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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Der Geheimmittelschwindel

Das öffentliche Unkundigen oder Anpreisen der Geheimmittel oder Arznei¬
mittel überhaupt sollte nun für den Groß- und Kleinhandel verboten werden.
Der Großhändler kann dnrch Cirkulare genügende Kenntnis von den: durch
ihn zum Verkauf gebrachten Mittel geben, da er dies ja nur gegenüber Fach-
genossen zu thun braucht, deren Namen er aus jedem geschäftlichen Adreßkalender
erfahren kann. Der Apotheker aber, dem ich, wie ich gleich darlegen werde, den
alleinigen Verkauf solcher Mittel überlassen will, genießt sein Privileg und bedarf
deshalb nicht der Reklame, wie auch z. B. die Anwaltskammern dem gleich¬
falls privilegirten Rechtsanwalt das Neklamemnchen mit Recht untersagen. Der
Apotheker hat Gelegenheit genug, seine Mittel dem Publikum gelegentlich bekannt
zu mache"; er kaun auch den Ärzten Mitteilung davon machen und sicher sein,
daß, wenn das Mittel gut ist, diese es ihren Patienten empfehlen werden;
nachteilige oder unwirksame Mittel aber braucht kein Apotheker zu führen.
Daß man die Besprechung neuentdeckter Mittel in Fachzeitschriften nicht ver¬
hindern will, bedarf keiner Bemerkung.

Die nötige staatliche Kontrolle über den Geheim- oder Arzueimittelverkehr
aber wünsche ich dadurch hergestellt zu scheu, daß nur den Apothekern, d. h.
den Inhabern der für den Arzneimittelverkehr bestimmten Geschäfte, nicht auch
den Droguisten und Materialisten, deren Geschäfte ganz andern Zwecken dienen,
gestattet sei, Geheim- oder Arzneimittel im Handverkauf abzugeben. Hier kann
dann jeder sein Geheimmittel erhalten, und insofern ist der Handel damit frei¬
gegeben; anderseits aber findet eine staatliche Aufsicht des fraglichen Handels bei
der regelmäßigen Besichtigung der Apotheken durch den Regierungs-Medizinal-
Beamten statt, wie auch dessen Besichtigung der Droguengeschäfte den Beweis
erbringen würde, ob dort das Verbot, Heilmittel zu führen, beachtet werde.

Was den Gegenstand des Handels anlangt, so muß nicht der Handel mit
Geheimmitteln, sondern überhaupt mit allen Mitteln, die, wie sich die Polizei-
verordnuug der Regierung zu Düsseldorf treffend ausdrückt, als Heilmittel
gegen Krankheiten und Körperschndeu von Menschen und Tieren dienen sollen,
verboten werden. Damit wird die Frage: Was ist ein Geheimmittel? um¬
gangen und der Schwerpunkt auf den Zweck, dem das Mittel dienen soll,
gelegt. Durch die vorgeschlagene Fassung umgeht man ferner die Schwierigkeit,
ein langes, dem Gedächtnis entschwindendes Verzeichnis der einzelnen, den
Apotheken vorbehaltenen Mittel ausstellen zu müssen, insofern diesen der Hand¬
verkauf aller Mittel, die zur Heilung von Krankheiten und Körperschäden
dienen sollen, vorbehalten bleibt. Man erreicht damit auch eine möglichst voll¬
ständige Abgrenzung des Gebietes zwischen Heilmitteln einerseits und kos¬
metischen oder Genußmitteln anderseits, da neben den Mitteln gegen Krank¬
heiten auch die gegen Körperschüden erwähnt sind, und kann es getrost der
Rechtsprechung überlassen, die hierdurch im allgemeinen angegebenen Grenz¬
linien auf allen einzelnen Punkten festzustellen. Es braucht nicht bemerkt zu


Der Geheimmittelschwindel

Das öffentliche Unkundigen oder Anpreisen der Geheimmittel oder Arznei¬
mittel überhaupt sollte nun für den Groß- und Kleinhandel verboten werden.
Der Großhändler kann dnrch Cirkulare genügende Kenntnis von den: durch
ihn zum Verkauf gebrachten Mittel geben, da er dies ja nur gegenüber Fach-
genossen zu thun braucht, deren Namen er aus jedem geschäftlichen Adreßkalender
erfahren kann. Der Apotheker aber, dem ich, wie ich gleich darlegen werde, den
alleinigen Verkauf solcher Mittel überlassen will, genießt sein Privileg und bedarf
deshalb nicht der Reklame, wie auch z. B. die Anwaltskammern dem gleich¬
falls privilegirten Rechtsanwalt das Neklamemnchen mit Recht untersagen. Der
Apotheker hat Gelegenheit genug, seine Mittel dem Publikum gelegentlich bekannt
zu mache«; er kaun auch den Ärzten Mitteilung davon machen und sicher sein,
daß, wenn das Mittel gut ist, diese es ihren Patienten empfehlen werden;
nachteilige oder unwirksame Mittel aber braucht kein Apotheker zu führen.
Daß man die Besprechung neuentdeckter Mittel in Fachzeitschriften nicht ver¬
hindern will, bedarf keiner Bemerkung.

Die nötige staatliche Kontrolle über den Geheim- oder Arzueimittelverkehr
aber wünsche ich dadurch hergestellt zu scheu, daß nur den Apothekern, d. h.
den Inhabern der für den Arzneimittelverkehr bestimmten Geschäfte, nicht auch
den Droguisten und Materialisten, deren Geschäfte ganz andern Zwecken dienen,
gestattet sei, Geheim- oder Arzneimittel im Handverkauf abzugeben. Hier kann
dann jeder sein Geheimmittel erhalten, und insofern ist der Handel damit frei¬
gegeben; anderseits aber findet eine staatliche Aufsicht des fraglichen Handels bei
der regelmäßigen Besichtigung der Apotheken durch den Regierungs-Medizinal-
Beamten statt, wie auch dessen Besichtigung der Droguengeschäfte den Beweis
erbringen würde, ob dort das Verbot, Heilmittel zu führen, beachtet werde.

Was den Gegenstand des Handels anlangt, so muß nicht der Handel mit
Geheimmitteln, sondern überhaupt mit allen Mitteln, die, wie sich die Polizei-
verordnuug der Regierung zu Düsseldorf treffend ausdrückt, als Heilmittel
gegen Krankheiten und Körperschndeu von Menschen und Tieren dienen sollen,
verboten werden. Damit wird die Frage: Was ist ein Geheimmittel? um¬
gangen und der Schwerpunkt auf den Zweck, dem das Mittel dienen soll,
gelegt. Durch die vorgeschlagene Fassung umgeht man ferner die Schwierigkeit,
ein langes, dem Gedächtnis entschwindendes Verzeichnis der einzelnen, den
Apotheken vorbehaltenen Mittel ausstellen zu müssen, insofern diesen der Hand¬
verkauf aller Mittel, die zur Heilung von Krankheiten und Körperschäden
dienen sollen, vorbehalten bleibt. Man erreicht damit auch eine möglichst voll¬
ständige Abgrenzung des Gebietes zwischen Heilmitteln einerseits und kos¬
metischen oder Genußmitteln anderseits, da neben den Mitteln gegen Krank¬
heiten auch die gegen Körperschüden erwähnt sind, und kann es getrost der
Rechtsprechung überlassen, die hierdurch im allgemeinen angegebenen Grenz¬
linien auf allen einzelnen Punkten festzustellen. Es braucht nicht bemerkt zu


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[0368] Der Geheimmittelschwindel Das öffentliche Unkundigen oder Anpreisen der Geheimmittel oder Arznei¬ mittel überhaupt sollte nun für den Groß- und Kleinhandel verboten werden. Der Großhändler kann dnrch Cirkulare genügende Kenntnis von den: durch ihn zum Verkauf gebrachten Mittel geben, da er dies ja nur gegenüber Fach- genossen zu thun braucht, deren Namen er aus jedem geschäftlichen Adreßkalender erfahren kann. Der Apotheker aber, dem ich, wie ich gleich darlegen werde, den alleinigen Verkauf solcher Mittel überlassen will, genießt sein Privileg und bedarf deshalb nicht der Reklame, wie auch z. B. die Anwaltskammern dem gleich¬ falls privilegirten Rechtsanwalt das Neklamemnchen mit Recht untersagen. Der Apotheker hat Gelegenheit genug, seine Mittel dem Publikum gelegentlich bekannt zu mache«; er kaun auch den Ärzten Mitteilung davon machen und sicher sein, daß, wenn das Mittel gut ist, diese es ihren Patienten empfehlen werden; nachteilige oder unwirksame Mittel aber braucht kein Apotheker zu führen. Daß man die Besprechung neuentdeckter Mittel in Fachzeitschriften nicht ver¬ hindern will, bedarf keiner Bemerkung. Die nötige staatliche Kontrolle über den Geheim- oder Arzueimittelverkehr aber wünsche ich dadurch hergestellt zu scheu, daß nur den Apothekern, d. h. den Inhabern der für den Arzneimittelverkehr bestimmten Geschäfte, nicht auch den Droguisten und Materialisten, deren Geschäfte ganz andern Zwecken dienen, gestattet sei, Geheim- oder Arzneimittel im Handverkauf abzugeben. Hier kann dann jeder sein Geheimmittel erhalten, und insofern ist der Handel damit frei¬ gegeben; anderseits aber findet eine staatliche Aufsicht des fraglichen Handels bei der regelmäßigen Besichtigung der Apotheken durch den Regierungs-Medizinal- Beamten statt, wie auch dessen Besichtigung der Droguengeschäfte den Beweis erbringen würde, ob dort das Verbot, Heilmittel zu führen, beachtet werde. Was den Gegenstand des Handels anlangt, so muß nicht der Handel mit Geheimmitteln, sondern überhaupt mit allen Mitteln, die, wie sich die Polizei- verordnuug der Regierung zu Düsseldorf treffend ausdrückt, als Heilmittel gegen Krankheiten und Körperschndeu von Menschen und Tieren dienen sollen, verboten werden. Damit wird die Frage: Was ist ein Geheimmittel? um¬ gangen und der Schwerpunkt auf den Zweck, dem das Mittel dienen soll, gelegt. Durch die vorgeschlagene Fassung umgeht man ferner die Schwierigkeit, ein langes, dem Gedächtnis entschwindendes Verzeichnis der einzelnen, den Apotheken vorbehaltenen Mittel ausstellen zu müssen, insofern diesen der Hand¬ verkauf aller Mittel, die zur Heilung von Krankheiten und Körperschäden dienen sollen, vorbehalten bleibt. Man erreicht damit auch eine möglichst voll¬ ständige Abgrenzung des Gebietes zwischen Heilmitteln einerseits und kos¬ metischen oder Genußmitteln anderseits, da neben den Mitteln gegen Krank¬ heiten auch die gegen Körperschüden erwähnt sind, und kann es getrost der Rechtsprechung überlassen, die hierdurch im allgemeinen angegebenen Grenz¬ linien auf allen einzelnen Punkten festzustellen. Es braucht nicht bemerkt zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/368>, abgerufen am 26.06.2024.