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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Ein falscher Freiheitsheld des Altertums

plebejischen Ursprungs, betrachtete sich aber, da die patrizischen ^ani ZZruti
längst ausgestorben waren, als die Erben ihres Ruhmes. Seit alter Zeit ge¬
hörten die plebejischen Lruti zum Amtsadel; schon 325 v. Chr. war ein D.
Junius Brutus Scaeva Konsul. M. Junius Brutus, der Vater des Cäsar-
mörders, war an den Unruhen beteiligt, die den Umsturz der Einrichtungen
Sullas bezweckten. Pompejus zwang ihn zur Kapitulation, ließ ihn aber dann
gegen sein gegebenes Wort hinrichten (77 v. Chr.). Der Sohn des Hingerich¬
teten, unser M. Brutus, war damals ein Knabe von acht Jahren. Seine
Mutter war Servilia. Als ihr Ahnherr galt jener C. Servilius Ahala, der
489 v. Chr. uach der aristokratischen Legende durch Ermordung des nach der
Tyrannei strebenden Spurius Maelius die Republik gerettet hatte. Servilia
blieb nicht lange im Witwenstaude; sie heiratete den Junius Silanus, dem
sie zwei Töchter gebar. In dieser Zeit war sie aber auch eine Mätresse Cäsars,
der besonders durch ihren Geist gefesselt wurde. Die republikanische Legende
wollte wissen, daß M. Vrntus Cäsars Sohn"') gewesen sei; das ist schon
ans dem Grunde unwahrscheinlich, weil Cäsar mir 15 Jahre älter war als
Brutus; die republikanische Legende aber brauchte diese Vaterschaft, mir Brutus
als Vatermörder um der Freiheit willen erscheinen zu lassen, gewissermaßen als
Gegenstück zu dem Todesurteil seines Ahnherrn, des ersten Konsuls der Republik,
über die eignen Söhne. Die ältere der Stiefschwestern des Brutus war mit
dem spätern Triumvirn Lepidus verheiratet, galt jedoch keineswegs als eine
treue Gattin; wenigstens fand sich während Ciceros Statthalterschaft in Ci-
licien ihr Bild unter den Sachen eines bekannten Wüstlings, und Cicero ge¬
stattete sich den Witz, daß sie einen "Dummkopf" (wullt") zum Bruder und
eiuen "Gefälligeil" (loxiäus) zum Gemahl habe. Die andre Stiefschwester war
mit dem spätern Cäsarmörder Cassius verheiratet, doch beschuldigte mau ihre
Mutter Servilia, sie habe diese Tochter zuvor dem Cäsar zugeführt, um ihn
an die Familie zu fesseln. Auch verschmähte Servilia nicht, sich im Bürger¬
kriege durch Cäsars Gnade mit eingezogenen Gütern der Pompejaner zu be¬
reichern.

Der junge M. Brutus (geb. L5 v. Chr.) tritt zum erstenmale hervor bei
einer wohl von Cäsar erdichteten Verschwörung gegen Pompejus (59 v. Chr.);
doch wurde sein Name auf Cäsars Veranstaltung, wie Cicero spöttisch sagt,
"nach einer Nacht und nächtlichen Fürsprache der Servilia" vom Ankläger
feierlich zurückgenommen, und dieser am nächsten Morgen tot im Kerker ge¬
funden. Im folgenden Jahre begleitete er seineu Oheim Cato uach Cyperii
und wohnte der Einheimsung des Schatzes des Königs Ptolemäus für die
Römer bei. Der Anblick des massenhaften Goldes und wohl mehr noch der
mütterliche Einfluß scheint auf den angehenden Philosophen, der um diese



Dieses Verhältnis wird auch angedeutet in den Worten: ^"l <?6, ^--"^ (Auch du,
mein Sohn!), die der sterbende Cäsar ausgerufen haben soll.
Ein falscher Freiheitsheld des Altertums

plebejischen Ursprungs, betrachtete sich aber, da die patrizischen ^ani ZZruti
längst ausgestorben waren, als die Erben ihres Ruhmes. Seit alter Zeit ge¬
hörten die plebejischen Lruti zum Amtsadel; schon 325 v. Chr. war ein D.
Junius Brutus Scaeva Konsul. M. Junius Brutus, der Vater des Cäsar-
mörders, war an den Unruhen beteiligt, die den Umsturz der Einrichtungen
Sullas bezweckten. Pompejus zwang ihn zur Kapitulation, ließ ihn aber dann
gegen sein gegebenes Wort hinrichten (77 v. Chr.). Der Sohn des Hingerich¬
teten, unser M. Brutus, war damals ein Knabe von acht Jahren. Seine
Mutter war Servilia. Als ihr Ahnherr galt jener C. Servilius Ahala, der
489 v. Chr. uach der aristokratischen Legende durch Ermordung des nach der
Tyrannei strebenden Spurius Maelius die Republik gerettet hatte. Servilia
blieb nicht lange im Witwenstaude; sie heiratete den Junius Silanus, dem
sie zwei Töchter gebar. In dieser Zeit war sie aber auch eine Mätresse Cäsars,
der besonders durch ihren Geist gefesselt wurde. Die republikanische Legende
wollte wissen, daß M. Vrntus Cäsars Sohn"') gewesen sei; das ist schon
ans dem Grunde unwahrscheinlich, weil Cäsar mir 15 Jahre älter war als
Brutus; die republikanische Legende aber brauchte diese Vaterschaft, mir Brutus
als Vatermörder um der Freiheit willen erscheinen zu lassen, gewissermaßen als
Gegenstück zu dem Todesurteil seines Ahnherrn, des ersten Konsuls der Republik,
über die eignen Söhne. Die ältere der Stiefschwestern des Brutus war mit
dem spätern Triumvirn Lepidus verheiratet, galt jedoch keineswegs als eine
treue Gattin; wenigstens fand sich während Ciceros Statthalterschaft in Ci-
licien ihr Bild unter den Sachen eines bekannten Wüstlings, und Cicero ge¬
stattete sich den Witz, daß sie einen „Dummkopf" (wullt«) zum Bruder und
eiuen „Gefälligeil" (loxiäus) zum Gemahl habe. Die andre Stiefschwester war
mit dem spätern Cäsarmörder Cassius verheiratet, doch beschuldigte mau ihre
Mutter Servilia, sie habe diese Tochter zuvor dem Cäsar zugeführt, um ihn
an die Familie zu fesseln. Auch verschmähte Servilia nicht, sich im Bürger¬
kriege durch Cäsars Gnade mit eingezogenen Gütern der Pompejaner zu be¬
reichern.

Der junge M. Brutus (geb. L5 v. Chr.) tritt zum erstenmale hervor bei
einer wohl von Cäsar erdichteten Verschwörung gegen Pompejus (59 v. Chr.);
doch wurde sein Name auf Cäsars Veranstaltung, wie Cicero spöttisch sagt,
„nach einer Nacht und nächtlichen Fürsprache der Servilia" vom Ankläger
feierlich zurückgenommen, und dieser am nächsten Morgen tot im Kerker ge¬
funden. Im folgenden Jahre begleitete er seineu Oheim Cato uach Cyperii
und wohnte der Einheimsung des Schatzes des Königs Ptolemäus für die
Römer bei. Der Anblick des massenhaften Goldes und wohl mehr noch der
mütterliche Einfluß scheint auf den angehenden Philosophen, der um diese



Dieses Verhältnis wird auch angedeutet in den Worten: ^«l <?6, ^--»^ (Auch du,
mein Sohn!), die der sterbende Cäsar ausgerufen haben soll.
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[0372] Ein falscher Freiheitsheld des Altertums plebejischen Ursprungs, betrachtete sich aber, da die patrizischen ^ani ZZruti längst ausgestorben waren, als die Erben ihres Ruhmes. Seit alter Zeit ge¬ hörten die plebejischen Lruti zum Amtsadel; schon 325 v. Chr. war ein D. Junius Brutus Scaeva Konsul. M. Junius Brutus, der Vater des Cäsar- mörders, war an den Unruhen beteiligt, die den Umsturz der Einrichtungen Sullas bezweckten. Pompejus zwang ihn zur Kapitulation, ließ ihn aber dann gegen sein gegebenes Wort hinrichten (77 v. Chr.). Der Sohn des Hingerich¬ teten, unser M. Brutus, war damals ein Knabe von acht Jahren. Seine Mutter war Servilia. Als ihr Ahnherr galt jener C. Servilius Ahala, der 489 v. Chr. uach der aristokratischen Legende durch Ermordung des nach der Tyrannei strebenden Spurius Maelius die Republik gerettet hatte. Servilia blieb nicht lange im Witwenstaude; sie heiratete den Junius Silanus, dem sie zwei Töchter gebar. In dieser Zeit war sie aber auch eine Mätresse Cäsars, der besonders durch ihren Geist gefesselt wurde. Die republikanische Legende wollte wissen, daß M. Vrntus Cäsars Sohn"') gewesen sei; das ist schon ans dem Grunde unwahrscheinlich, weil Cäsar mir 15 Jahre älter war als Brutus; die republikanische Legende aber brauchte diese Vaterschaft, mir Brutus als Vatermörder um der Freiheit willen erscheinen zu lassen, gewissermaßen als Gegenstück zu dem Todesurteil seines Ahnherrn, des ersten Konsuls der Republik, über die eignen Söhne. Die ältere der Stiefschwestern des Brutus war mit dem spätern Triumvirn Lepidus verheiratet, galt jedoch keineswegs als eine treue Gattin; wenigstens fand sich während Ciceros Statthalterschaft in Ci- licien ihr Bild unter den Sachen eines bekannten Wüstlings, und Cicero ge¬ stattete sich den Witz, daß sie einen „Dummkopf" (wullt«) zum Bruder und eiuen „Gefälligeil" (loxiäus) zum Gemahl habe. Die andre Stiefschwester war mit dem spätern Cäsarmörder Cassius verheiratet, doch beschuldigte mau ihre Mutter Servilia, sie habe diese Tochter zuvor dem Cäsar zugeführt, um ihn an die Familie zu fesseln. Auch verschmähte Servilia nicht, sich im Bürger¬ kriege durch Cäsars Gnade mit eingezogenen Gütern der Pompejaner zu be¬ reichern. Der junge M. Brutus (geb. L5 v. Chr.) tritt zum erstenmale hervor bei einer wohl von Cäsar erdichteten Verschwörung gegen Pompejus (59 v. Chr.); doch wurde sein Name auf Cäsars Veranstaltung, wie Cicero spöttisch sagt, „nach einer Nacht und nächtlichen Fürsprache der Servilia" vom Ankläger feierlich zurückgenommen, und dieser am nächsten Morgen tot im Kerker ge¬ funden. Im folgenden Jahre begleitete er seineu Oheim Cato uach Cyperii und wohnte der Einheimsung des Schatzes des Königs Ptolemäus für die Römer bei. Der Anblick des massenhaften Goldes und wohl mehr noch der mütterliche Einfluß scheint auf den angehenden Philosophen, der um diese Dieses Verhältnis wird auch angedeutet in den Worten: ^«l <?6, ^--»^ (Auch du, mein Sohn!), die der sterbende Cäsar ausgerufen haben soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/372>, abgerufen am 26.06.2024.