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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Gin falscher Froiheitsheld des Altertums

großes Gewicht, wie später Napoleon I. auf hervorragende Namen des ancien
re^imo. Brutus, der Träger eines uralten Namens und der Verwandte der
einflußreichsten Aristokraten, wurde daher besonders ausgezeichnet. Obwohl er
noch kein Staatsamt bekleidet hatte, belehnte ihn Cäsar für das Jahr 46 mit
der wichtigen Statthalterschaft über das cisalpinische Gallien. Bei der Ver¬
waltung dieser Provinz, deren Wohl dem Cäsar besonders am Herzen lag, hütete
sich Brutus wohl, seiner Habsucht zu fröhnen, wie er es früher in Asien ge¬
than hatte und auch nachmals wieder that. Er wurde deshalb von Cäsar
belobt. Brutus stand wegen seines verhältnismäßig anständigen Lebenswandels
und wegen seiner philosophischen Bildung bei seinen Standesgenossen in Ansehen.
Er war auch als rhetorischer und philosophischer Schriftsteller aufgetreten.
Deshalb wies ihm Caesar die Rolle eines offiziösen Publizisten zu, der die
Aufgabe hatte, die öffentliche Meinung zu Gunsten des Cäsarisinus zu be¬
arbeiten. Brutus war ein gehorsames Werkzeug. Schon von Asien aus hatte
er in diesem Sinne an einflußreiche Leute z. B. an Cicero geschrieben, später
veröffentlichte er ein Schriftstück, worin er Cäsar von dem Verdachte reinigte,
daß M. Marcellus auf fein Anstiften im Piraeus ermordet worden sei,
und nach Beendigung des spanischen Krieges verbreitete er das Märchen,
das den Optimalen Sand in die Angen streiten sollte: Cäsar wolle sich mit
dieser Partei wieder auf guten Fuß stellen. Vor allem mußte Cäsar auf
"die Degradation der republikanischen Erinnerungen""') bedacht sein. Des¬
halb war ihm Ciceros Lobschrift auf jenen Cato, der an der Republik
verzweifelnd sich in Utica den Tod gegeben hatte, recht unbequem gekommen,
obwohl sich Cicero vorsichtigerweise auf das Lob von Catos Privatleben be¬
schränkt hatte. Cäsar setzte dagegen einen förmlichen Preßfeldzng in Bewegung,
der in seinen Einzelheiten an ähnliche Erscheinungen der Gegenwart erinnert.

Zuerst trat sein Legat Hirtins mit einem "Cato" hervor, worin alle
schlechten Eigenschaften desselben ins grellste Licht gesetzt waren, Ciceros aber
mit den verbindlichsten Redensarten gedacht wurde. In demselben Geiste schrieb
dann Cäsar selbst seinen "Gegencato," der das glänzende Bild, das Cicero von
dem Privatleben des Mannes entworfen hatte, zerstörte, dabei aber Cicero,
den einflußreichsten Vertreter der Mittelpartei, mit Sammetpfötchen anfaßte.
Die Herabsetzung Ciceros in der öffentlichen Meinung übertrug Cäsar dem
Brutus unter der geschickten Maske, daß dieser scheinbar auch eine Lob¬
schrift auf Cato verfaßte, in der aber Ciceros Rolle bei der Vereitlung der
katilinarischen Verschwörung, der Glanzpunkt seines öffentlichens Wirkens, zu
Gunsten Catos geringschätzig besprochen war. Dabei wurde zugleich Cäsar
von dem alten Verdachte, als ob er Mitverschworner gewesen wäre, gereinigt
und sein Publizist M. Brutus von neuem in den Kreisen der Aristokratie



*) W. Rvscher, Umrisse zur Mtilrlehre des Cäsarismiis. S. 45.
Gin falscher Froiheitsheld des Altertums

großes Gewicht, wie später Napoleon I. auf hervorragende Namen des ancien
re^imo. Brutus, der Träger eines uralten Namens und der Verwandte der
einflußreichsten Aristokraten, wurde daher besonders ausgezeichnet. Obwohl er
noch kein Staatsamt bekleidet hatte, belehnte ihn Cäsar für das Jahr 46 mit
der wichtigen Statthalterschaft über das cisalpinische Gallien. Bei der Ver¬
waltung dieser Provinz, deren Wohl dem Cäsar besonders am Herzen lag, hütete
sich Brutus wohl, seiner Habsucht zu fröhnen, wie er es früher in Asien ge¬
than hatte und auch nachmals wieder that. Er wurde deshalb von Cäsar
belobt. Brutus stand wegen seines verhältnismäßig anständigen Lebenswandels
und wegen seiner philosophischen Bildung bei seinen Standesgenossen in Ansehen.
Er war auch als rhetorischer und philosophischer Schriftsteller aufgetreten.
Deshalb wies ihm Caesar die Rolle eines offiziösen Publizisten zu, der die
Aufgabe hatte, die öffentliche Meinung zu Gunsten des Cäsarisinus zu be¬
arbeiten. Brutus war ein gehorsames Werkzeug. Schon von Asien aus hatte
er in diesem Sinne an einflußreiche Leute z. B. an Cicero geschrieben, später
veröffentlichte er ein Schriftstück, worin er Cäsar von dem Verdachte reinigte,
daß M. Marcellus auf fein Anstiften im Piraeus ermordet worden sei,
und nach Beendigung des spanischen Krieges verbreitete er das Märchen,
das den Optimalen Sand in die Angen streiten sollte: Cäsar wolle sich mit
dieser Partei wieder auf guten Fuß stellen. Vor allem mußte Cäsar auf
«die Degradation der republikanischen Erinnerungen""') bedacht sein. Des¬
halb war ihm Ciceros Lobschrift auf jenen Cato, der an der Republik
verzweifelnd sich in Utica den Tod gegeben hatte, recht unbequem gekommen,
obwohl sich Cicero vorsichtigerweise auf das Lob von Catos Privatleben be¬
schränkt hatte. Cäsar setzte dagegen einen förmlichen Preßfeldzng in Bewegung,
der in seinen Einzelheiten an ähnliche Erscheinungen der Gegenwart erinnert.

Zuerst trat sein Legat Hirtins mit einem „Cato" hervor, worin alle
schlechten Eigenschaften desselben ins grellste Licht gesetzt waren, Ciceros aber
mit den verbindlichsten Redensarten gedacht wurde. In demselben Geiste schrieb
dann Cäsar selbst seinen „Gegencato," der das glänzende Bild, das Cicero von
dem Privatleben des Mannes entworfen hatte, zerstörte, dabei aber Cicero,
den einflußreichsten Vertreter der Mittelpartei, mit Sammetpfötchen anfaßte.
Die Herabsetzung Ciceros in der öffentlichen Meinung übertrug Cäsar dem
Brutus unter der geschickten Maske, daß dieser scheinbar auch eine Lob¬
schrift auf Cato verfaßte, in der aber Ciceros Rolle bei der Vereitlung der
katilinarischen Verschwörung, der Glanzpunkt seines öffentlichens Wirkens, zu
Gunsten Catos geringschätzig besprochen war. Dabei wurde zugleich Cäsar
von dem alten Verdachte, als ob er Mitverschworner gewesen wäre, gereinigt
und sein Publizist M. Brutus von neuem in den Kreisen der Aristokratie



*) W. Rvscher, Umrisse zur Mtilrlehre des Cäsarismiis. S. 45.
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[0375] Gin falscher Froiheitsheld des Altertums großes Gewicht, wie später Napoleon I. auf hervorragende Namen des ancien re^imo. Brutus, der Träger eines uralten Namens und der Verwandte der einflußreichsten Aristokraten, wurde daher besonders ausgezeichnet. Obwohl er noch kein Staatsamt bekleidet hatte, belehnte ihn Cäsar für das Jahr 46 mit der wichtigen Statthalterschaft über das cisalpinische Gallien. Bei der Ver¬ waltung dieser Provinz, deren Wohl dem Cäsar besonders am Herzen lag, hütete sich Brutus wohl, seiner Habsucht zu fröhnen, wie er es früher in Asien ge¬ than hatte und auch nachmals wieder that. Er wurde deshalb von Cäsar belobt. Brutus stand wegen seines verhältnismäßig anständigen Lebenswandels und wegen seiner philosophischen Bildung bei seinen Standesgenossen in Ansehen. Er war auch als rhetorischer und philosophischer Schriftsteller aufgetreten. Deshalb wies ihm Caesar die Rolle eines offiziösen Publizisten zu, der die Aufgabe hatte, die öffentliche Meinung zu Gunsten des Cäsarisinus zu be¬ arbeiten. Brutus war ein gehorsames Werkzeug. Schon von Asien aus hatte er in diesem Sinne an einflußreiche Leute z. B. an Cicero geschrieben, später veröffentlichte er ein Schriftstück, worin er Cäsar von dem Verdachte reinigte, daß M. Marcellus auf fein Anstiften im Piraeus ermordet worden sei, und nach Beendigung des spanischen Krieges verbreitete er das Märchen, das den Optimalen Sand in die Angen streiten sollte: Cäsar wolle sich mit dieser Partei wieder auf guten Fuß stellen. Vor allem mußte Cäsar auf «die Degradation der republikanischen Erinnerungen""') bedacht sein. Des¬ halb war ihm Ciceros Lobschrift auf jenen Cato, der an der Republik verzweifelnd sich in Utica den Tod gegeben hatte, recht unbequem gekommen, obwohl sich Cicero vorsichtigerweise auf das Lob von Catos Privatleben be¬ schränkt hatte. Cäsar setzte dagegen einen förmlichen Preßfeldzng in Bewegung, der in seinen Einzelheiten an ähnliche Erscheinungen der Gegenwart erinnert. Zuerst trat sein Legat Hirtins mit einem „Cato" hervor, worin alle schlechten Eigenschaften desselben ins grellste Licht gesetzt waren, Ciceros aber mit den verbindlichsten Redensarten gedacht wurde. In demselben Geiste schrieb dann Cäsar selbst seinen „Gegencato," der das glänzende Bild, das Cicero von dem Privatleben des Mannes entworfen hatte, zerstörte, dabei aber Cicero, den einflußreichsten Vertreter der Mittelpartei, mit Sammetpfötchen anfaßte. Die Herabsetzung Ciceros in der öffentlichen Meinung übertrug Cäsar dem Brutus unter der geschickten Maske, daß dieser scheinbar auch eine Lob¬ schrift auf Cato verfaßte, in der aber Ciceros Rolle bei der Vereitlung der katilinarischen Verschwörung, der Glanzpunkt seines öffentlichens Wirkens, zu Gunsten Catos geringschätzig besprochen war. Dabei wurde zugleich Cäsar von dem alten Verdachte, als ob er Mitverschworner gewesen wäre, gereinigt und sein Publizist M. Brutus von neuem in den Kreisen der Aristokratie *) W. Rvscher, Umrisse zur Mtilrlehre des Cäsarismiis. S. 45.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/375>, abgerufen am 26.06.2024.