Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Geheimmittelschwindel

Werden, dnß hier mir die Mittel gemeint sind, die ausdrücklich als Heilmittel
verkauft werden, nicht Mittel, die zu den verschiedensten Zwecken dienen
können, nebenbei aber auch bei körperlichem Übelbesindeu gebraucht werden,
wie z. B, Sodawasser; denn sonst müßte mau schließlich einen guten Rot¬
wein, den man gegen einen schwachen Magen trinkt, oder einen guten Rum
u> tgi. zu den Heilmitteln rechnen, was niemand einfallen wird. Ich gebe
zu, daß hiernach z. B. englisches Pflaster, Pfeffermünzküchel, Mineralwasser
und daraus gefertigte Pastillen dein freien Verkehr entzogen werden müßten,
ich wurde aber in diesem Umstände kein Bedenken finden, das dem jetzigen
ganz unhaltbaren Zustande gegenüber von Bedeutung wäre, es ließe sich ja
vielleicht entsprechend der kaiserlichen Verordnung vom 9. Februar 1880 etwa
für die Mineralwässer eine Ausnahme macheu. Darin, ob die Mittel
arzneilich wirksam seien oder nicht, darf ein Unterschied nicht gemacht werden,
wie es ja auch die kaiserliche Verordnung vom 4. Januar 1875 nicht thut, da
der Verkauf unwirksamer Mittel sich nur als Schwindel darstellt und gar keine
Rücksicht verdient.

Drei Beschränkungen sind aber außer dem schon erwähnten Verbot der
Ankündigung oder Anpreisung auch uoch dem Apotheker bezüglich des Handels
mit Geheimmitteln aufzuerlegen. Zunächst muß es ihm untersagt sein, Mittel
W verkaufen, deren Zusammensetzung er selbst nicht kennt. Wenn der Verkauf
aller Arzneimittel auf die Apotheken beschränkt bleibt, so liegt kein Grund vor,
dem Apotheker nicht wenigstens die Zusammensetzung des Mittels bekannt zu
'Nachen, da jeder Erfinder sich sein neues Mittel Patentiren lassen kann, nur
sich vor unerlaubter Ausbeutung zu schützen. Ein Mittel gegen Krankheiten,
aussen Zusammensetznna, und sonnt dessen Einwirkung auf den Körper man
kunst kennt, an Leidende abzugeben, ist ein unter keinen Umständen zu dulden¬
der Mißbrauch. Sodann muß die Beschränkung, daß der Apotheker gewisse
Stoffe nur auf Grund ärztlicher Verordnung abgeben darf, auch auf Geheim-
vnttel, in denen solche Stoffe enthalten sind, ausgedehnt werden. Endlich muß
festgesetzt werden, daß der Apotheker derartige Mittel nur zu den Preisen ver¬
kaufen darf, wie sie entsprechend der Arzneitaxe' zu berechnen sein würden oder,
wenn die Stoffe in der Arzneitaxe nicht erwähnt sind, wie sich deren Preis
nach deu allgemeinen Marktpreisen für den entsprechenden Stoff stellen würde,
aus dem die Mittel zusammengesetzt sind. Darf der Apotheker keine höhern
preise fordern, so kann er auch keine höhern für die Beschaffung solcher Mittel
anlegen, und damit wird dem Erfinder von Geheimmitteln die Möglichkeit
^ntzogm, für wertlose Gegenstände schwindelhafte Preise zu fordern, während
'hur der nach allgemeinen Regeln zukommende Nutzen nicht geschmälert wird.

Hiernach würden etwa folgende Bestimmungen als Ergänzung zum § 6
der Reichsgewerbevrdnung reichsgesetzlich" zu erlassen sein: 1. Stoffe und Zu¬
bereitungen jeder Art, gleichviel ob arzneilich wirffam' oder nicht, die als


GrenzkwUm I 1889 46
Der Geheimmittelschwindel

Werden, dnß hier mir die Mittel gemeint sind, die ausdrücklich als Heilmittel
verkauft werden, nicht Mittel, die zu den verschiedensten Zwecken dienen
können, nebenbei aber auch bei körperlichem Übelbesindeu gebraucht werden,
wie z. B, Sodawasser; denn sonst müßte mau schließlich einen guten Rot¬
wein, den man gegen einen schwachen Magen trinkt, oder einen guten Rum
u> tgi. zu den Heilmitteln rechnen, was niemand einfallen wird. Ich gebe
zu, daß hiernach z. B. englisches Pflaster, Pfeffermünzküchel, Mineralwasser
und daraus gefertigte Pastillen dein freien Verkehr entzogen werden müßten,
ich wurde aber in diesem Umstände kein Bedenken finden, das dem jetzigen
ganz unhaltbaren Zustande gegenüber von Bedeutung wäre, es ließe sich ja
vielleicht entsprechend der kaiserlichen Verordnung vom 9. Februar 1880 etwa
für die Mineralwässer eine Ausnahme macheu. Darin, ob die Mittel
arzneilich wirksam seien oder nicht, darf ein Unterschied nicht gemacht werden,
wie es ja auch die kaiserliche Verordnung vom 4. Januar 1875 nicht thut, da
der Verkauf unwirksamer Mittel sich nur als Schwindel darstellt und gar keine
Rücksicht verdient.

Drei Beschränkungen sind aber außer dem schon erwähnten Verbot der
Ankündigung oder Anpreisung auch uoch dem Apotheker bezüglich des Handels
mit Geheimmitteln aufzuerlegen. Zunächst muß es ihm untersagt sein, Mittel
W verkaufen, deren Zusammensetzung er selbst nicht kennt. Wenn der Verkauf
aller Arzneimittel auf die Apotheken beschränkt bleibt, so liegt kein Grund vor,
dem Apotheker nicht wenigstens die Zusammensetzung des Mittels bekannt zu
'Nachen, da jeder Erfinder sich sein neues Mittel Patentiren lassen kann, nur
sich vor unerlaubter Ausbeutung zu schützen. Ein Mittel gegen Krankheiten,
aussen Zusammensetznna, und sonnt dessen Einwirkung auf den Körper man
kunst kennt, an Leidende abzugeben, ist ein unter keinen Umständen zu dulden¬
der Mißbrauch. Sodann muß die Beschränkung, daß der Apotheker gewisse
Stoffe nur auf Grund ärztlicher Verordnung abgeben darf, auch auf Geheim-
vnttel, in denen solche Stoffe enthalten sind, ausgedehnt werden. Endlich muß
festgesetzt werden, daß der Apotheker derartige Mittel nur zu den Preisen ver¬
kaufen darf, wie sie entsprechend der Arzneitaxe' zu berechnen sein würden oder,
wenn die Stoffe in der Arzneitaxe nicht erwähnt sind, wie sich deren Preis
nach deu allgemeinen Marktpreisen für den entsprechenden Stoff stellen würde,
aus dem die Mittel zusammengesetzt sind. Darf der Apotheker keine höhern
preise fordern, so kann er auch keine höhern für die Beschaffung solcher Mittel
anlegen, und damit wird dem Erfinder von Geheimmitteln die Möglichkeit
^ntzogm, für wertlose Gegenstände schwindelhafte Preise zu fordern, während
'hur der nach allgemeinen Regeln zukommende Nutzen nicht geschmälert wird.

Hiernach würden etwa folgende Bestimmungen als Ergänzung zum § 6
der Reichsgewerbevrdnung reichsgesetzlich" zu erlassen sein: 1. Stoffe und Zu¬
bereitungen jeder Art, gleichviel ob arzneilich wirffam' oder nicht, die als


GrenzkwUm I 1889 46
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204458"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Geheimmittelschwindel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1166" prev="#ID_1165"> Werden, dnß hier mir die Mittel gemeint sind, die ausdrücklich als Heilmittel<lb/>
verkauft werden, nicht Mittel, die zu den verschiedensten Zwecken dienen<lb/>
können, nebenbei aber auch bei körperlichem Übelbesindeu gebraucht werden,<lb/>
wie z. B, Sodawasser; denn sonst müßte mau schließlich einen guten Rot¬<lb/>
wein, den man gegen einen schwachen Magen trinkt, oder einen guten Rum<lb/>
u&gt; tgi. zu den Heilmitteln rechnen, was niemand einfallen wird. Ich gebe<lb/>
zu, daß hiernach z. B. englisches Pflaster, Pfeffermünzküchel, Mineralwasser<lb/>
und daraus gefertigte Pastillen dein freien Verkehr entzogen werden müßten,<lb/>
ich wurde aber in diesem Umstände kein Bedenken finden, das dem jetzigen<lb/>
ganz unhaltbaren Zustande gegenüber von Bedeutung wäre, es ließe sich ja<lb/>
vielleicht entsprechend der kaiserlichen Verordnung vom 9. Februar 1880 etwa<lb/>
für die Mineralwässer eine Ausnahme macheu. Darin, ob die Mittel<lb/>
arzneilich wirksam seien oder nicht, darf ein Unterschied nicht gemacht werden,<lb/>
wie es ja auch die kaiserliche Verordnung vom 4. Januar 1875 nicht thut, da<lb/>
der Verkauf unwirksamer Mittel sich nur als Schwindel darstellt und gar keine<lb/>
Rücksicht verdient.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1167"> Drei Beschränkungen sind aber außer dem schon erwähnten Verbot der<lb/>
Ankündigung oder Anpreisung auch uoch dem Apotheker bezüglich des Handels<lb/>
mit Geheimmitteln aufzuerlegen. Zunächst muß es ihm untersagt sein, Mittel<lb/>
W verkaufen, deren Zusammensetzung er selbst nicht kennt. Wenn der Verkauf<lb/>
aller Arzneimittel auf die Apotheken beschränkt bleibt, so liegt kein Grund vor,<lb/>
dem Apotheker nicht wenigstens die Zusammensetzung des Mittels bekannt zu<lb/>
'Nachen, da jeder Erfinder sich sein neues Mittel Patentiren lassen kann, nur<lb/>
sich vor unerlaubter Ausbeutung zu schützen. Ein Mittel gegen Krankheiten,<lb/>
aussen Zusammensetznna, und sonnt dessen Einwirkung auf den Körper man<lb/>
kunst kennt, an Leidende abzugeben, ist ein unter keinen Umständen zu dulden¬<lb/>
der Mißbrauch. Sodann muß die Beschränkung, daß der Apotheker gewisse<lb/>
Stoffe nur auf Grund ärztlicher Verordnung abgeben darf, auch auf Geheim-<lb/>
vnttel, in denen solche Stoffe enthalten sind, ausgedehnt werden. Endlich muß<lb/>
festgesetzt werden, daß der Apotheker derartige Mittel nur zu den Preisen ver¬<lb/>
kaufen darf, wie sie entsprechend der Arzneitaxe' zu berechnen sein würden oder,<lb/>
wenn die Stoffe in der Arzneitaxe nicht erwähnt sind, wie sich deren Preis<lb/>
nach deu allgemeinen Marktpreisen für den entsprechenden Stoff stellen würde,<lb/>
aus dem die Mittel zusammengesetzt sind. Darf der Apotheker keine höhern<lb/>
preise fordern, so kann er auch keine höhern für die Beschaffung solcher Mittel<lb/>
anlegen, und damit wird dem Erfinder von Geheimmitteln die Möglichkeit<lb/>
^ntzogm, für wertlose Gegenstände schwindelhafte Preise zu fordern, während<lb/>
'hur der nach allgemeinen Regeln zukommende Nutzen nicht geschmälert wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1168" next="#ID_1169"> Hiernach würden etwa folgende Bestimmungen als Ergänzung zum § 6<lb/>
der Reichsgewerbevrdnung reichsgesetzlich" zu erlassen sein: 1. Stoffe und Zu¬<lb/>
bereitungen jeder Art, gleichviel ob arzneilich wirffam' oder nicht, die als</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> GrenzkwUm I 1889 46</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0369] Der Geheimmittelschwindel Werden, dnß hier mir die Mittel gemeint sind, die ausdrücklich als Heilmittel verkauft werden, nicht Mittel, die zu den verschiedensten Zwecken dienen können, nebenbei aber auch bei körperlichem Übelbesindeu gebraucht werden, wie z. B, Sodawasser; denn sonst müßte mau schließlich einen guten Rot¬ wein, den man gegen einen schwachen Magen trinkt, oder einen guten Rum u> tgi. zu den Heilmitteln rechnen, was niemand einfallen wird. Ich gebe zu, daß hiernach z. B. englisches Pflaster, Pfeffermünzküchel, Mineralwasser und daraus gefertigte Pastillen dein freien Verkehr entzogen werden müßten, ich wurde aber in diesem Umstände kein Bedenken finden, das dem jetzigen ganz unhaltbaren Zustande gegenüber von Bedeutung wäre, es ließe sich ja vielleicht entsprechend der kaiserlichen Verordnung vom 9. Februar 1880 etwa für die Mineralwässer eine Ausnahme macheu. Darin, ob die Mittel arzneilich wirksam seien oder nicht, darf ein Unterschied nicht gemacht werden, wie es ja auch die kaiserliche Verordnung vom 4. Januar 1875 nicht thut, da der Verkauf unwirksamer Mittel sich nur als Schwindel darstellt und gar keine Rücksicht verdient. Drei Beschränkungen sind aber außer dem schon erwähnten Verbot der Ankündigung oder Anpreisung auch uoch dem Apotheker bezüglich des Handels mit Geheimmitteln aufzuerlegen. Zunächst muß es ihm untersagt sein, Mittel W verkaufen, deren Zusammensetzung er selbst nicht kennt. Wenn der Verkauf aller Arzneimittel auf die Apotheken beschränkt bleibt, so liegt kein Grund vor, dem Apotheker nicht wenigstens die Zusammensetzung des Mittels bekannt zu 'Nachen, da jeder Erfinder sich sein neues Mittel Patentiren lassen kann, nur sich vor unerlaubter Ausbeutung zu schützen. Ein Mittel gegen Krankheiten, aussen Zusammensetznna, und sonnt dessen Einwirkung auf den Körper man kunst kennt, an Leidende abzugeben, ist ein unter keinen Umständen zu dulden¬ der Mißbrauch. Sodann muß die Beschränkung, daß der Apotheker gewisse Stoffe nur auf Grund ärztlicher Verordnung abgeben darf, auch auf Geheim- vnttel, in denen solche Stoffe enthalten sind, ausgedehnt werden. Endlich muß festgesetzt werden, daß der Apotheker derartige Mittel nur zu den Preisen ver¬ kaufen darf, wie sie entsprechend der Arzneitaxe' zu berechnen sein würden oder, wenn die Stoffe in der Arzneitaxe nicht erwähnt sind, wie sich deren Preis nach deu allgemeinen Marktpreisen für den entsprechenden Stoff stellen würde, aus dem die Mittel zusammengesetzt sind. Darf der Apotheker keine höhern preise fordern, so kann er auch keine höhern für die Beschaffung solcher Mittel anlegen, und damit wird dem Erfinder von Geheimmitteln die Möglichkeit ^ntzogm, für wertlose Gegenstände schwindelhafte Preise zu fordern, während 'hur der nach allgemeinen Regeln zukommende Nutzen nicht geschmälert wird. Hiernach würden etwa folgende Bestimmungen als Ergänzung zum § 6 der Reichsgewerbevrdnung reichsgesetzlich" zu erlassen sein: 1. Stoffe und Zu¬ bereitungen jeder Art, gleichviel ob arzneilich wirffam' oder nicht, die als GrenzkwUm I 1889 46

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/369
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/369>, abgerufen am 26.06.2024.