und der Fabrikant hat die Höflichkeit gehabt, uus ein eignes
Wasserzeichen anzulegen. Ich habe damals über deu medicinisch-chirurgischen
Teil Berichte für ein Fachblatt geschrieben und während einer Pause habe ich
vom Pavillon aus diesen Brief an die jetzige Frau des Herrn Darrenbach
gerüstet. Damals hatte ich das Recht, ihr derartige Briefe zu schreiben, und
Herr Darrenbach besaß, wie ich bestimmt weiß, kein Anrecht an die Dame.
^>cum dies der Grund ist, den Herr Darrenbach anzugeben hat, so kann ich
arin nur einen Beweis dafür sehen, daß wir doch besser gethan hätten, ihn
^«sperren zu lassen. Es ist eine ganz unglaubliche Eifersuchtspinselei. Herr
arrenbach hat es vermutlich auch für besonders romantisch gehalten, die ihm
angeblich angethane Unehre nicht in die Öffentlichkeit kommen zu lassen. Bitte,
geben Sie dem Herrn seinen Brief zurück, ich glaube kaum, daß er jetzt noch
nach einen: Kugelwechsel verlangen wird. Damit wandte er sich und ging
b^on, ohne sich umzublicken.

Was die Physische Wunde nicht vermocht hatte, das that die moralische


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[0441] Harte Aöpfe stellen, wenn Herr Darrenbach mir einen genügenden Grund für sein Auftreten angeben will. Und ich, sagte der ältere von Darrenbachs Sekundanten, ich weigre mich, dem Herrn noch ferner zu assistiren; die Unregelmäßigkeit eines Kugel- Wechsels, bei dem ein Teil nicht weiß, weshalb er sich schlägt, ist groß genug, für ein zweitesmal mag Herr Darrenbach sich andre Zeugen suchen. Der Verwundete knirschte. Elender Heuchler, rief er aus, da nimm, damit die Vergeltung dich endlich treffe! — — er griff mit der gesunden Hand in seine Brusttasche und zog einen halb zerknitterten Brief hervor, den er ins Leere hinaushielt. Venarius bückte sich, nahm das Papier, glättete es ein wenig und warf einen Blick darauf; ein leichtes Rot färbte sein Gesicht. Also das, sagte er; in welcher Beziehung stehen Sie zu Aline Perdetti? Ich bin ihr Mann. Venarius zuckte die Achseln: Sie haben wohl geglaubt, daß ich das wüßte? Und für wie alt halten Sie den Brief? Er hat kein Datum, wie alle seinesgleichen, sprach Darrenbach mit thea¬ tralischen Hohn; ich habe ihn vor vier Tagen im Nähkörbchen meiner Frau gefunden, genügt Ihnen das? Ich bitte den Herrn Unparteiischen und die Sekundanten meines Gegners, heranzutreten, sagte Venarius. Er hielt den Brief in die Höhe, so daß das Tageslicht hindurchschien, und fuhr fort: Herr Hauptmann, wollen Sie die Güte haben, das Wasserzeichen, das Sie da sehen, laut vorzulesen? Der Hauptmann las: Wiener Ausstellung 1873, Journalistenpavillon. Und nun sehen Sie, meine Herren; dies Papier hat nur einmal in der Welt existirt, es war nämlich dasjenige, welches die Ausstellnngsbehörden von den bei der Ausstellung beschäftigten Journalisten lieferten. Es war ballenweise bestellt, und der Fabrikant hat die Höflichkeit gehabt, uus ein eignes Wasserzeichen anzulegen. Ich habe damals über deu medicinisch-chirurgischen Teil Berichte für ein Fachblatt geschrieben und während einer Pause habe ich vom Pavillon aus diesen Brief an die jetzige Frau des Herrn Darrenbach gerüstet. Damals hatte ich das Recht, ihr derartige Briefe zu schreiben, und Herr Darrenbach besaß, wie ich bestimmt weiß, kein Anrecht an die Dame. ^>cum dies der Grund ist, den Herr Darrenbach anzugeben hat, so kann ich arin nur einen Beweis dafür sehen, daß wir doch besser gethan hätten, ihn ^«sperren zu lassen. Es ist eine ganz unglaubliche Eifersuchtspinselei. Herr arrenbach hat es vermutlich auch für besonders romantisch gehalten, die ihm angeblich angethane Unehre nicht in die Öffentlichkeit kommen zu lassen. Bitte, geben Sie dem Herrn seinen Brief zurück, ich glaube kaum, daß er jetzt noch nach einen: Kugelwechsel verlangen wird. Damit wandte er sich und ging b^on, ohne sich umzublicken. Was die Physische Wunde nicht vermocht hatte, das that die moralische ^cuzlwtnl I IW9 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/441>, abgerufen am 29.06.2024.