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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Der Geheimmittelschwindel

Geheimmittel, bezüglich ein zusammengesetztes Mittel erklärt hat; dies ist aber
einerseits nicht zu verlangen, da die Arbeit nicht im Verhältnis zu dem Erfolg
stünde, und würde anderseits doch nicht zu einem systematischen Gesamtbild
führen, da alle derartige Erscheinungen mehr oder weniger von der subjektiven
Auffassung der zu Rate gezogenen Sachverständigen bezüglich der einzelnen
Fälle abhängen. Alle diese verschiedenen Entscheidungen sind doch von den
Sachverständigen sowohl wie von den Gerichten nach bestem Wissen und
Gewissen abgegeben; da muß eine solche Verschiedenheit wahrlich das Publikum
und die Polizeibehörden mutlos machen.

Haben sich die Polizeibehörde" aber wirklich in dem geschilderten Labyrinth
der verschiedenen Auffassungen zurecht gefunden, so müssen sie doch sehen, daß
sie eigentlich gar nichts damit erzielt haben. Bei der Verschiedenheit der
richterlichen Entscheidungen und mit Rücksicht darauf, daß keine allgemeine
Ordnung der Angelegenheit beliebt ist, ist in dem einen Bezirk erlaubt, was
in dem andern für verboten gilt. Die periodischen Blätter und die Kalender, die
in einem solchen freiern Bezirk erscheinen, können alle die Anzeigen enthalten,
die in den strenger regierten Bezirken verboten sind; sie gehen ungehindert in
diesen letztern ans und ein, und es wird weiter nichts erreicht, als daß sich
die Herausgeber von Blättern in einem solchen strenger regierten Bezirk mit
Recht ärgern, daß ihnen nutzloserweise durch die Entziehung gut bezahlter
Anzeigen eine lohnende Einnahme entzogen wird, und daß das Publikum doch
alles, was man ihm verheimlichen wollte, erfährt und gleichzeitig lernt, über die
hohe Obrigkeit, die so verschiedene Äußerungen ihrer Thätigkeit zu Tage bringt,
die Köpfe zu schütteln. Sodann aber wird ja bestenfalls nur die öffentliche
Anzeige verhindert, nicht aber der Verkauf, der nach § 6 der Neichsgewerbeordnung
nicht verboten werden kann. Ist nun ein Verkäufer einigermaßen geschickt, so
wird er seinen einzelnen Käufern privatim erzählen, welch vortreffliches Mittel
er führe, daß er es leider nicht öffentlich bekannt machen dürfe, weil ihm der
Neid dies verbiete, und eine solche private Empfehlung wirkt mehr als eine
öffentliche Anzeige. Dies thun aber nicht nur Droguiften, Materialisten u. s. w.,
dies kommt leider trotz Ahlgreen, dessen Hochachtung vor dem Stand unsrer
Apotheker ich sonst vollkommen teile, auch bei Apothekern vor; sagen doch selbst
solche, die auf ihre Apothekerehre hohen Wert legen, oft, sie seien unter den
jetzigen Verhältnissen der Konkurrenz halber gezwungen, dies oder jenes Geheim¬
mittel zu führen, mit dessen Verkauf sie sich nur höchst ungern befaßten. Ein
geschickter Droguist kann aber auch das Verbot des Verkaufs zusammengesetzter
Arzneimittel umgehen, wenn er es z. B. macht wie jener, welcher, weil er
Brustthee als Arzneigemisch nicht verkaufen durfte, die einzelnen Bestandteile
desselben abgewogen in besondern Dütchen vorrätig hielt und diese dem Publikum
mit der Anheimgabe verkaufte, sie zu Hause zu mischen und sich auf diese Weise
selbst Brustthee zu bereiten.


Der Geheimmittelschwindel

Geheimmittel, bezüglich ein zusammengesetztes Mittel erklärt hat; dies ist aber
einerseits nicht zu verlangen, da die Arbeit nicht im Verhältnis zu dem Erfolg
stünde, und würde anderseits doch nicht zu einem systematischen Gesamtbild
führen, da alle derartige Erscheinungen mehr oder weniger von der subjektiven
Auffassung der zu Rate gezogenen Sachverständigen bezüglich der einzelnen
Fälle abhängen. Alle diese verschiedenen Entscheidungen sind doch von den
Sachverständigen sowohl wie von den Gerichten nach bestem Wissen und
Gewissen abgegeben; da muß eine solche Verschiedenheit wahrlich das Publikum
und die Polizeibehörden mutlos machen.

Haben sich die Polizeibehörde» aber wirklich in dem geschilderten Labyrinth
der verschiedenen Auffassungen zurecht gefunden, so müssen sie doch sehen, daß
sie eigentlich gar nichts damit erzielt haben. Bei der Verschiedenheit der
richterlichen Entscheidungen und mit Rücksicht darauf, daß keine allgemeine
Ordnung der Angelegenheit beliebt ist, ist in dem einen Bezirk erlaubt, was
in dem andern für verboten gilt. Die periodischen Blätter und die Kalender, die
in einem solchen freiern Bezirk erscheinen, können alle die Anzeigen enthalten,
die in den strenger regierten Bezirken verboten sind; sie gehen ungehindert in
diesen letztern ans und ein, und es wird weiter nichts erreicht, als daß sich
die Herausgeber von Blättern in einem solchen strenger regierten Bezirk mit
Recht ärgern, daß ihnen nutzloserweise durch die Entziehung gut bezahlter
Anzeigen eine lohnende Einnahme entzogen wird, und daß das Publikum doch
alles, was man ihm verheimlichen wollte, erfährt und gleichzeitig lernt, über die
hohe Obrigkeit, die so verschiedene Äußerungen ihrer Thätigkeit zu Tage bringt,
die Köpfe zu schütteln. Sodann aber wird ja bestenfalls nur die öffentliche
Anzeige verhindert, nicht aber der Verkauf, der nach § 6 der Neichsgewerbeordnung
nicht verboten werden kann. Ist nun ein Verkäufer einigermaßen geschickt, so
wird er seinen einzelnen Käufern privatim erzählen, welch vortreffliches Mittel
er führe, daß er es leider nicht öffentlich bekannt machen dürfe, weil ihm der
Neid dies verbiete, und eine solche private Empfehlung wirkt mehr als eine
öffentliche Anzeige. Dies thun aber nicht nur Droguiften, Materialisten u. s. w.,
dies kommt leider trotz Ahlgreen, dessen Hochachtung vor dem Stand unsrer
Apotheker ich sonst vollkommen teile, auch bei Apothekern vor; sagen doch selbst
solche, die auf ihre Apothekerehre hohen Wert legen, oft, sie seien unter den
jetzigen Verhältnissen der Konkurrenz halber gezwungen, dies oder jenes Geheim¬
mittel zu führen, mit dessen Verkauf sie sich nur höchst ungern befaßten. Ein
geschickter Droguist kann aber auch das Verbot des Verkaufs zusammengesetzter
Arzneimittel umgehen, wenn er es z. B. macht wie jener, welcher, weil er
Brustthee als Arzneigemisch nicht verkaufen durfte, die einzelnen Bestandteile
desselben abgewogen in besondern Dütchen vorrätig hielt und diese dem Publikum
mit der Anheimgabe verkaufte, sie zu Hause zu mischen und sich auf diese Weise
selbst Brustthee zu bereiten.


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[0364] Der Geheimmittelschwindel Geheimmittel, bezüglich ein zusammengesetztes Mittel erklärt hat; dies ist aber einerseits nicht zu verlangen, da die Arbeit nicht im Verhältnis zu dem Erfolg stünde, und würde anderseits doch nicht zu einem systematischen Gesamtbild führen, da alle derartige Erscheinungen mehr oder weniger von der subjektiven Auffassung der zu Rate gezogenen Sachverständigen bezüglich der einzelnen Fälle abhängen. Alle diese verschiedenen Entscheidungen sind doch von den Sachverständigen sowohl wie von den Gerichten nach bestem Wissen und Gewissen abgegeben; da muß eine solche Verschiedenheit wahrlich das Publikum und die Polizeibehörden mutlos machen. Haben sich die Polizeibehörde» aber wirklich in dem geschilderten Labyrinth der verschiedenen Auffassungen zurecht gefunden, so müssen sie doch sehen, daß sie eigentlich gar nichts damit erzielt haben. Bei der Verschiedenheit der richterlichen Entscheidungen und mit Rücksicht darauf, daß keine allgemeine Ordnung der Angelegenheit beliebt ist, ist in dem einen Bezirk erlaubt, was in dem andern für verboten gilt. Die periodischen Blätter und die Kalender, die in einem solchen freiern Bezirk erscheinen, können alle die Anzeigen enthalten, die in den strenger regierten Bezirken verboten sind; sie gehen ungehindert in diesen letztern ans und ein, und es wird weiter nichts erreicht, als daß sich die Herausgeber von Blättern in einem solchen strenger regierten Bezirk mit Recht ärgern, daß ihnen nutzloserweise durch die Entziehung gut bezahlter Anzeigen eine lohnende Einnahme entzogen wird, und daß das Publikum doch alles, was man ihm verheimlichen wollte, erfährt und gleichzeitig lernt, über die hohe Obrigkeit, die so verschiedene Äußerungen ihrer Thätigkeit zu Tage bringt, die Köpfe zu schütteln. Sodann aber wird ja bestenfalls nur die öffentliche Anzeige verhindert, nicht aber der Verkauf, der nach § 6 der Neichsgewerbeordnung nicht verboten werden kann. Ist nun ein Verkäufer einigermaßen geschickt, so wird er seinen einzelnen Käufern privatim erzählen, welch vortreffliches Mittel er führe, daß er es leider nicht öffentlich bekannt machen dürfe, weil ihm der Neid dies verbiete, und eine solche private Empfehlung wirkt mehr als eine öffentliche Anzeige. Dies thun aber nicht nur Droguiften, Materialisten u. s. w., dies kommt leider trotz Ahlgreen, dessen Hochachtung vor dem Stand unsrer Apotheker ich sonst vollkommen teile, auch bei Apothekern vor; sagen doch selbst solche, die auf ihre Apothekerehre hohen Wert legen, oft, sie seien unter den jetzigen Verhältnissen der Konkurrenz halber gezwungen, dies oder jenes Geheim¬ mittel zu führen, mit dessen Verkauf sie sich nur höchst ungern befaßten. Ein geschickter Droguist kann aber auch das Verbot des Verkaufs zusammengesetzter Arzneimittel umgehen, wenn er es z. B. macht wie jener, welcher, weil er Brustthee als Arzneigemisch nicht verkaufen durfte, die einzelnen Bestandteile desselben abgewogen in besondern Dütchen vorrätig hielt und diese dem Publikum mit der Anheimgabe verkaufte, sie zu Hause zu mischen und sich auf diese Weise selbst Brustthee zu bereiten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/364>, abgerufen am 26.06.2024.