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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Gin falscher Freilieitsheld des Altertums

Zeit Mich in Athen und Rhodus studirte, nicht günstig gewirkt zu haben,
denn seitdem zeigt sich bei ihm ein Laster, das ihn nie wieder freigab, die
Habsucht. Brutus benutzte seinen Aufenthalt in Cypern zur Anknüpfung un¬
würdiger Wuchergeschäfte, die er allerdings zunächst unter dem Namen einiger
Agenten betrieb. Er lieh Geld zu 48 Prozent an die Salmninier; im Jahre
53 begleitete er seineu Schwiegervater, den Prokonsul ApPins Claudius, uach
Cilicien und benutzte auch diese Gelegenheit wieder zum Wucher, indem er dem
von Pompejus ruinirten König Ariobarzanes von Kappadozien Geld vorschoß.

In nähere Beziehungen zu Cicero trat Brutus erst, als dieser im Jahre
51 als Nachfolger des Appius Claudius Cilicien und Cypern als Statthalter
übernahm; eine weitere Ausbeutung der asiatischen Schuldner war nunmehr
mir mit Genehmigung Ciceros möglich. Pomponius Aetius, der Freund beider,
führte sie zusammen. Erst während der Statthalterschaft Ciceros kam es heraus,
in wie unmenschlicher Weise Brutus unter dem Schutze seines Schwiegervaters
im Orient gewirtschaftet hatte. Brutus hatte seine Agenten M. Scnptius und
P. Matinius warm an Cicero empfohlen, dem Cicero aber verheimlicht, daß
deren Geschäfte auf feine, des Brutus, Rechnung betrieben würden. Scaptius
hatte von Brutus' Schwiegervater eine Präfektenstelle und mehrere Schwa¬
dronen Reiter erhalten, mit denen er, als die Zahlungen der Stadt Salamis
auf Cypern nicht prompt eingingen, die unglückliche Stadt besetzte. Der Rat
der Stadt wurde so lange ins Rathaus eingesperrt, bis fünf Ratsherr" Hungers
gestorben waren. Cicero machte diesen Scheußlichkeiten sofort ein Ende, indem
er dem Scaptius die Präfektur entzog und die Reiter nach Cilicien komman-
dirte. Außerdem beschränkte er durch ein Gesetz für feine ganze Provinz den
Zinsfuß auf 12 Prozent fürs Jahr. Trotzdem hatte Brutus die Stirn, sich
jetzt als den eigentlichen Wucherer zu demciskireu und die Wiedereinsetzung des
Scaptius in die Präfektur, sowie die Aufrechterhaltung des Zinsfußes von
^8 Prozent zu verlangen. Alle Versuche des Cicero zu einem Vergleiche mit
den Salaminiern auf der Basis von 12 Prozent mit Zinseszins wurden von
den Geschäftsträgern des Brutus, die auf einen neuen, gefügigem Statthalter
warteten, abgewiesen. Ebensowenig konnte Cicero die Ansprüche des Brutus
an den König Ariobarzanes befriedigen, der durch die Aussaugung der Römer
bettelarm geworden war. Unzählige Prokuratoren des Pompejus umkreisten
ehr wie die Ratten; und doch hatte Pompejus großartig auf die Wieder¬
erlangung des Kapitals verzichtet, er begnügte sich, wenn der König durch
außerordentliche Vrandschatzung der wohlhabenderen Bürger so viel zusammen¬
brachte, daß er ihm einen Monatszins von 150000 Mark pünktlich entrichtete.
Cicero befürchtete nach seinem humanen Eintreten sür die Schuldner des Brutus
nicht ohne Grund den Unwillen seines jungen Freundes, er schreibt an Atticus:
"Wenn Brutus glaubt, daß ich ihm 43 Prozent zu nehmen hätte gestatten
sollen, während ich doch in der ganzen Provinz gemäß meinem Edikte nur


Gin falscher Freilieitsheld des Altertums

Zeit Mich in Athen und Rhodus studirte, nicht günstig gewirkt zu haben,
denn seitdem zeigt sich bei ihm ein Laster, das ihn nie wieder freigab, die
Habsucht. Brutus benutzte seinen Aufenthalt in Cypern zur Anknüpfung un¬
würdiger Wuchergeschäfte, die er allerdings zunächst unter dem Namen einiger
Agenten betrieb. Er lieh Geld zu 48 Prozent an die Salmninier; im Jahre
53 begleitete er seineu Schwiegervater, den Prokonsul ApPins Claudius, uach
Cilicien und benutzte auch diese Gelegenheit wieder zum Wucher, indem er dem
von Pompejus ruinirten König Ariobarzanes von Kappadozien Geld vorschoß.

In nähere Beziehungen zu Cicero trat Brutus erst, als dieser im Jahre
51 als Nachfolger des Appius Claudius Cilicien und Cypern als Statthalter
übernahm; eine weitere Ausbeutung der asiatischen Schuldner war nunmehr
mir mit Genehmigung Ciceros möglich. Pomponius Aetius, der Freund beider,
führte sie zusammen. Erst während der Statthalterschaft Ciceros kam es heraus,
in wie unmenschlicher Weise Brutus unter dem Schutze seines Schwiegervaters
im Orient gewirtschaftet hatte. Brutus hatte seine Agenten M. Scnptius und
P. Matinius warm an Cicero empfohlen, dem Cicero aber verheimlicht, daß
deren Geschäfte auf feine, des Brutus, Rechnung betrieben würden. Scaptius
hatte von Brutus' Schwiegervater eine Präfektenstelle und mehrere Schwa¬
dronen Reiter erhalten, mit denen er, als die Zahlungen der Stadt Salamis
auf Cypern nicht prompt eingingen, die unglückliche Stadt besetzte. Der Rat
der Stadt wurde so lange ins Rathaus eingesperrt, bis fünf Ratsherr» Hungers
gestorben waren. Cicero machte diesen Scheußlichkeiten sofort ein Ende, indem
er dem Scaptius die Präfektur entzog und die Reiter nach Cilicien komman-
dirte. Außerdem beschränkte er durch ein Gesetz für feine ganze Provinz den
Zinsfuß auf 12 Prozent fürs Jahr. Trotzdem hatte Brutus die Stirn, sich
jetzt als den eigentlichen Wucherer zu demciskireu und die Wiedereinsetzung des
Scaptius in die Präfektur, sowie die Aufrechterhaltung des Zinsfußes von
^8 Prozent zu verlangen. Alle Versuche des Cicero zu einem Vergleiche mit
den Salaminiern auf der Basis von 12 Prozent mit Zinseszins wurden von
den Geschäftsträgern des Brutus, die auf einen neuen, gefügigem Statthalter
warteten, abgewiesen. Ebensowenig konnte Cicero die Ansprüche des Brutus
an den König Ariobarzanes befriedigen, der durch die Aussaugung der Römer
bettelarm geworden war. Unzählige Prokuratoren des Pompejus umkreisten
ehr wie die Ratten; und doch hatte Pompejus großartig auf die Wieder¬
erlangung des Kapitals verzichtet, er begnügte sich, wenn der König durch
außerordentliche Vrandschatzung der wohlhabenderen Bürger so viel zusammen¬
brachte, daß er ihm einen Monatszins von 150000 Mark pünktlich entrichtete.
Cicero befürchtete nach seinem humanen Eintreten sür die Schuldner des Brutus
nicht ohne Grund den Unwillen seines jungen Freundes, er schreibt an Atticus:
"Wenn Brutus glaubt, daß ich ihm 43 Prozent zu nehmen hätte gestatten
sollen, während ich doch in der ganzen Provinz gemäß meinem Edikte nur


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[0373] Gin falscher Freilieitsheld des Altertums Zeit Mich in Athen und Rhodus studirte, nicht günstig gewirkt zu haben, denn seitdem zeigt sich bei ihm ein Laster, das ihn nie wieder freigab, die Habsucht. Brutus benutzte seinen Aufenthalt in Cypern zur Anknüpfung un¬ würdiger Wuchergeschäfte, die er allerdings zunächst unter dem Namen einiger Agenten betrieb. Er lieh Geld zu 48 Prozent an die Salmninier; im Jahre 53 begleitete er seineu Schwiegervater, den Prokonsul ApPins Claudius, uach Cilicien und benutzte auch diese Gelegenheit wieder zum Wucher, indem er dem von Pompejus ruinirten König Ariobarzanes von Kappadozien Geld vorschoß. In nähere Beziehungen zu Cicero trat Brutus erst, als dieser im Jahre 51 als Nachfolger des Appius Claudius Cilicien und Cypern als Statthalter übernahm; eine weitere Ausbeutung der asiatischen Schuldner war nunmehr mir mit Genehmigung Ciceros möglich. Pomponius Aetius, der Freund beider, führte sie zusammen. Erst während der Statthalterschaft Ciceros kam es heraus, in wie unmenschlicher Weise Brutus unter dem Schutze seines Schwiegervaters im Orient gewirtschaftet hatte. Brutus hatte seine Agenten M. Scnptius und P. Matinius warm an Cicero empfohlen, dem Cicero aber verheimlicht, daß deren Geschäfte auf feine, des Brutus, Rechnung betrieben würden. Scaptius hatte von Brutus' Schwiegervater eine Präfektenstelle und mehrere Schwa¬ dronen Reiter erhalten, mit denen er, als die Zahlungen der Stadt Salamis auf Cypern nicht prompt eingingen, die unglückliche Stadt besetzte. Der Rat der Stadt wurde so lange ins Rathaus eingesperrt, bis fünf Ratsherr» Hungers gestorben waren. Cicero machte diesen Scheußlichkeiten sofort ein Ende, indem er dem Scaptius die Präfektur entzog und die Reiter nach Cilicien komman- dirte. Außerdem beschränkte er durch ein Gesetz für feine ganze Provinz den Zinsfuß auf 12 Prozent fürs Jahr. Trotzdem hatte Brutus die Stirn, sich jetzt als den eigentlichen Wucherer zu demciskireu und die Wiedereinsetzung des Scaptius in die Präfektur, sowie die Aufrechterhaltung des Zinsfußes von ^8 Prozent zu verlangen. Alle Versuche des Cicero zu einem Vergleiche mit den Salaminiern auf der Basis von 12 Prozent mit Zinseszins wurden von den Geschäftsträgern des Brutus, die auf einen neuen, gefügigem Statthalter warteten, abgewiesen. Ebensowenig konnte Cicero die Ansprüche des Brutus an den König Ariobarzanes befriedigen, der durch die Aussaugung der Römer bettelarm geworden war. Unzählige Prokuratoren des Pompejus umkreisten ehr wie die Ratten; und doch hatte Pompejus großartig auf die Wieder¬ erlangung des Kapitals verzichtet, er begnügte sich, wenn der König durch außerordentliche Vrandschatzung der wohlhabenderen Bürger so viel zusammen¬ brachte, daß er ihm einen Monatszins von 150000 Mark pünktlich entrichtete. Cicero befürchtete nach seinem humanen Eintreten sür die Schuldner des Brutus nicht ohne Grund den Unwillen seines jungen Freundes, er schreibt an Atticus: "Wenn Brutus glaubt, daß ich ihm 43 Prozent zu nehmen hätte gestatten sollen, während ich doch in der ganzen Provinz gemäß meinem Edikte nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/373>, abgerufen am 26.06.2024.