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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die Gemeinde Wien

staudeuen Äußerungen Cäsars, oder sie sind von Brutus selbst oder vyn andern
zu Brutus' Gunsten erlogen. Jedenfalls zeigen sie, was Brutus wünschte und
hoffte. Seine Pläne wurden durchkreuzt durch Heranziehung des Großneffen
Cäsars, des jungen C. Oetnvins, den Cäsar nach seiner Rückkehr aus Spanien
im Herbste des Jahres 45 in seinem Testamente adoptirte, dadurch zum Thron¬
folger desiguirte und auch im Heere als künftigen Kriegsherrn mehr und mehr
Populär zu machen suchte. Demnach hatte Brutus von Cäsar nichts weiter
zu erwarten, zumal da auch Cäsars Grundsätze über Behandlung und Ver¬
waltung der Provinzen eine Statthalterschaft nicht mehr in dem goldigen Lichte
erscheinen ließen wie ehedem. Die Verschwörer dagegen, bereit, ihm die
Führung zu überlassen, verhießen ihm Selbständigkeit und reichlichen Raub.

Die Einzelheiten der Ermordung Cäsars übergehe ich als bekannt. Wenn
Gegenrevolutionen schon im allgemeinen wenig Aussicht auf Erfolg haben, so
konnte man von diesem Frevel eine dauernde Rückbildung der aristokratischen
Staatsform schon deshalb nicht erwarten, weil dem Morde gar kein bestimmtes
Politisches Programm, sondern nur die Habsucht und der unbefriedigte Ehrgeiz
einiger Generale und Adlichen zu Grunde lag. Wie wenig gerade Brutus im
Ernste an die Wiederherstellung der Republik dachte, geht daraus hervor, daß
er die konsequente Vollziehung der Verschwörung, die Beseitigung der nicht
beteiligten eäsarischen Generale Antonius und Lepidus, verhinderte, mit denen
er, zumal da die Erhaltung seiueHSchwagers Lepidus im Familieninteresse lag,
nach vollbrachter That zu Pallirer hoffte.

(Schluß folgt)




Die Gemeinde Wien

um 2. Dezember 1888, wo es vierzig Jahre her wär, daß Kaiser
Franz Josef den Thron seiner Väter bestiegen hatte, hat der
Wiener Gemeinderat eine Denkschrift herausgegeben, die einen
Rückblick auf die Entwicklung des gesamten materiellen und
geistigen Lebens der österreichischen Hauptstadt während jener
herzig Jahre wirft"). Nach einer Art von Prolog: "Des Bubcnbergers
Erwachen," gedichtet von Robert Hamerling, ergreift zunächst der Wiener
Geschjchtsprvfesfor Heinrich von Zeißberg das Wort zu einer "Historischen
Übersicht" über die Schicksale der gesamten Monarchie von den Tagen der



*) Wien. 1848--1888. Denkschrift zum 2. Dezember 1888. Herausgegeben vom
^emcinderat der Stadt Wien. 2 Bünde. Wien. Im Kommissionsverlag von C. Konegen, 1888.
Grenzboten I 1889 47
Die Gemeinde Wien

staudeuen Äußerungen Cäsars, oder sie sind von Brutus selbst oder vyn andern
zu Brutus' Gunsten erlogen. Jedenfalls zeigen sie, was Brutus wünschte und
hoffte. Seine Pläne wurden durchkreuzt durch Heranziehung des Großneffen
Cäsars, des jungen C. Oetnvins, den Cäsar nach seiner Rückkehr aus Spanien
im Herbste des Jahres 45 in seinem Testamente adoptirte, dadurch zum Thron¬
folger desiguirte und auch im Heere als künftigen Kriegsherrn mehr und mehr
Populär zu machen suchte. Demnach hatte Brutus von Cäsar nichts weiter
zu erwarten, zumal da auch Cäsars Grundsätze über Behandlung und Ver¬
waltung der Provinzen eine Statthalterschaft nicht mehr in dem goldigen Lichte
erscheinen ließen wie ehedem. Die Verschwörer dagegen, bereit, ihm die
Führung zu überlassen, verhießen ihm Selbständigkeit und reichlichen Raub.

Die Einzelheiten der Ermordung Cäsars übergehe ich als bekannt. Wenn
Gegenrevolutionen schon im allgemeinen wenig Aussicht auf Erfolg haben, so
konnte man von diesem Frevel eine dauernde Rückbildung der aristokratischen
Staatsform schon deshalb nicht erwarten, weil dem Morde gar kein bestimmtes
Politisches Programm, sondern nur die Habsucht und der unbefriedigte Ehrgeiz
einiger Generale und Adlichen zu Grunde lag. Wie wenig gerade Brutus im
Ernste an die Wiederherstellung der Republik dachte, geht daraus hervor, daß
er die konsequente Vollziehung der Verschwörung, die Beseitigung der nicht
beteiligten eäsarischen Generale Antonius und Lepidus, verhinderte, mit denen
er, zumal da die Erhaltung seiueHSchwagers Lepidus im Familieninteresse lag,
nach vollbrachter That zu Pallirer hoffte.

(Schluß folgt)




Die Gemeinde Wien

um 2. Dezember 1888, wo es vierzig Jahre her wär, daß Kaiser
Franz Josef den Thron seiner Väter bestiegen hatte, hat der
Wiener Gemeinderat eine Denkschrift herausgegeben, die einen
Rückblick auf die Entwicklung des gesamten materiellen und
geistigen Lebens der österreichischen Hauptstadt während jener
herzig Jahre wirft"). Nach einer Art von Prolog: „Des Bubcnbergers
Erwachen," gedichtet von Robert Hamerling, ergreift zunächst der Wiener
Geschjchtsprvfesfor Heinrich von Zeißberg das Wort zu einer „Historischen
Übersicht" über die Schicksale der gesamten Monarchie von den Tagen der



*) Wien. 1848—1888. Denkschrift zum 2. Dezember 1888. Herausgegeben vom
^emcinderat der Stadt Wien. 2 Bünde. Wien. Im Kommissionsverlag von C. Konegen, 1888.
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[0377] Die Gemeinde Wien staudeuen Äußerungen Cäsars, oder sie sind von Brutus selbst oder vyn andern zu Brutus' Gunsten erlogen. Jedenfalls zeigen sie, was Brutus wünschte und hoffte. Seine Pläne wurden durchkreuzt durch Heranziehung des Großneffen Cäsars, des jungen C. Oetnvins, den Cäsar nach seiner Rückkehr aus Spanien im Herbste des Jahres 45 in seinem Testamente adoptirte, dadurch zum Thron¬ folger desiguirte und auch im Heere als künftigen Kriegsherrn mehr und mehr Populär zu machen suchte. Demnach hatte Brutus von Cäsar nichts weiter zu erwarten, zumal da auch Cäsars Grundsätze über Behandlung und Ver¬ waltung der Provinzen eine Statthalterschaft nicht mehr in dem goldigen Lichte erscheinen ließen wie ehedem. Die Verschwörer dagegen, bereit, ihm die Führung zu überlassen, verhießen ihm Selbständigkeit und reichlichen Raub. Die Einzelheiten der Ermordung Cäsars übergehe ich als bekannt. Wenn Gegenrevolutionen schon im allgemeinen wenig Aussicht auf Erfolg haben, so konnte man von diesem Frevel eine dauernde Rückbildung der aristokratischen Staatsform schon deshalb nicht erwarten, weil dem Morde gar kein bestimmtes Politisches Programm, sondern nur die Habsucht und der unbefriedigte Ehrgeiz einiger Generale und Adlichen zu Grunde lag. Wie wenig gerade Brutus im Ernste an die Wiederherstellung der Republik dachte, geht daraus hervor, daß er die konsequente Vollziehung der Verschwörung, die Beseitigung der nicht beteiligten eäsarischen Generale Antonius und Lepidus, verhinderte, mit denen er, zumal da die Erhaltung seiueHSchwagers Lepidus im Familieninteresse lag, nach vollbrachter That zu Pallirer hoffte. (Schluß folgt) Die Gemeinde Wien um 2. Dezember 1888, wo es vierzig Jahre her wär, daß Kaiser Franz Josef den Thron seiner Väter bestiegen hatte, hat der Wiener Gemeinderat eine Denkschrift herausgegeben, die einen Rückblick auf die Entwicklung des gesamten materiellen und geistigen Lebens der österreichischen Hauptstadt während jener herzig Jahre wirft"). Nach einer Art von Prolog: „Des Bubcnbergers Erwachen," gedichtet von Robert Hamerling, ergreift zunächst der Wiener Geschjchtsprvfesfor Heinrich von Zeißberg das Wort zu einer „Historischen Übersicht" über die Schicksale der gesamten Monarchie von den Tagen der *) Wien. 1848—1888. Denkschrift zum 2. Dezember 1888. Herausgegeben vom ^emcinderat der Stadt Wien. 2 Bünde. Wien. Im Kommissionsverlag von C. Konegen, 1888. Grenzboten I 1889 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/377>, abgerufen am 26.06.2024.