Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Geographische Handbücher

schöpferische Verdienste erwerbe, das ruhe im Schoße der Zukunft. "Aber,"
fährt er fort, "daß ich ein Leben ohne Liebe lebe,: sollte wie die andern, daß
ich in der großen Welt untergehen sollte, daß ich den Glauben verlieren sollte
an Gott, an das Schöne, an die Natur, die Frauen, die Dichter und die Alten,
daß ich gemein und liederlich werde, siehst Du, das ist rein unmöglich." Es
liegt nahe, hier an die bescheiden hochherzigen Worte zu erinnern, mit denen
Goethe in seinem Schmerze das Andenken Schillers feierte; aber ich schließe
lieber mit einem Briefe, den Baudissin ini September 1840 aus Kiel an seine
Dresdner Braut richtete. Darin heißt es: "Ich stieg hinauf aufs Schloß, um
die liebenswürdigste, gewinnendste, anmutigste Frau zu öesuchen, die ich kenne.
Meine Sophie braucht nicht zu erschrecken, sie ist 69 Jahr alt, aber wirklich
noch immer ein Phönix von Liebenswürdigkeit. Gräfin Nantzau heißt sie,
und ich möchte viel drum geben, hätte mein Herzenskind uns zuhören können.
Als ich kam, nahm sie mich mit beiden Händen beim Kops und küßte und
lobte mich dafür, daß ich Dich gefunden. Darauf mußte ich ihr drei Stunden
lang von Dir erzählen, dazwischen sagte sie die anmutigsten Dinge über Liebe
und Herz, Vergangenheit und Zukunft. Zuletzt entließ sie mich mit den Worten:
Adieu, Sie lieber Ausdruck von Glück, Herzensreinheit und gutem Gewissen."
Dieser freundliche Dreiklang wird alleu, die Wolf Baudissin gekannt haben,
aus der Seele gesprochen sein.




Geographische Handbücher'')

as Wissen ist und bleibt eins der sichersten Besitztümer, deren
Menschen sich rühmen können. Freilich ist für alle ernsten Geister
.in der alten Wahrheit festzuhalten, daß wir geistigen Besitzes
nur dann ganz sicher sind, wenn wir ihn aufs innigste umfassen
lind in uns aufnehmen, und daß eiuen andern Weg zu solcher
Sicherung als den des Erarbeitens noch niemand gefunden hat. Das Vergnügen
wissenschaftlicher Vertiefung liegt nicht an der Oberfläche, aber es ist da, es



*) Stuttgart, Verlag von I. Engelhorn. Bisher sind erschienen: 1. Anthropogeo-
graphie oder Grundziige der Anwendung der Erdkunde auf die Geschichte von Friedrich
Ratzel, L. Handbuch der Klimatologie von Julius Hann. 3. Handbuch der
Ozeanographie, t. Band. Räumliche, physikalische und chemische Beschaffenheit der Ozeane
von Georg von Boguslawsky. ^!. Band. Die Bewegungsformen des Meeres. Von
Otto Krummel. 4. Handbuch der Gletscherkunde von Albert Heim. 5. Allge-
meine Geologie von K. von Fritsch.
Geographische Handbücher

schöpferische Verdienste erwerbe, das ruhe im Schoße der Zukunft. „Aber,"
fährt er fort, „daß ich ein Leben ohne Liebe lebe,: sollte wie die andern, daß
ich in der großen Welt untergehen sollte, daß ich den Glauben verlieren sollte
an Gott, an das Schöne, an die Natur, die Frauen, die Dichter und die Alten,
daß ich gemein und liederlich werde, siehst Du, das ist rein unmöglich." Es
liegt nahe, hier an die bescheiden hochherzigen Worte zu erinnern, mit denen
Goethe in seinem Schmerze das Andenken Schillers feierte; aber ich schließe
lieber mit einem Briefe, den Baudissin ini September 1840 aus Kiel an seine
Dresdner Braut richtete. Darin heißt es: „Ich stieg hinauf aufs Schloß, um
die liebenswürdigste, gewinnendste, anmutigste Frau zu öesuchen, die ich kenne.
Meine Sophie braucht nicht zu erschrecken, sie ist 69 Jahr alt, aber wirklich
noch immer ein Phönix von Liebenswürdigkeit. Gräfin Nantzau heißt sie,
und ich möchte viel drum geben, hätte mein Herzenskind uns zuhören können.
Als ich kam, nahm sie mich mit beiden Händen beim Kops und küßte und
lobte mich dafür, daß ich Dich gefunden. Darauf mußte ich ihr drei Stunden
lang von Dir erzählen, dazwischen sagte sie die anmutigsten Dinge über Liebe
und Herz, Vergangenheit und Zukunft. Zuletzt entließ sie mich mit den Worten:
Adieu, Sie lieber Ausdruck von Glück, Herzensreinheit und gutem Gewissen."
Dieser freundliche Dreiklang wird alleu, die Wolf Baudissin gekannt haben,
aus der Seele gesprochen sein.




Geographische Handbücher'')

as Wissen ist und bleibt eins der sichersten Besitztümer, deren
Menschen sich rühmen können. Freilich ist für alle ernsten Geister
.in der alten Wahrheit festzuhalten, daß wir geistigen Besitzes
nur dann ganz sicher sind, wenn wir ihn aufs innigste umfassen
lind in uns aufnehmen, und daß eiuen andern Weg zu solcher
Sicherung als den des Erarbeitens noch niemand gefunden hat. Das Vergnügen
wissenschaftlicher Vertiefung liegt nicht an der Oberfläche, aber es ist da, es



*) Stuttgart, Verlag von I. Engelhorn. Bisher sind erschienen: 1. Anthropogeo-
graphie oder Grundziige der Anwendung der Erdkunde auf die Geschichte von Friedrich
Ratzel, L. Handbuch der Klimatologie von Julius Hann. 3. Handbuch der
Ozeanographie, t. Band. Räumliche, physikalische und chemische Beschaffenheit der Ozeane
von Georg von Boguslawsky. ^!. Band. Die Bewegungsformen des Meeres. Von
Otto Krummel. 4. Handbuch der Gletscherkunde von Albert Heim. 5. Allge-
meine Geologie von K. von Fritsch.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204428"/>
          <fw type="header" place="top"> Geographische Handbücher</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1083" prev="#ID_1082"> schöpferische Verdienste erwerbe, das ruhe im Schoße der Zukunft. &#x201E;Aber,"<lb/>
fährt er fort, &#x201E;daß ich ein Leben ohne Liebe lebe,: sollte wie die andern, daß<lb/>
ich in der großen Welt untergehen sollte, daß ich den Glauben verlieren sollte<lb/>
an Gott, an das Schöne, an die Natur, die Frauen, die Dichter und die Alten,<lb/>
daß ich gemein und liederlich werde, siehst Du, das ist rein unmöglich." Es<lb/>
liegt nahe, hier an die bescheiden hochherzigen Worte zu erinnern, mit denen<lb/>
Goethe in seinem Schmerze das Andenken Schillers feierte; aber ich schließe<lb/>
lieber mit einem Briefe, den Baudissin ini September 1840 aus Kiel an seine<lb/>
Dresdner Braut richtete. Darin heißt es: &#x201E;Ich stieg hinauf aufs Schloß, um<lb/>
die liebenswürdigste, gewinnendste, anmutigste Frau zu öesuchen, die ich kenne.<lb/>
Meine Sophie braucht nicht zu erschrecken, sie ist 69 Jahr alt, aber wirklich<lb/>
noch immer ein Phönix von Liebenswürdigkeit. Gräfin Nantzau heißt sie,<lb/>
und ich möchte viel drum geben, hätte mein Herzenskind uns zuhören können.<lb/>
Als ich kam, nahm sie mich mit beiden Händen beim Kops und küßte und<lb/>
lobte mich dafür, daß ich Dich gefunden. Darauf mußte ich ihr drei Stunden<lb/>
lang von Dir erzählen, dazwischen sagte sie die anmutigsten Dinge über Liebe<lb/>
und Herz, Vergangenheit und Zukunft. Zuletzt entließ sie mich mit den Worten:<lb/>
Adieu, Sie lieber Ausdruck von Glück, Herzensreinheit und gutem Gewissen."<lb/>
Dieser freundliche Dreiklang wird alleu, die Wolf Baudissin gekannt haben,<lb/>
aus der Seele gesprochen sein.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Geographische Handbücher'')</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1084" next="#ID_1085"> as Wissen ist und bleibt eins der sichersten Besitztümer, deren<lb/>
Menschen sich rühmen können. Freilich ist für alle ernsten Geister<lb/>
.in der alten Wahrheit festzuhalten, daß wir geistigen Besitzes<lb/>
nur dann ganz sicher sind, wenn wir ihn aufs innigste umfassen<lb/>
lind in uns aufnehmen, und daß eiuen andern Weg zu solcher<lb/>
Sicherung als den des Erarbeitens noch niemand gefunden hat. Das Vergnügen<lb/>
wissenschaftlicher Vertiefung liegt nicht an der Oberfläche, aber es ist da, es</p><lb/>
          <note xml:id="FID_32" place="foot"> *) Stuttgart, Verlag von I. Engelhorn. Bisher sind erschienen: 1. Anthropogeo-<lb/>
graphie oder Grundziige der Anwendung der Erdkunde auf die Geschichte von Friedrich<lb/>
Ratzel, L. Handbuch der Klimatologie von Julius Hann. 3. Handbuch der<lb/>
Ozeanographie, t. Band. Räumliche, physikalische und chemische Beschaffenheit der Ozeane<lb/>
von Georg von Boguslawsky. ^!. Band. Die Bewegungsformen des Meeres. Von<lb/>
Otto Krummel. 4. Handbuch der Gletscherkunde von Albert Heim. 5. Allge-<lb/>
meine Geologie von K. von Fritsch.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0339] Geographische Handbücher schöpferische Verdienste erwerbe, das ruhe im Schoße der Zukunft. „Aber," fährt er fort, „daß ich ein Leben ohne Liebe lebe,: sollte wie die andern, daß ich in der großen Welt untergehen sollte, daß ich den Glauben verlieren sollte an Gott, an das Schöne, an die Natur, die Frauen, die Dichter und die Alten, daß ich gemein und liederlich werde, siehst Du, das ist rein unmöglich." Es liegt nahe, hier an die bescheiden hochherzigen Worte zu erinnern, mit denen Goethe in seinem Schmerze das Andenken Schillers feierte; aber ich schließe lieber mit einem Briefe, den Baudissin ini September 1840 aus Kiel an seine Dresdner Braut richtete. Darin heißt es: „Ich stieg hinauf aufs Schloß, um die liebenswürdigste, gewinnendste, anmutigste Frau zu öesuchen, die ich kenne. Meine Sophie braucht nicht zu erschrecken, sie ist 69 Jahr alt, aber wirklich noch immer ein Phönix von Liebenswürdigkeit. Gräfin Nantzau heißt sie, und ich möchte viel drum geben, hätte mein Herzenskind uns zuhören können. Als ich kam, nahm sie mich mit beiden Händen beim Kops und küßte und lobte mich dafür, daß ich Dich gefunden. Darauf mußte ich ihr drei Stunden lang von Dir erzählen, dazwischen sagte sie die anmutigsten Dinge über Liebe und Herz, Vergangenheit und Zukunft. Zuletzt entließ sie mich mit den Worten: Adieu, Sie lieber Ausdruck von Glück, Herzensreinheit und gutem Gewissen." Dieser freundliche Dreiklang wird alleu, die Wolf Baudissin gekannt haben, aus der Seele gesprochen sein. Geographische Handbücher'') as Wissen ist und bleibt eins der sichersten Besitztümer, deren Menschen sich rühmen können. Freilich ist für alle ernsten Geister .in der alten Wahrheit festzuhalten, daß wir geistigen Besitzes nur dann ganz sicher sind, wenn wir ihn aufs innigste umfassen lind in uns aufnehmen, und daß eiuen andern Weg zu solcher Sicherung als den des Erarbeitens noch niemand gefunden hat. Das Vergnügen wissenschaftlicher Vertiefung liegt nicht an der Oberfläche, aber es ist da, es *) Stuttgart, Verlag von I. Engelhorn. Bisher sind erschienen: 1. Anthropogeo- graphie oder Grundziige der Anwendung der Erdkunde auf die Geschichte von Friedrich Ratzel, L. Handbuch der Klimatologie von Julius Hann. 3. Handbuch der Ozeanographie, t. Band. Räumliche, physikalische und chemische Beschaffenheit der Ozeane von Georg von Boguslawsky. ^!. Band. Die Bewegungsformen des Meeres. Von Otto Krummel. 4. Handbuch der Gletscherkunde von Albert Heim. 5. Allge- meine Geologie von K. von Fritsch.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/339
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/339>, abgerufen am 26.06.2024.