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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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große gabt von Übergängen verfügt eine kcinesweg schwierige Sache ist. Nehmen
wir an. wir wollten ein Kapitel "Heine zu Wasser und zu Lande" schreiben, so
ziehen wir das Kästchen mit der Aufschrift "Meer" hervor und stellen uus einige
andre, welche die Citate über Welle. Schiff, Strnud u. f. w. enthalten, Wr Hand.
Also zunächst: Heine und das Meer. Es giebt da eine Menge Citate, z. B. Wir
saßen am einsamen Meeresstrand, Das Meer erglänzte weit hinaus. Sei nur
gegrüßt, dn ewiges Meer u, s. w. Hieraus ergiebt sich der verbindende Text
etwa in folgender Gestalt: Heine verlebte, wie bekannt, seine Jugend in der alten
Seestadt Hamburg. Dieser Ort. sein Handel, der nimmer müde Strom, der
seine Wasser dem Ozean znwälzt, die kommenden und gehenden Schisse, alles Mes
mußte ihn ans das Meer, jenes ewige Rätsel hinweisen, das nur dem Dichter¬
geiste lösbar ist. Hier ließe sich noch ein Citat über Schiffe oder Nachen einfügen.
Man könnte also sagen: Wie oft hat er es erlebt, daß


im traurigen Takte rudert
der Schiffer mit seinem Kahn --

und so weiter. Endlich, im Jahre 1825, war es ihm vergönnt, am "einsamen
Meeresstrande" zu sitzen.


Thalattn, Thalattn!
Sei mir gegrüßt, dn ewiges Meer.

Es ist der Ruf eines Dichters, dem das Auge seiner Seele,


Phantasie, die schäumend wilde

die Geheimnisse der Welt offenbart, die dem Philister verborgen bleiben. Er
sieht, wie


Das Meer erglänzte weit hinaus
In letztem Abendscheine.

Wie


Der Mond,
Eine Riesenpomeranze,
Ueberstrahlt das graue Meer.

Er hört


Süßes Wort im Wasser sprechen.

Ja er selbst,


Sein Herz gleicht ganz dem Meere.
Hat Sturm und Ehb' und Flut
Und manche schöne Perle
^"

ungefähr.

uicht6""^ Buch besteht als solchen Stücken. Auf Zusammenhang braucht
Slud^' werden; das ist ja eben der Vorteil, den man hat, wenn

der 5^ höhere Stufe litterarischer Kennerschaft, wobei übrigens
die Z Lasten ebenfalls seine Rolle spielt. Hier tritt das Dichterwerk zurück und
und ^ Dichters in den Vordergrund. Was der Dichter je gesagt, gethan
Lebens ^ ^' ^ "on höchstem Interesse. Man folgt jedem Schritte seines
vndent liebevoller Sorgfalt und übersieht auch nicht das kleinste, das un-
"Wste. Bei großen Männern ist nichts unbedeutend, auch nicht der Stiefel,
er getragen hat, auch nicht die Thatsache, ob er am fünfzehnten oder sech-


Grenzvoten I 1889 . 49

große gabt von Übergängen verfügt eine kcinesweg schwierige Sache ist. Nehmen
wir an. wir wollten ein Kapitel „Heine zu Wasser und zu Lande" schreiben, so
ziehen wir das Kästchen mit der Aufschrift „Meer" hervor und stellen uus einige
andre, welche die Citate über Welle. Schiff, Strnud u. f. w. enthalten, Wr Hand.
Also zunächst: Heine und das Meer. Es giebt da eine Menge Citate, z. B. Wir
saßen am einsamen Meeresstrand, Das Meer erglänzte weit hinaus. Sei nur
gegrüßt, dn ewiges Meer u, s. w. Hieraus ergiebt sich der verbindende Text
etwa in folgender Gestalt: Heine verlebte, wie bekannt, seine Jugend in der alten
Seestadt Hamburg. Dieser Ort. sein Handel, der nimmer müde Strom, der
seine Wasser dem Ozean znwälzt, die kommenden und gehenden Schisse, alles Mes
mußte ihn ans das Meer, jenes ewige Rätsel hinweisen, das nur dem Dichter¬
geiste lösbar ist. Hier ließe sich noch ein Citat über Schiffe oder Nachen einfügen.
Man könnte also sagen: Wie oft hat er es erlebt, daß


im traurigen Takte rudert
der Schiffer mit seinem Kahn —

und so weiter. Endlich, im Jahre 1825, war es ihm vergönnt, am „einsamen
Meeresstrande" zu sitzen.


Thalattn, Thalattn!
Sei mir gegrüßt, dn ewiges Meer.

Es ist der Ruf eines Dichters, dem das Auge seiner Seele,


Phantasie, die schäumend wilde

die Geheimnisse der Welt offenbart, die dem Philister verborgen bleiben. Er
sieht, wie


Das Meer erglänzte weit hinaus
In letztem Abendscheine.

Wie


Der Mond,
Eine Riesenpomeranze,
Ueberstrahlt das graue Meer.

Er hört


Süßes Wort im Wasser sprechen.

Ja er selbst,


Sein Herz gleicht ganz dem Meere.
Hat Sturm und Ehb' und Flut
Und manche schöne Perle
^"

ungefähr.

uicht6""^ Buch besteht als solchen Stücken. Auf Zusammenhang braucht
Slud^' werden; das ist ja eben der Vorteil, den man hat, wenn

der 5^ höhere Stufe litterarischer Kennerschaft, wobei übrigens
die Z Lasten ebenfalls seine Rolle spielt. Hier tritt das Dichterwerk zurück und
und ^ Dichters in den Vordergrund. Was der Dichter je gesagt, gethan
Lebens ^ ^' ^ »on höchstem Interesse. Man folgt jedem Schritte seines
vndent liebevoller Sorgfalt und übersieht auch nicht das kleinste, das un-
"Wste. Bei großen Männern ist nichts unbedeutend, auch nicht der Stiefel,
er getragen hat, auch nicht die Thatsache, ob er am fünfzehnten oder sech-


Grenzvoten I 1889 . 49
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/393>, abgerufen am 26.06.2024.