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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Lin falscher Freiheitsheld des Altertunis

beglaubigt. Cicero fühlte sich durch den "Cato" des Brutus verletzt. Er
konnte in dieser ganzen Zeit über die wahre Gesinnung des M. Brutus nicht
recht klug werden. Trotzdem erwies er ihm, Wohl auf Ntticus' Rat, allerhand
litterarische Aufmerksamkeiten in dem Bestreben, sich dem Günstlinge Cäsars zu
nähern und somit zu Gunsten seiner politischen Ideale auch auf Cäsar Einstich
zu gewinnen. Doch blieb das Verhältnis zwischen Cicero und Brutus vor¬
läufig kühl. Zu deu Wohlthaten und Ehren, die Cäsar dem Brutus schon
erwiesen hatte, fügte er noch die städtische Prätur sür das Jahr 44, die
Designation zum Statthalter von Makedonien für 43 und die Zusicherung des
Konsulats für 41. Alle diese Auszeichnungen nahm Brutus ohne Bedenken
von seinem Gebieter an.

Wie kam nun dieser Mann zu deu Verschwörern gegen das Leben seines
Wohlthäters? So viel scheint sicher zu sein, daß der erste Gedanke des Mordes
uicht in Brutus' Gehirn erwuchs, sondern im Kopfe des Cassius. Die Ver¬
schwörung gegen Cäsar ist im Kerne als eine Revolution seiner Generale an¬
zusehen, die mit ihren Dotationen, Einkünften und Aussichten nicht zufrieden
waren oder glaubten, nach dem Wegfalle ihres Kriegsherren eine noch größere
Rolle spielen zu können. Zu diesen unzufriedenen Generalen, die jederzeit eine
Gefahr für einen Cäsar bilden, muß man außer D. Brutus, C. Trebonins,
Minucius Basilus, Servius Sulpicius Galba auch deu C. Cassius rechnen, der
nach seinem Übertritt aus dem pompeianischen Lager als Legat Cäsars gegen
Pharnaces mitgefochten hatte, dann aber weder in Afrika noch in Spanien zur
Verwendung gekommen war und sich auch bezüglich der Ehrenstellen z. B.
hinter M. Brutus zurückgesetzt sah. Den Männern des Schwertes schlossen
sich dann Männer des neuen Hofadels mit vorzugsweise nulriegerischer Vergangen-
heit an, wie der leidenschaftliche Servilins Ccisca und der zügellose Tillius Cimber.
Der wichtigste unter diesen war M. Brutus. Mau lockte ihn herbei erstens
wegen seiner nützlichen Beziehungen zu den Aristokraten, zweitens wegen des
Ansehens, das er vermöge einer verhältnismäßig anständigen Lebensführung
genoß, und drittens wegen seiner Abstammung von zwei Befreiern des Staates
als republikanisches Aushängeschild für den beabsichtigten Mord. Die Beweg¬
gründe, die den Brutus antrieben, sich an dem entsetzlichen Frevel zu be¬
teiligen, lassen sich durchaus nicht, wie es gewöhnlich geschieht, ans republi¬
kanischen Fanatismus zurückführen. Dieser hätte eher zum Durchbruch kommen
müssen. Sie liegeu vielmehr auch hier wahrscheinlich in der Verletzung selbst¬
süchtiger Hoffnungen durch Cäsar. Dieser war bekanntlich ohne Leibeserben,
die Frage der Nachfolge also nicht leicht. Nun finden sich in der That bei
Plutarch Anspielungen, als ob Brutus als Sohn der Servilia und Günstling
Cäsars, vielleicht von Servilia selbst beeinflußt, sich Hoffnung auf die Nachfolge
Cäsars gemacht, ja als ob Cäsar selbst diesen Gedanken angedeutet habe.
Diese vermeintlichen Andeutungen beruhen im günstigsten Falle auf mißver-


Lin falscher Freiheitsheld des Altertunis

beglaubigt. Cicero fühlte sich durch den „Cato" des Brutus verletzt. Er
konnte in dieser ganzen Zeit über die wahre Gesinnung des M. Brutus nicht
recht klug werden. Trotzdem erwies er ihm, Wohl auf Ntticus' Rat, allerhand
litterarische Aufmerksamkeiten in dem Bestreben, sich dem Günstlinge Cäsars zu
nähern und somit zu Gunsten seiner politischen Ideale auch auf Cäsar Einstich
zu gewinnen. Doch blieb das Verhältnis zwischen Cicero und Brutus vor¬
läufig kühl. Zu deu Wohlthaten und Ehren, die Cäsar dem Brutus schon
erwiesen hatte, fügte er noch die städtische Prätur sür das Jahr 44, die
Designation zum Statthalter von Makedonien für 43 und die Zusicherung des
Konsulats für 41. Alle diese Auszeichnungen nahm Brutus ohne Bedenken
von seinem Gebieter an.

Wie kam nun dieser Mann zu deu Verschwörern gegen das Leben seines
Wohlthäters? So viel scheint sicher zu sein, daß der erste Gedanke des Mordes
uicht in Brutus' Gehirn erwuchs, sondern im Kopfe des Cassius. Die Ver¬
schwörung gegen Cäsar ist im Kerne als eine Revolution seiner Generale an¬
zusehen, die mit ihren Dotationen, Einkünften und Aussichten nicht zufrieden
waren oder glaubten, nach dem Wegfalle ihres Kriegsherren eine noch größere
Rolle spielen zu können. Zu diesen unzufriedenen Generalen, die jederzeit eine
Gefahr für einen Cäsar bilden, muß man außer D. Brutus, C. Trebonins,
Minucius Basilus, Servius Sulpicius Galba auch deu C. Cassius rechnen, der
nach seinem Übertritt aus dem pompeianischen Lager als Legat Cäsars gegen
Pharnaces mitgefochten hatte, dann aber weder in Afrika noch in Spanien zur
Verwendung gekommen war und sich auch bezüglich der Ehrenstellen z. B.
hinter M. Brutus zurückgesetzt sah. Den Männern des Schwertes schlossen
sich dann Männer des neuen Hofadels mit vorzugsweise nulriegerischer Vergangen-
heit an, wie der leidenschaftliche Servilins Ccisca und der zügellose Tillius Cimber.
Der wichtigste unter diesen war M. Brutus. Mau lockte ihn herbei erstens
wegen seiner nützlichen Beziehungen zu den Aristokraten, zweitens wegen des
Ansehens, das er vermöge einer verhältnismäßig anständigen Lebensführung
genoß, und drittens wegen seiner Abstammung von zwei Befreiern des Staates
als republikanisches Aushängeschild für den beabsichtigten Mord. Die Beweg¬
gründe, die den Brutus antrieben, sich an dem entsetzlichen Frevel zu be¬
teiligen, lassen sich durchaus nicht, wie es gewöhnlich geschieht, ans republi¬
kanischen Fanatismus zurückführen. Dieser hätte eher zum Durchbruch kommen
müssen. Sie liegeu vielmehr auch hier wahrscheinlich in der Verletzung selbst¬
süchtiger Hoffnungen durch Cäsar. Dieser war bekanntlich ohne Leibeserben,
die Frage der Nachfolge also nicht leicht. Nun finden sich in der That bei
Plutarch Anspielungen, als ob Brutus als Sohn der Servilia und Günstling
Cäsars, vielleicht von Servilia selbst beeinflußt, sich Hoffnung auf die Nachfolge
Cäsars gemacht, ja als ob Cäsar selbst diesen Gedanken angedeutet habe.
Diese vermeintlichen Andeutungen beruhen im günstigsten Falle auf mißver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/376>, abgerufen am 26.06.2024.