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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Lin falscher Freiheitsheld des Altertums

12 Prozent erlaubte, womit sich selbst die härtesten Wucherer zufrieden gaben,
wenn Brutus sich darüber beklagt, daß einem Geschäftsmanne die Präfektur
abgeschlagen worden sei, während ich ein solches Gesuch auch unserm Tor-
quatns in der Person seines Lanius und selbst dem Pompejus in der Person
des Sextins Statius abgeschlagen und diese Männer von der Nichtigkeit meiner
Ansicht überzeugt habe, wenn es Brutus nicht verwinden kam?, daß die Reiter
aus Salamis abziehen mußten, nnn so wird es mir zwar wehe thun, daß er
mir zürnt, aber noch weit schmerzlicher wird mir der Gedanke sein, daß Brutus
nicht der Ehrenmann ist, für den ich ihn gehalten habe."

Unterdessen bereitete sich der Bürgerkrieg zwischen Cäsar und Pompeius
vor. Brutus stand im sechsuuddreißigsten Jahre seines Lebens; er hatte noch
kein Staatsamt bekleidet, sondern sich mit dem Studium der Beredsamkeit und
Philosophie in Athen wie in Rom beschäftigt, ohne etwas hervorragendes zu
leisten; seine Reden wenigstens galten als matt und langweilig. Äußerlich
war er bisher mit den Aristokraten, seinen Standesgenossen, gegangen, aber
war er darum ein überzeugungstreuer Republikaner? Sein weiteres Verhalten
mag über diese Frage entscheiden. Es hätte ihm eigentlich nicht leicht werden
sollen, sich dem Pompeius zu nähern, der mit dem Blute seines Vaters be¬
fleckt war. Aber er meinte wohl, wie die meisten seiner Standesgenossen, daß
die Persönlichkeit des Pompeius den Fortbestand des altgewohnten einträglichen
Raubbaues in den Provinzen eher verbürge, als die selbständige, den Provinzen
freundliche Gesinnung Cäsars, und daß Pompeius auch gegründetere Aussicht auf
den Sieg habe. Das Exempel erwies sich als falsch. Nachdem er im Beginne
des Krieges in Cilicien vermutlich seine Geldgeschäfte abgewickelt hatte, erlebte er
bei Pharsalus den schmählichen Zusammenbruch der pompeiauischen Streitkräfte.
Brutus begriff augenblicklich, daß er falsch gerechnet hatte und beeilte sich, den
Irrtum zu verbessern. Noch auf der Flucht bat er den Cäsar brieflich um
Begnadigung. Der Sohn der Servilia wurde mit Freuden aufgenommen und
dankte für die Gunst zunächst durch Äußerung der Vermutung, daß Pompeins
nach Ägypten entflohen sei. Darnach zog sich Brutus entweder nach Griechen¬
land oder nach Italien zurück; hätte er die Republik verteidigen "vollen, so hätte
er sich zu seinem Oheim Cato nach Afrika begeben müssen. Dafür huldigte
er im Jahre 47 dem Cnsnr von neuem, indem er ihm nach Asien entgegen-
reifte, um ihm zu seinem Siege über Pharuaces Glück zu wünschen. Damals
führte er auch die Sache eines Freundes, des Königs Deiotarus, vor Cäsar;
dabei kam die ihm angeborne Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit so sehr zum
Ausdruck, daß Cäsar halb verwundert, halb spöttisch äußerte: "Ich weiß uicht
recht, was dieser junge Mann eigentlich will, aber was er will, das will er
sehr." Immerhin war Brutus für Cäsar eine brauchbare Persönlichkeit. Als
Cäsar nach seiner Rückkehr aus Asien in Rom daran ging, sich einen ergebner
Hofadel zu bilden, legte er auf Persönlichkeiten der alten Nobilität ebenso


Lin falscher Freiheitsheld des Altertums

12 Prozent erlaubte, womit sich selbst die härtesten Wucherer zufrieden gaben,
wenn Brutus sich darüber beklagt, daß einem Geschäftsmanne die Präfektur
abgeschlagen worden sei, während ich ein solches Gesuch auch unserm Tor-
quatns in der Person seines Lanius und selbst dem Pompejus in der Person
des Sextins Statius abgeschlagen und diese Männer von der Nichtigkeit meiner
Ansicht überzeugt habe, wenn es Brutus nicht verwinden kam?, daß die Reiter
aus Salamis abziehen mußten, nnn so wird es mir zwar wehe thun, daß er
mir zürnt, aber noch weit schmerzlicher wird mir der Gedanke sein, daß Brutus
nicht der Ehrenmann ist, für den ich ihn gehalten habe."

Unterdessen bereitete sich der Bürgerkrieg zwischen Cäsar und Pompeius
vor. Brutus stand im sechsuuddreißigsten Jahre seines Lebens; er hatte noch
kein Staatsamt bekleidet, sondern sich mit dem Studium der Beredsamkeit und
Philosophie in Athen wie in Rom beschäftigt, ohne etwas hervorragendes zu
leisten; seine Reden wenigstens galten als matt und langweilig. Äußerlich
war er bisher mit den Aristokraten, seinen Standesgenossen, gegangen, aber
war er darum ein überzeugungstreuer Republikaner? Sein weiteres Verhalten
mag über diese Frage entscheiden. Es hätte ihm eigentlich nicht leicht werden
sollen, sich dem Pompeius zu nähern, der mit dem Blute seines Vaters be¬
fleckt war. Aber er meinte wohl, wie die meisten seiner Standesgenossen, daß
die Persönlichkeit des Pompeius den Fortbestand des altgewohnten einträglichen
Raubbaues in den Provinzen eher verbürge, als die selbständige, den Provinzen
freundliche Gesinnung Cäsars, und daß Pompeius auch gegründetere Aussicht auf
den Sieg habe. Das Exempel erwies sich als falsch. Nachdem er im Beginne
des Krieges in Cilicien vermutlich seine Geldgeschäfte abgewickelt hatte, erlebte er
bei Pharsalus den schmählichen Zusammenbruch der pompeiauischen Streitkräfte.
Brutus begriff augenblicklich, daß er falsch gerechnet hatte und beeilte sich, den
Irrtum zu verbessern. Noch auf der Flucht bat er den Cäsar brieflich um
Begnadigung. Der Sohn der Servilia wurde mit Freuden aufgenommen und
dankte für die Gunst zunächst durch Äußerung der Vermutung, daß Pompeins
nach Ägypten entflohen sei. Darnach zog sich Brutus entweder nach Griechen¬
land oder nach Italien zurück; hätte er die Republik verteidigen »vollen, so hätte
er sich zu seinem Oheim Cato nach Afrika begeben müssen. Dafür huldigte
er im Jahre 47 dem Cnsnr von neuem, indem er ihm nach Asien entgegen-
reifte, um ihm zu seinem Siege über Pharuaces Glück zu wünschen. Damals
führte er auch die Sache eines Freundes, des Königs Deiotarus, vor Cäsar;
dabei kam die ihm angeborne Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit so sehr zum
Ausdruck, daß Cäsar halb verwundert, halb spöttisch äußerte: „Ich weiß uicht
recht, was dieser junge Mann eigentlich will, aber was er will, das will er
sehr." Immerhin war Brutus für Cäsar eine brauchbare Persönlichkeit. Als
Cäsar nach seiner Rückkehr aus Asien in Rom daran ging, sich einen ergebner
Hofadel zu bilden, legte er auf Persönlichkeiten der alten Nobilität ebenso


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[0374] Lin falscher Freiheitsheld des Altertums 12 Prozent erlaubte, womit sich selbst die härtesten Wucherer zufrieden gaben, wenn Brutus sich darüber beklagt, daß einem Geschäftsmanne die Präfektur abgeschlagen worden sei, während ich ein solches Gesuch auch unserm Tor- quatns in der Person seines Lanius und selbst dem Pompejus in der Person des Sextins Statius abgeschlagen und diese Männer von der Nichtigkeit meiner Ansicht überzeugt habe, wenn es Brutus nicht verwinden kam?, daß die Reiter aus Salamis abziehen mußten, nnn so wird es mir zwar wehe thun, daß er mir zürnt, aber noch weit schmerzlicher wird mir der Gedanke sein, daß Brutus nicht der Ehrenmann ist, für den ich ihn gehalten habe." Unterdessen bereitete sich der Bürgerkrieg zwischen Cäsar und Pompeius vor. Brutus stand im sechsuuddreißigsten Jahre seines Lebens; er hatte noch kein Staatsamt bekleidet, sondern sich mit dem Studium der Beredsamkeit und Philosophie in Athen wie in Rom beschäftigt, ohne etwas hervorragendes zu leisten; seine Reden wenigstens galten als matt und langweilig. Äußerlich war er bisher mit den Aristokraten, seinen Standesgenossen, gegangen, aber war er darum ein überzeugungstreuer Republikaner? Sein weiteres Verhalten mag über diese Frage entscheiden. Es hätte ihm eigentlich nicht leicht werden sollen, sich dem Pompeius zu nähern, der mit dem Blute seines Vaters be¬ fleckt war. Aber er meinte wohl, wie die meisten seiner Standesgenossen, daß die Persönlichkeit des Pompeius den Fortbestand des altgewohnten einträglichen Raubbaues in den Provinzen eher verbürge, als die selbständige, den Provinzen freundliche Gesinnung Cäsars, und daß Pompeius auch gegründetere Aussicht auf den Sieg habe. Das Exempel erwies sich als falsch. Nachdem er im Beginne des Krieges in Cilicien vermutlich seine Geldgeschäfte abgewickelt hatte, erlebte er bei Pharsalus den schmählichen Zusammenbruch der pompeiauischen Streitkräfte. Brutus begriff augenblicklich, daß er falsch gerechnet hatte und beeilte sich, den Irrtum zu verbessern. Noch auf der Flucht bat er den Cäsar brieflich um Begnadigung. Der Sohn der Servilia wurde mit Freuden aufgenommen und dankte für die Gunst zunächst durch Äußerung der Vermutung, daß Pompeins nach Ägypten entflohen sei. Darnach zog sich Brutus entweder nach Griechen¬ land oder nach Italien zurück; hätte er die Republik verteidigen »vollen, so hätte er sich zu seinem Oheim Cato nach Afrika begeben müssen. Dafür huldigte er im Jahre 47 dem Cnsnr von neuem, indem er ihm nach Asien entgegen- reifte, um ihm zu seinem Siege über Pharuaces Glück zu wünschen. Damals führte er auch die Sache eines Freundes, des Königs Deiotarus, vor Cäsar; dabei kam die ihm angeborne Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit so sehr zum Ausdruck, daß Cäsar halb verwundert, halb spöttisch äußerte: „Ich weiß uicht recht, was dieser junge Mann eigentlich will, aber was er will, das will er sehr." Immerhin war Brutus für Cäsar eine brauchbare Persönlichkeit. Als Cäsar nach seiner Rückkehr aus Asien in Rom daran ging, sich einen ergebner Hofadel zu bilden, legte er auf Persönlichkeiten der alten Nobilität ebenso

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/374>, abgerufen am 26.06.2024.