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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Verzweifelnd warf sich C. Antonius nach Apollonia, wo ihn Brutus
belagerte. Brutus beherrschte nunmehr Illyrien, Mazedonien, Griechenland
und alle Hilfsquellen dieser Länder. Doch erschien es ihm wünschenswert,
seine ganz rechtlose Herrschaft zu legitimiren, damit ihm der Senat nicht etwa
einen unbequemen Nebenbuhler auf den Hals schicke. Deshalb berichtete er
nach Rom und bat um Bestätigung seines Besitzes. Die Antoninner im Senate
bekämpften die darauf zielenden Anträge, aber Cicero brachte es dnrch seine
glänzende Beredsamkeit dahin, daß dem Brutus eine Schutzherrschaft über die
genannten Länder mit einem prokousularischeu Imperium über die dortigen
Legionen verliehen wurde, nebst der Vollmacht, Getreide und Geld nach Bedarf
zu requiriren. Außerdem sollte er sich bereit halten, nötigenfalls in den
mutinensischen Krieg einzugreifen. Brutus nahm diese ausgedehnten Voll¬
machten mit Freuden in Empfang; wie wenig er aber daran dachte, dem
Senat sich unterzuordnen, geht u. a. daraus hervor, daß er, ein Majestäts¬
verbrechen gegen die römische Republik, auf seine Münzen sein Bild prägen
ließ und auf die Rückseite eiuen Hut, das Symbol der Freiheit, mit zwei
gekreuzten Dolchen. Noch vor Mitte März zwang Brutus den C. Antonius
zur Kapitulation und nahm ihn gefangen. Jetzt war für Brutus die Mög¬
lichkeit gegeben, mit seinem Heere nach Italien überzusetzen, bei der Vernichtung
der Antoninner vor Mutina mitzuwirken und zugleich den etwas unbequemen
Parteigänger Ciceros und des Senates, den jungen Cäsar Octavinnns, zu ent¬
waffnen. Aber seinen Sinn erfüllten im Hinblicke auf das Pfand, das ihm
das Schicksal in der Person des C. Antonius gegen M. Antonius in die Hand
gegeben hulde, ganz andre Pläne. Er hatte wie für die griechische Beredsam¬
keit und Philosophie, so für das griechische Leben überhaupt eine stärkere
Vorliebe als die meisten seiner Zeit- und Standesgenossen. Während Cicero
sich in Griechenland durch die Wucht eines starken Heimwehs niedergedrückt
fühlte, muß sich Brutus uns demselben Boden ziemlich wohl gefühlt haben,
wenigstens but er auch später, so oft ihm auch dringende Aufforderungen nach
Italien riefen, keinen Versuch gemacht, in die Heimat zurückzukehren. scheute
er vielleicht den Boden, auf dem er Cäsars Blut vergossen hatte? Zahlreiche
Griechen funden sich nnter Brutus nächsten Vertrnuten. Liebte er es doch
schon im Sommer 44, während zu Rom die Antonier herrschten, unthätig nuf
feiner Villa bei Lnnnvium griechischen Trümmer nnchhängend "am Eurotas
zu sitzen." Der ruhige Besitz und die ungestörte Ausbeutung seiner Länder,
zu deuen er noch Asien hinzuzufügen gedachte, hätten ihm vermutlich als
Ziel seines Ehrgeizes und seiner Habsucht genügt. Nach dem Westen hat es
ihn nie gezogen. Er wollte nur vor einem Angriffe von Westen her sicher
sein. Die beste Bürgschnft dnfür glnubte Brutus in einem Vertrage mit
M. Antonius zu finden. Seinen Schwager Lepidus, der bereits mit Antonius
verbündet war, glaubte er ohnehin gewinnen zu können. Außerdem aber konnte


Verzweifelnd warf sich C. Antonius nach Apollonia, wo ihn Brutus
belagerte. Brutus beherrschte nunmehr Illyrien, Mazedonien, Griechenland
und alle Hilfsquellen dieser Länder. Doch erschien es ihm wünschenswert,
seine ganz rechtlose Herrschaft zu legitimiren, damit ihm der Senat nicht etwa
einen unbequemen Nebenbuhler auf den Hals schicke. Deshalb berichtete er
nach Rom und bat um Bestätigung seines Besitzes. Die Antoninner im Senate
bekämpften die darauf zielenden Anträge, aber Cicero brachte es dnrch seine
glänzende Beredsamkeit dahin, daß dem Brutus eine Schutzherrschaft über die
genannten Länder mit einem prokousularischeu Imperium über die dortigen
Legionen verliehen wurde, nebst der Vollmacht, Getreide und Geld nach Bedarf
zu requiriren. Außerdem sollte er sich bereit halten, nötigenfalls in den
mutinensischen Krieg einzugreifen. Brutus nahm diese ausgedehnten Voll¬
machten mit Freuden in Empfang; wie wenig er aber daran dachte, dem
Senat sich unterzuordnen, geht u. a. daraus hervor, daß er, ein Majestäts¬
verbrechen gegen die römische Republik, auf seine Münzen sein Bild prägen
ließ und auf die Rückseite eiuen Hut, das Symbol der Freiheit, mit zwei
gekreuzten Dolchen. Noch vor Mitte März zwang Brutus den C. Antonius
zur Kapitulation und nahm ihn gefangen. Jetzt war für Brutus die Mög¬
lichkeit gegeben, mit seinem Heere nach Italien überzusetzen, bei der Vernichtung
der Antoninner vor Mutina mitzuwirken und zugleich den etwas unbequemen
Parteigänger Ciceros und des Senates, den jungen Cäsar Octavinnns, zu ent¬
waffnen. Aber seinen Sinn erfüllten im Hinblicke auf das Pfand, das ihm
das Schicksal in der Person des C. Antonius gegen M. Antonius in die Hand
gegeben hulde, ganz andre Pläne. Er hatte wie für die griechische Beredsam¬
keit und Philosophie, so für das griechische Leben überhaupt eine stärkere
Vorliebe als die meisten seiner Zeit- und Standesgenossen. Während Cicero
sich in Griechenland durch die Wucht eines starken Heimwehs niedergedrückt
fühlte, muß sich Brutus uns demselben Boden ziemlich wohl gefühlt haben,
wenigstens but er auch später, so oft ihm auch dringende Aufforderungen nach
Italien riefen, keinen Versuch gemacht, in die Heimat zurückzukehren. scheute
er vielleicht den Boden, auf dem er Cäsars Blut vergossen hatte? Zahlreiche
Griechen funden sich nnter Brutus nächsten Vertrnuten. Liebte er es doch
schon im Sommer 44, während zu Rom die Antonier herrschten, unthätig nuf
feiner Villa bei Lnnnvium griechischen Trümmer nnchhängend „am Eurotas
zu sitzen." Der ruhige Besitz und die ungestörte Ausbeutung seiner Länder,
zu deuen er noch Asien hinzuzufügen gedachte, hätten ihm vermutlich als
Ziel seines Ehrgeizes und seiner Habsucht genügt. Nach dem Westen hat es
ihn nie gezogen. Er wollte nur vor einem Angriffe von Westen her sicher
sein. Die beste Bürgschnft dnfür glnubte Brutus in einem Vertrage mit
M. Antonius zu finden. Seinen Schwager Lepidus, der bereits mit Antonius
verbündet war, glaubte er ohnehin gewinnen zu können. Außerdem aber konnte


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[0418] Verzweifelnd warf sich C. Antonius nach Apollonia, wo ihn Brutus belagerte. Brutus beherrschte nunmehr Illyrien, Mazedonien, Griechenland und alle Hilfsquellen dieser Länder. Doch erschien es ihm wünschenswert, seine ganz rechtlose Herrschaft zu legitimiren, damit ihm der Senat nicht etwa einen unbequemen Nebenbuhler auf den Hals schicke. Deshalb berichtete er nach Rom und bat um Bestätigung seines Besitzes. Die Antoninner im Senate bekämpften die darauf zielenden Anträge, aber Cicero brachte es dnrch seine glänzende Beredsamkeit dahin, daß dem Brutus eine Schutzherrschaft über die genannten Länder mit einem prokousularischeu Imperium über die dortigen Legionen verliehen wurde, nebst der Vollmacht, Getreide und Geld nach Bedarf zu requiriren. Außerdem sollte er sich bereit halten, nötigenfalls in den mutinensischen Krieg einzugreifen. Brutus nahm diese ausgedehnten Voll¬ machten mit Freuden in Empfang; wie wenig er aber daran dachte, dem Senat sich unterzuordnen, geht u. a. daraus hervor, daß er, ein Majestäts¬ verbrechen gegen die römische Republik, auf seine Münzen sein Bild prägen ließ und auf die Rückseite eiuen Hut, das Symbol der Freiheit, mit zwei gekreuzten Dolchen. Noch vor Mitte März zwang Brutus den C. Antonius zur Kapitulation und nahm ihn gefangen. Jetzt war für Brutus die Mög¬ lichkeit gegeben, mit seinem Heere nach Italien überzusetzen, bei der Vernichtung der Antoninner vor Mutina mitzuwirken und zugleich den etwas unbequemen Parteigänger Ciceros und des Senates, den jungen Cäsar Octavinnns, zu ent¬ waffnen. Aber seinen Sinn erfüllten im Hinblicke auf das Pfand, das ihm das Schicksal in der Person des C. Antonius gegen M. Antonius in die Hand gegeben hulde, ganz andre Pläne. Er hatte wie für die griechische Beredsam¬ keit und Philosophie, so für das griechische Leben überhaupt eine stärkere Vorliebe als die meisten seiner Zeit- und Standesgenossen. Während Cicero sich in Griechenland durch die Wucht eines starken Heimwehs niedergedrückt fühlte, muß sich Brutus uns demselben Boden ziemlich wohl gefühlt haben, wenigstens but er auch später, so oft ihm auch dringende Aufforderungen nach Italien riefen, keinen Versuch gemacht, in die Heimat zurückzukehren. scheute er vielleicht den Boden, auf dem er Cäsars Blut vergossen hatte? Zahlreiche Griechen funden sich nnter Brutus nächsten Vertrnuten. Liebte er es doch schon im Sommer 44, während zu Rom die Antonier herrschten, unthätig nuf feiner Villa bei Lnnnvium griechischen Trümmer nnchhängend „am Eurotas zu sitzen." Der ruhige Besitz und die ungestörte Ausbeutung seiner Länder, zu deuen er noch Asien hinzuzufügen gedachte, hätten ihm vermutlich als Ziel seines Ehrgeizes und seiner Habsucht genügt. Nach dem Westen hat es ihn nie gezogen. Er wollte nur vor einem Angriffe von Westen her sicher sein. Die beste Bürgschnft dnfür glnubte Brutus in einem Vertrage mit M. Antonius zu finden. Seinen Schwager Lepidus, der bereits mit Antonius verbündet war, glaubte er ohnehin gewinnen zu können. Außerdem aber konnte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/418>, abgerufen am 29.06.2024.