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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Der Geheimmittolschwmdel

schon oben gezeigt, wie schwer es ist, den Begriff eines Geheimmittels fest¬
zustellen, und ebenso, wie viel Schwierigkeiten sich bei der Beantwortung der
Frage ergeben, ob das betreffende Mittel ein Arzneimittel, ein kosmetisches oder
ein Erfrischnngsmittel sei. Wollte man nun auch jedem, der ein Geheimmittel
in den Handel bringen will, bei schwerer Strafe aufgeben, dies Mittel vorher
bei der zur Prüfung solcher Mittel eingesetzten Behörde einzureichen, so würden
sich doch in sehr zahlreichen Fällen die Anfertiger solcher Mittel mit dem Ein¬
wände schützen können, daß sie nicht geglaubt hätten, ein Heilmittel verkauft
zu haben, sondern nur beabsichtigt hätten, ein kosmetisches oder ein Erfrischuugs-
vder Genußmittel in den Handel zu bringen, und wenn nun mich nachträglich
das Mittel auf das Verzeichnis der verbotenen gesetzt oder vor ihm gewarnt
würde, so wäre der Schaden bereits angerichtet, indem das Mittel bereits ver¬
breitet wäre, ja es würde dazu noch die Benachteiligung der Geschäftsleute
kommen, die das Mittel gutgläubig zum Weiterverkauf übernommen hätten
und nun die angeschaffte Ware nicht verkaufen könnten. Dieser Weg ist also
auch nicht der richtige.

Es wird deshalb weiter empfohlen, den Handel mit Geheimmitteln zwar
frei zu geben, aber eine sehr hohe Steuer darauf zu legen. Dies würde den
Handel zwar etwas erschweren, weiter aber auch nichts bewirken. Wenn man
weiß (und das kann man z. B. als praktischer Polizeimann leicht erfahren),
mit welchem ungeheuern Nutzen der Geheimmittelhandel verbunden ist, daß oft
hundert und mehr Prozent dabei verdient werden, dann weiß man auch, daß,
wenn die Steuer in einer einigermaßen zu verantwortenden Grenze bleibt, diese
dem Verfertiger des Geheimmittels nur den Nutzen etwas verringern würde,
was er durch größern Umsatz auszugleichen versuchen wird, wenn er es nicht
vorzieht, den Preis des Mittels etwas zu erhöhen, was ihm bei der schon be¬
sprochenen Neigung des Publikums zur Anwendung vou Geheimmitteln auch
uicht schwer fallen dürfte. Wer an die Wirkung der Schweizer Pillen glaubt,
giebt für eine Schachtel ebenso gern 1,50 Mark als 1 Mark. Wir werden also
auch auf dies Mittel verzichten müssen.

Das von Ahlgrcen empfohlene Mittel, staatliche Genehmigung und hohe
Steuern zusammen zu verbinden, würde uach meiner bisherigen Darstellung mir
die Schattenseiten beider Versuche vereinigen.

In der Erkenntnis aller dieser Schwierigkeiten hat man das Verzweifln ngs-
mittel vorgeschlagen, den Handel mit Geheimmitteln ganz zu verbieten, was
ja, durchgeführt, die Ruhe des Kirchhofs zur Folge haben würde. Allein ich
habe schon gezeigt, daß ein solches Verbot undurchführbar ist und bei der un¬
zweifelhaft manchen Geheimmitteln beiwohnenden Heilkraft auch sein bedenkliches
haben würde.

Kann man also allen diesen Vorschlügen nicht zustimmen, so muß ein andres
Auskunftsmittel gesucht werden, das die Vorzüge der rudern bietet, ihre Nach-


Der Geheimmittolschwmdel

schon oben gezeigt, wie schwer es ist, den Begriff eines Geheimmittels fest¬
zustellen, und ebenso, wie viel Schwierigkeiten sich bei der Beantwortung der
Frage ergeben, ob das betreffende Mittel ein Arzneimittel, ein kosmetisches oder
ein Erfrischnngsmittel sei. Wollte man nun auch jedem, der ein Geheimmittel
in den Handel bringen will, bei schwerer Strafe aufgeben, dies Mittel vorher
bei der zur Prüfung solcher Mittel eingesetzten Behörde einzureichen, so würden
sich doch in sehr zahlreichen Fällen die Anfertiger solcher Mittel mit dem Ein¬
wände schützen können, daß sie nicht geglaubt hätten, ein Heilmittel verkauft
zu haben, sondern nur beabsichtigt hätten, ein kosmetisches oder ein Erfrischuugs-
vder Genußmittel in den Handel zu bringen, und wenn nun mich nachträglich
das Mittel auf das Verzeichnis der verbotenen gesetzt oder vor ihm gewarnt
würde, so wäre der Schaden bereits angerichtet, indem das Mittel bereits ver¬
breitet wäre, ja es würde dazu noch die Benachteiligung der Geschäftsleute
kommen, die das Mittel gutgläubig zum Weiterverkauf übernommen hätten
und nun die angeschaffte Ware nicht verkaufen könnten. Dieser Weg ist also
auch nicht der richtige.

Es wird deshalb weiter empfohlen, den Handel mit Geheimmitteln zwar
frei zu geben, aber eine sehr hohe Steuer darauf zu legen. Dies würde den
Handel zwar etwas erschweren, weiter aber auch nichts bewirken. Wenn man
weiß (und das kann man z. B. als praktischer Polizeimann leicht erfahren),
mit welchem ungeheuern Nutzen der Geheimmittelhandel verbunden ist, daß oft
hundert und mehr Prozent dabei verdient werden, dann weiß man auch, daß,
wenn die Steuer in einer einigermaßen zu verantwortenden Grenze bleibt, diese
dem Verfertiger des Geheimmittels nur den Nutzen etwas verringern würde,
was er durch größern Umsatz auszugleichen versuchen wird, wenn er es nicht
vorzieht, den Preis des Mittels etwas zu erhöhen, was ihm bei der schon be¬
sprochenen Neigung des Publikums zur Anwendung vou Geheimmitteln auch
uicht schwer fallen dürfte. Wer an die Wirkung der Schweizer Pillen glaubt,
giebt für eine Schachtel ebenso gern 1,50 Mark als 1 Mark. Wir werden also
auch auf dies Mittel verzichten müssen.

Das von Ahlgrcen empfohlene Mittel, staatliche Genehmigung und hohe
Steuern zusammen zu verbinden, würde uach meiner bisherigen Darstellung mir
die Schattenseiten beider Versuche vereinigen.

In der Erkenntnis aller dieser Schwierigkeiten hat man das Verzweifln ngs-
mittel vorgeschlagen, den Handel mit Geheimmitteln ganz zu verbieten, was
ja, durchgeführt, die Ruhe des Kirchhofs zur Folge haben würde. Allein ich
habe schon gezeigt, daß ein solches Verbot undurchführbar ist und bei der un¬
zweifelhaft manchen Geheimmitteln beiwohnenden Heilkraft auch sein bedenkliches
haben würde.

Kann man also allen diesen Vorschlügen nicht zustimmen, so muß ein andres
Auskunftsmittel gesucht werden, das die Vorzüge der rudern bietet, ihre Nach-


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[0366] Der Geheimmittolschwmdel schon oben gezeigt, wie schwer es ist, den Begriff eines Geheimmittels fest¬ zustellen, und ebenso, wie viel Schwierigkeiten sich bei der Beantwortung der Frage ergeben, ob das betreffende Mittel ein Arzneimittel, ein kosmetisches oder ein Erfrischnngsmittel sei. Wollte man nun auch jedem, der ein Geheimmittel in den Handel bringen will, bei schwerer Strafe aufgeben, dies Mittel vorher bei der zur Prüfung solcher Mittel eingesetzten Behörde einzureichen, so würden sich doch in sehr zahlreichen Fällen die Anfertiger solcher Mittel mit dem Ein¬ wände schützen können, daß sie nicht geglaubt hätten, ein Heilmittel verkauft zu haben, sondern nur beabsichtigt hätten, ein kosmetisches oder ein Erfrischuugs- vder Genußmittel in den Handel zu bringen, und wenn nun mich nachträglich das Mittel auf das Verzeichnis der verbotenen gesetzt oder vor ihm gewarnt würde, so wäre der Schaden bereits angerichtet, indem das Mittel bereits ver¬ breitet wäre, ja es würde dazu noch die Benachteiligung der Geschäftsleute kommen, die das Mittel gutgläubig zum Weiterverkauf übernommen hätten und nun die angeschaffte Ware nicht verkaufen könnten. Dieser Weg ist also auch nicht der richtige. Es wird deshalb weiter empfohlen, den Handel mit Geheimmitteln zwar frei zu geben, aber eine sehr hohe Steuer darauf zu legen. Dies würde den Handel zwar etwas erschweren, weiter aber auch nichts bewirken. Wenn man weiß (und das kann man z. B. als praktischer Polizeimann leicht erfahren), mit welchem ungeheuern Nutzen der Geheimmittelhandel verbunden ist, daß oft hundert und mehr Prozent dabei verdient werden, dann weiß man auch, daß, wenn die Steuer in einer einigermaßen zu verantwortenden Grenze bleibt, diese dem Verfertiger des Geheimmittels nur den Nutzen etwas verringern würde, was er durch größern Umsatz auszugleichen versuchen wird, wenn er es nicht vorzieht, den Preis des Mittels etwas zu erhöhen, was ihm bei der schon be¬ sprochenen Neigung des Publikums zur Anwendung vou Geheimmitteln auch uicht schwer fallen dürfte. Wer an die Wirkung der Schweizer Pillen glaubt, giebt für eine Schachtel ebenso gern 1,50 Mark als 1 Mark. Wir werden also auch auf dies Mittel verzichten müssen. Das von Ahlgrcen empfohlene Mittel, staatliche Genehmigung und hohe Steuern zusammen zu verbinden, würde uach meiner bisherigen Darstellung mir die Schattenseiten beider Versuche vereinigen. In der Erkenntnis aller dieser Schwierigkeiten hat man das Verzweifln ngs- mittel vorgeschlagen, den Handel mit Geheimmitteln ganz zu verbieten, was ja, durchgeführt, die Ruhe des Kirchhofs zur Folge haben würde. Allein ich habe schon gezeigt, daß ein solches Verbot undurchführbar ist und bei der un¬ zweifelhaft manchen Geheimmitteln beiwohnenden Heilkraft auch sein bedenkliches haben würde. Kann man also allen diesen Vorschlügen nicht zustimmen, so muß ein andres Auskunftsmittel gesucht werden, das die Vorzüge der rudern bietet, ihre Nach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/366>, abgerufen am 26.06.2024.