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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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stolzen Wortes 0lois Uomiwus sum bei Gelegenheit jenes Don Pacifico aus
Gibraltar, für den Palmerston der griechischen Negierung 750 000 Franks ab¬
pressen wollte, und um den er England in die Gescchr eines Krieges mit
Frankreich brachte, während die Forderung schließlich nur in der Höhe von
3750 Franks begründet erkannt wurde? 20 000 Prozent! Im Vergleich damit
war Herr Jecker, der ebenso verdienterweise in die Weltgeschichte gekommen ist,
noch bescheiden, da er nnr das zehnfache von den sieben Millionen verlangte,
die er der mexikanischen Negierung vorgestreckt hatte. Allerdings war das
mexikanische Abenteuer einer von den Fehlern, welche den Sturz Louis Napoleons
vorbereiteten, die Blamage bei dem griechischen Handel steckte Palmerston nicht
nur gelassen ein, sondern erzielte sogar noch einen "oratorischen Triumph"!

Und dieser von Geffcken mit Recht "schmählich" genannte Handel kann
als typisch angesehen werden für die Politik Palmerstons. Wie wir hin- und
widerblättern, immer treffen wir auf Kurzsichtigkeit, Befangenheit, Leichtfertig¬
keit, Dreistigkeit, mit großen Worten oder kecken: Leugnen beschönigten Rückzug,
und als Endergebnis bleibt die Herabdrückung des englischen Ansehens. Wodurch
Nußland ihn bezaubert haben mochte, darüber hat man sich stets den Kopf
zerbrochen. Nachdem Nußland seit Peter dem Großen ein halbes Dutzend
Eroberungskriege gegen die Türkei geführt und die Griechen stets aufgewiegelt,
aber im Stiche gelassen hatte, vertraute Palmerston 1828 auf die Uneigen-
nützigkeit eben derselben russischen Politik, glaubte, daß diesmal keine Erobe-
rungen beabsichtigt feien, und fand am Ende das Stück Grusien, das im Frieden
von Adrianopel der Pforte abgenommen wurde, uicht der Rede wert. Er
ließ es zu, daß der neugeschaffene griechische Staat zur Ohnmacht verurteilt
und somit der Oberherrlichkeit Rußlands preisgegeben wurde, nachdem die
Griechen kaum die "russischen Präfekten" Cnpo d'Jftrias losgeworden waren.
Ebenso widersetzte er sich nach dein Krimkriege der Vereinigung der Moldau
und Walachei. ° Er versagte der Türkei Hilfe gegen Mehemed Ali und nötigte
ste dadurch, sich von Rußland retten zu lassen. Er räumte selbst den Sto߬
balken weg, den ein starkes Persien zwischen Rußland und England in Asien
hätte bilden können, und erschütterte dnrch den verunglückten Zug gegen
Afghanistan den Glauben an die Macht seines Landes. Er mußte erleben,
daß Narvaez 1848 den englischen Gesandten, der im Verdachte stand, einen
prvgressistischen Pulses in Madrid eingerührt zu haben und dann noch uuver-
langte Ratschläge seines Ministers zu überbringen hatte, zum sofortigen Ver¬
lassen des Landes aufforderte. Er billigte ohne Wissen und gegen den Willen
der Königin und seiner Ministerkollegen Louis Napoleons Staatsstreich und
schrak später nicht vor dem Plane zurück, eine englische Prinzessin dem Prinzen
Napoleon Bonaparte zur Frau zu geben. Er nahm endlich bis zur Verletzung
der Neutralität Partei für die Südstaaten der Union, und um die Blamage
seiner Politik im Jahre 1864 recht augenfällig zu machen, ließ er in befreundeten


stolzen Wortes 0lois Uomiwus sum bei Gelegenheit jenes Don Pacifico aus
Gibraltar, für den Palmerston der griechischen Negierung 750 000 Franks ab¬
pressen wollte, und um den er England in die Gescchr eines Krieges mit
Frankreich brachte, während die Forderung schließlich nur in der Höhe von
3750 Franks begründet erkannt wurde? 20 000 Prozent! Im Vergleich damit
war Herr Jecker, der ebenso verdienterweise in die Weltgeschichte gekommen ist,
noch bescheiden, da er nnr das zehnfache von den sieben Millionen verlangte,
die er der mexikanischen Negierung vorgestreckt hatte. Allerdings war das
mexikanische Abenteuer einer von den Fehlern, welche den Sturz Louis Napoleons
vorbereiteten, die Blamage bei dem griechischen Handel steckte Palmerston nicht
nur gelassen ein, sondern erzielte sogar noch einen „oratorischen Triumph"!

Und dieser von Geffcken mit Recht „schmählich" genannte Handel kann
als typisch angesehen werden für die Politik Palmerstons. Wie wir hin- und
widerblättern, immer treffen wir auf Kurzsichtigkeit, Befangenheit, Leichtfertig¬
keit, Dreistigkeit, mit großen Worten oder kecken: Leugnen beschönigten Rückzug,
und als Endergebnis bleibt die Herabdrückung des englischen Ansehens. Wodurch
Nußland ihn bezaubert haben mochte, darüber hat man sich stets den Kopf
zerbrochen. Nachdem Nußland seit Peter dem Großen ein halbes Dutzend
Eroberungskriege gegen die Türkei geführt und die Griechen stets aufgewiegelt,
aber im Stiche gelassen hatte, vertraute Palmerston 1828 auf die Uneigen-
nützigkeit eben derselben russischen Politik, glaubte, daß diesmal keine Erobe-
rungen beabsichtigt feien, und fand am Ende das Stück Grusien, das im Frieden
von Adrianopel der Pforte abgenommen wurde, uicht der Rede wert. Er
ließ es zu, daß der neugeschaffene griechische Staat zur Ohnmacht verurteilt
und somit der Oberherrlichkeit Rußlands preisgegeben wurde, nachdem die
Griechen kaum die „russischen Präfekten" Cnpo d'Jftrias losgeworden waren.
Ebenso widersetzte er sich nach dein Krimkriege der Vereinigung der Moldau
und Walachei. ° Er versagte der Türkei Hilfe gegen Mehemed Ali und nötigte
ste dadurch, sich von Rußland retten zu lassen. Er räumte selbst den Sto߬
balken weg, den ein starkes Persien zwischen Rußland und England in Asien
hätte bilden können, und erschütterte dnrch den verunglückten Zug gegen
Afghanistan den Glauben an die Macht seines Landes. Er mußte erleben,
daß Narvaez 1848 den englischen Gesandten, der im Verdachte stand, einen
prvgressistischen Pulses in Madrid eingerührt zu haben und dann noch uuver-
langte Ratschläge seines Ministers zu überbringen hatte, zum sofortigen Ver¬
lassen des Landes aufforderte. Er billigte ohne Wissen und gegen den Willen
der Königin und seiner Ministerkollegen Louis Napoleons Staatsstreich und
schrak später nicht vor dem Plane zurück, eine englische Prinzessin dem Prinzen
Napoleon Bonaparte zur Frau zu geben. Er nahm endlich bis zur Verletzung
der Neutralität Partei für die Südstaaten der Union, und um die Blamage
seiner Politik im Jahre 1864 recht augenfällig zu machen, ließ er in befreundeten


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[0413] stolzen Wortes 0lois Uomiwus sum bei Gelegenheit jenes Don Pacifico aus Gibraltar, für den Palmerston der griechischen Negierung 750 000 Franks ab¬ pressen wollte, und um den er England in die Gescchr eines Krieges mit Frankreich brachte, während die Forderung schließlich nur in der Höhe von 3750 Franks begründet erkannt wurde? 20 000 Prozent! Im Vergleich damit war Herr Jecker, der ebenso verdienterweise in die Weltgeschichte gekommen ist, noch bescheiden, da er nnr das zehnfache von den sieben Millionen verlangte, die er der mexikanischen Negierung vorgestreckt hatte. Allerdings war das mexikanische Abenteuer einer von den Fehlern, welche den Sturz Louis Napoleons vorbereiteten, die Blamage bei dem griechischen Handel steckte Palmerston nicht nur gelassen ein, sondern erzielte sogar noch einen „oratorischen Triumph"! Und dieser von Geffcken mit Recht „schmählich" genannte Handel kann als typisch angesehen werden für die Politik Palmerstons. Wie wir hin- und widerblättern, immer treffen wir auf Kurzsichtigkeit, Befangenheit, Leichtfertig¬ keit, Dreistigkeit, mit großen Worten oder kecken: Leugnen beschönigten Rückzug, und als Endergebnis bleibt die Herabdrückung des englischen Ansehens. Wodurch Nußland ihn bezaubert haben mochte, darüber hat man sich stets den Kopf zerbrochen. Nachdem Nußland seit Peter dem Großen ein halbes Dutzend Eroberungskriege gegen die Türkei geführt und die Griechen stets aufgewiegelt, aber im Stiche gelassen hatte, vertraute Palmerston 1828 auf die Uneigen- nützigkeit eben derselben russischen Politik, glaubte, daß diesmal keine Erobe- rungen beabsichtigt feien, und fand am Ende das Stück Grusien, das im Frieden von Adrianopel der Pforte abgenommen wurde, uicht der Rede wert. Er ließ es zu, daß der neugeschaffene griechische Staat zur Ohnmacht verurteilt und somit der Oberherrlichkeit Rußlands preisgegeben wurde, nachdem die Griechen kaum die „russischen Präfekten" Cnpo d'Jftrias losgeworden waren. Ebenso widersetzte er sich nach dein Krimkriege der Vereinigung der Moldau und Walachei. ° Er versagte der Türkei Hilfe gegen Mehemed Ali und nötigte ste dadurch, sich von Rußland retten zu lassen. Er räumte selbst den Sto߬ balken weg, den ein starkes Persien zwischen Rußland und England in Asien hätte bilden können, und erschütterte dnrch den verunglückten Zug gegen Afghanistan den Glauben an die Macht seines Landes. Er mußte erleben, daß Narvaez 1848 den englischen Gesandten, der im Verdachte stand, einen prvgressistischen Pulses in Madrid eingerührt zu haben und dann noch uuver- langte Ratschläge seines Ministers zu überbringen hatte, zum sofortigen Ver¬ lassen des Landes aufforderte. Er billigte ohne Wissen und gegen den Willen der Königin und seiner Ministerkollegen Louis Napoleons Staatsstreich und schrak später nicht vor dem Plane zurück, eine englische Prinzessin dem Prinzen Napoleon Bonaparte zur Frau zu geben. Er nahm endlich bis zur Verletzung der Neutralität Partei für die Südstaaten der Union, und um die Blamage seiner Politik im Jahre 1864 recht augenfällig zu machen, ließ er in befreundeten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/413>, abgerufen am 29.06.2024.