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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Lin populärer Minister

Armee des Zaren die Hand zu reichen. Diese ergreift, falls die Ausschiffung
der ganzen kleinasiatischen Armee bei länger dauernder Blockade gelungen ist, auf
der Linie Batna-Olth-Baschkoi formirt, eine kräftige Offensive in der Richtung
nach Erzerum-Siwas, um die in Armenien stehenden Türken in Schach zu
halten. Die gekanteten Russen aber treten den Marsch nach Konstantinopel an,
das sie, parallel mit der Nordküste Kleinasiens hinziehend und täglich etwa
dreißig Kilometer zurücklegend, binnen einundsechzig Tagen erreichen können.
Wird die Armee unterwegs geschlagen, so zieht sie sich nach Kaukasien zurück.

So der Verfasser der Schrift "Konstnntinopel, die dritte Hauptstadt
Rußlands?" bei dem man die Ausführung dieses Planes in seinen Einzeln¬
heiten nachlesen kann. Indes läßt sich eine andre Absicht Rußlands und ein
andres Verhalten Österreichs denken, und da jene Absicht für den Fall, daß
es zu einem Bündnisse zwischen Rußland und Frankreich käme, größre Wahr¬
scheinlichkeit haben dürfte, so wollen wir diese, die auf den Versuch hinausläuft,
über Wien zur Eroberung Konstantinopels zu gelangen, mit den Ereignissen,
die sie voraussichtlich zur Folge haben würde, in einem weitern Artikel be¬
sprechen. An die Stelle eines beschränkten Kriegs außerhalb Europas, zu dem
sich Österreich vielleicht als passiver Zuschauer verhalten könnte, würde ein
Weltkrieg treten, an dem unter Umständen auch das deutsche Reich sich zu
beteiligen verpflichtet wäre.




Gin populärer Minister

meer den Eigenschaften, auf die unsre Freisinnigen stolz sind, und
deren Mangel bei andern sie um meisten beklagen, steht bekanntlich
die Konsequenz obenan. Nach ihrer Lehre ist es eine arge
Schwäche, wenn ein Politiker sich in seineu Grundsätzen dadurch
irre machen läßt, daß diese den Thatsachen gegenüber nicht die
Probe bestehen; was einmal als Glaubensartikel verkündigt worden ist, bleibt
ein Glaubensartikel -- und mag alles darüber zu Grunde gehen! Hin und
wieder hat es wohl den Anschein, als änderten auch sie ihre Ansichten nach
den Umständen; aber das ist eben nur Schein, und bei genauerer Betrachtung
gewahrt man unter der täuschenden Oberfläche als Untergrund die wahre
eherne Konsequenz. Wir können das an einem bestimmten Beispiele darthun.
Gegenwärtig sind die Herren besonders zärtlich darum besorgt, daß Deutsch¬
land in den Ruf eiues wenig liebenswürdigen Gesellschafters geraten könnte.


Lin populärer Minister

Armee des Zaren die Hand zu reichen. Diese ergreift, falls die Ausschiffung
der ganzen kleinasiatischen Armee bei länger dauernder Blockade gelungen ist, auf
der Linie Batna-Olth-Baschkoi formirt, eine kräftige Offensive in der Richtung
nach Erzerum-Siwas, um die in Armenien stehenden Türken in Schach zu
halten. Die gekanteten Russen aber treten den Marsch nach Konstantinopel an,
das sie, parallel mit der Nordküste Kleinasiens hinziehend und täglich etwa
dreißig Kilometer zurücklegend, binnen einundsechzig Tagen erreichen können.
Wird die Armee unterwegs geschlagen, so zieht sie sich nach Kaukasien zurück.

So der Verfasser der Schrift „Konstnntinopel, die dritte Hauptstadt
Rußlands?" bei dem man die Ausführung dieses Planes in seinen Einzeln¬
heiten nachlesen kann. Indes läßt sich eine andre Absicht Rußlands und ein
andres Verhalten Österreichs denken, und da jene Absicht für den Fall, daß
es zu einem Bündnisse zwischen Rußland und Frankreich käme, größre Wahr¬
scheinlichkeit haben dürfte, so wollen wir diese, die auf den Versuch hinausläuft,
über Wien zur Eroberung Konstantinopels zu gelangen, mit den Ereignissen,
die sie voraussichtlich zur Folge haben würde, in einem weitern Artikel be¬
sprechen. An die Stelle eines beschränkten Kriegs außerhalb Europas, zu dem
sich Österreich vielleicht als passiver Zuschauer verhalten könnte, würde ein
Weltkrieg treten, an dem unter Umständen auch das deutsche Reich sich zu
beteiligen verpflichtet wäre.




Gin populärer Minister

meer den Eigenschaften, auf die unsre Freisinnigen stolz sind, und
deren Mangel bei andern sie um meisten beklagen, steht bekanntlich
die Konsequenz obenan. Nach ihrer Lehre ist es eine arge
Schwäche, wenn ein Politiker sich in seineu Grundsätzen dadurch
irre machen läßt, daß diese den Thatsachen gegenüber nicht die
Probe bestehen; was einmal als Glaubensartikel verkündigt worden ist, bleibt
ein Glaubensartikel — und mag alles darüber zu Grunde gehen! Hin und
wieder hat es wohl den Anschein, als änderten auch sie ihre Ansichten nach
den Umständen; aber das ist eben nur Schein, und bei genauerer Betrachtung
gewahrt man unter der täuschenden Oberfläche als Untergrund die wahre
eherne Konsequenz. Wir können das an einem bestimmten Beispiele darthun.
Gegenwärtig sind die Herren besonders zärtlich darum besorgt, daß Deutsch¬
land in den Ruf eiues wenig liebenswürdigen Gesellschafters geraten könnte.


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[0408] Lin populärer Minister Armee des Zaren die Hand zu reichen. Diese ergreift, falls die Ausschiffung der ganzen kleinasiatischen Armee bei länger dauernder Blockade gelungen ist, auf der Linie Batna-Olth-Baschkoi formirt, eine kräftige Offensive in der Richtung nach Erzerum-Siwas, um die in Armenien stehenden Türken in Schach zu halten. Die gekanteten Russen aber treten den Marsch nach Konstantinopel an, das sie, parallel mit der Nordküste Kleinasiens hinziehend und täglich etwa dreißig Kilometer zurücklegend, binnen einundsechzig Tagen erreichen können. Wird die Armee unterwegs geschlagen, so zieht sie sich nach Kaukasien zurück. So der Verfasser der Schrift „Konstnntinopel, die dritte Hauptstadt Rußlands?" bei dem man die Ausführung dieses Planes in seinen Einzeln¬ heiten nachlesen kann. Indes läßt sich eine andre Absicht Rußlands und ein andres Verhalten Österreichs denken, und da jene Absicht für den Fall, daß es zu einem Bündnisse zwischen Rußland und Frankreich käme, größre Wahr¬ scheinlichkeit haben dürfte, so wollen wir diese, die auf den Versuch hinausläuft, über Wien zur Eroberung Konstantinopels zu gelangen, mit den Ereignissen, die sie voraussichtlich zur Folge haben würde, in einem weitern Artikel be¬ sprechen. An die Stelle eines beschränkten Kriegs außerhalb Europas, zu dem sich Österreich vielleicht als passiver Zuschauer verhalten könnte, würde ein Weltkrieg treten, an dem unter Umständen auch das deutsche Reich sich zu beteiligen verpflichtet wäre. Gin populärer Minister meer den Eigenschaften, auf die unsre Freisinnigen stolz sind, und deren Mangel bei andern sie um meisten beklagen, steht bekanntlich die Konsequenz obenan. Nach ihrer Lehre ist es eine arge Schwäche, wenn ein Politiker sich in seineu Grundsätzen dadurch irre machen läßt, daß diese den Thatsachen gegenüber nicht die Probe bestehen; was einmal als Glaubensartikel verkündigt worden ist, bleibt ein Glaubensartikel — und mag alles darüber zu Grunde gehen! Hin und wieder hat es wohl den Anschein, als änderten auch sie ihre Ansichten nach den Umständen; aber das ist eben nur Schein, und bei genauerer Betrachtung gewahrt man unter der täuschenden Oberfläche als Untergrund die wahre eherne Konsequenz. Wir können das an einem bestimmten Beispiele darthun. Gegenwärtig sind die Herren besonders zärtlich darum besorgt, daß Deutsch¬ land in den Ruf eiues wenig liebenswürdigen Gesellschafters geraten könnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/408>, abgerufen am 29.06.2024.