Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Skizzen aus unserm heutigen Volksleben der gemeinen Kolportagelitteratur, ohne die verderblichen Mittel beizubehalten. Skizzen aus unserm heutigen Volksleben 16. Araäus ?grua88um WM Gott weiß, was er in der Gegend wollte. Er erklärte, ein paar Stunden Skizzen aus unserm heutigen Volksleben der gemeinen Kolportagelitteratur, ohne die verderblichen Mittel beizubehalten. Skizzen aus unserm heutigen Volksleben 16. Araäus ?grua88um WM Gott weiß, was er in der Gegend wollte. Er erklärte, ein paar Stunden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204477"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_1219" prev="#ID_1218"> der gemeinen Kolportagelitteratur, ohne die verderblichen Mittel beizubehalten.<lb/> Ein solches äußeres Mittel ist beispielsweise die Illustration. Selbst ein<lb/> Charles Dickens nahm zur Zeit keinen Anstoß daran, seine ersten Romane,<lb/> wie die Pickwickier in Heften und mit ziemlich rohen Illustrationen erscheinen<lb/> zu lassen; der Erfolg blieb nicht ans. 70000 Exemplare wurden an einem<lb/> Tage abgesetzt. Allerdings, dieser rein äußerliche Umstand thut es auch nicht<lb/> allein; Dickens schuf eben aus dem Herzen seines Volkes heraus. Mau sehe<lb/> seine Romane an! Mehr oder weniger knüpfen sie alle an öffentliche Interessen<lb/> an, die zur Zeit das ganze englische Volk bewegten. So beispielsweise<lb/> Bleakhouse, so Harte Zeiten, so Nikolas Nickleby u. a. Bei uns gehen<lb/> leider die guten Schriftsteller gerade den die ganze Welt beschäftigenden<lb/> Fragen aus dem Wege. Man schließt sich Vornehm von der großen Masse<lb/> ab, statt sie zu studiren. Nur wer mit und unter seinem Volke lebt, kann<lb/> ein Herz für sein Volk haben, nur er kann seine Freuden und Schmerzen ver¬<lb/> stehen, nur er, als Künstler oder Schriftsteller, sie darstellen. Am Ende ist<lb/> auch der größte unter uns nur ein kleiner Teil des großen Volkskörpers;<lb/> das sollten Deutschlands geistige Führer vor allem beherzigen!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben<lb/> 16. Araäus ?grua88um </head><lb/> <p xml:id="ID_1220"> WM<lb/> ^c>DUzverlehrers hatten Besuch, und zwar unerwarteten. Mit dem Drei¬<lb/> uhrzuge war er angekommen, und jetzt saß er in der guten Stube,<lb/> ein feiner Herr, halb Künstler, halb Kommis. Er trug einen blonden<lb/> Vollbart, einen Kneifer auf der Nase, einen weichen Hut und gro߬<lb/> städtische Kleidung und hatte ein gewandtes, weidmännisches Benehmen.<lb/> In den wohlgeordneten und etwas kleinstädtischen Haushalt des<lb/> Herrn Oberlehrer Müller war er wie eine Bombe hineingefahren, hatte alles auf<lb/> den Kopf gestellt und alle Herzen, inbegriffen das der Frau Oberlehrer, mit Sturm<lb/> erobert. Es war aber auch der Doktor Arthur Schlag aus Berlin, ein Studien¬<lb/> freund des Herrn Oberlehrers, gegenwärtig Schriftsteller und Redakteur des<lb/> Feuilletons einer großen Zeitung. Uebrigens sollte er auch eine reiche Frau<lb/> haben, aber von der war nicht weiter die Rede. Die Sache mußte wohl einen<lb/> Haken haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1221" next="#ID_1222"> Gott weiß, was er in der Gegend wollte. Er erklärte, ein paar Stunden<lb/> Zeit zu haben, und diese habe er benutzen wollen, um seinen alten Freund und<lb/> ehemaligen Leibburschen Müller aufzusuchen. Der Oberlehrer gab seiner Freude</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0388]
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
der gemeinen Kolportagelitteratur, ohne die verderblichen Mittel beizubehalten.
Ein solches äußeres Mittel ist beispielsweise die Illustration. Selbst ein
Charles Dickens nahm zur Zeit keinen Anstoß daran, seine ersten Romane,
wie die Pickwickier in Heften und mit ziemlich rohen Illustrationen erscheinen
zu lassen; der Erfolg blieb nicht ans. 70000 Exemplare wurden an einem
Tage abgesetzt. Allerdings, dieser rein äußerliche Umstand thut es auch nicht
allein; Dickens schuf eben aus dem Herzen seines Volkes heraus. Mau sehe
seine Romane an! Mehr oder weniger knüpfen sie alle an öffentliche Interessen
an, die zur Zeit das ganze englische Volk bewegten. So beispielsweise
Bleakhouse, so Harte Zeiten, so Nikolas Nickleby u. a. Bei uns gehen
leider die guten Schriftsteller gerade den die ganze Welt beschäftigenden
Fragen aus dem Wege. Man schließt sich Vornehm von der großen Masse
ab, statt sie zu studiren. Nur wer mit und unter seinem Volke lebt, kann
ein Herz für sein Volk haben, nur er kann seine Freuden und Schmerzen ver¬
stehen, nur er, als Künstler oder Schriftsteller, sie darstellen. Am Ende ist
auch der größte unter uns nur ein kleiner Teil des großen Volkskörpers;
das sollten Deutschlands geistige Führer vor allem beherzigen!
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
16. Araäus ?grua88um
WM
^c>DUzverlehrers hatten Besuch, und zwar unerwarteten. Mit dem Drei¬
uhrzuge war er angekommen, und jetzt saß er in der guten Stube,
ein feiner Herr, halb Künstler, halb Kommis. Er trug einen blonden
Vollbart, einen Kneifer auf der Nase, einen weichen Hut und gro߬
städtische Kleidung und hatte ein gewandtes, weidmännisches Benehmen.
In den wohlgeordneten und etwas kleinstädtischen Haushalt des
Herrn Oberlehrer Müller war er wie eine Bombe hineingefahren, hatte alles auf
den Kopf gestellt und alle Herzen, inbegriffen das der Frau Oberlehrer, mit Sturm
erobert. Es war aber auch der Doktor Arthur Schlag aus Berlin, ein Studien¬
freund des Herrn Oberlehrers, gegenwärtig Schriftsteller und Redakteur des
Feuilletons einer großen Zeitung. Uebrigens sollte er auch eine reiche Frau
haben, aber von der war nicht weiter die Rede. Die Sache mußte wohl einen
Haken haben.
Gott weiß, was er in der Gegend wollte. Er erklärte, ein paar Stunden
Zeit zu haben, und diese habe er benutzen wollen, um seinen alten Freund und
ehemaligen Leibburschen Müller aufzusuchen. Der Oberlehrer gab seiner Freude
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