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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Wolf Baudissin

Mecklenburg an, ferner schwedisch Pommern mit Rügen, vielleicht sogar
preußisch Pommern, mit einem Worte: "zwei Dörfer in Deutschland für eins in
Norwegen." Noch freigebiger ans Kosten Deutschlands war Bernadotte selbst; er
versprach außer den beiden Mecklenburg noch Oldenburg, Hamburg und Lübeck.
Bremen blieb wohlMur aus Vergeßlichkeit unerwähnt. Als im März 1813
die dänische Regierung Baudissin nach Kopenhagen zurück berief, um ihn nach
Dresden zu Napoleon zu schicken, ereignete sich die eingangs erwähnte Auf¬
lehnung gegen den ihm gewordenen Auftrag. Ein Jahr Festungshaft zweiten
Grades war seine Strafe. Aber ehe er die Hälfte dieser Zeit abgebüßt hatte,
wurde zu seinem und unserm Glücke in den Gefilden Leipzigs Napoleons Macht
gebrochen, und damit brachen anch Dänemarks vermessene Pläne zusammen.
Zehn Tage darauf war Baudissin begnadigt. Dieser völlige Umschlag der
dänischen Politik machte es ihm möglich, auf den Wunsch seines Vaters sich
aufs neue im dänischen Dienste anstellen zu lassen. Er wurde bald darauf
als Legationssekretär in das Hauptquartier der Verbündeten gesandt, und er¬
lebte so in der Nähe das große Ereignis des ersten Einzugs der Verbündeten
in Paris, die Wiedereinsetzung der Vonrbonen, im Anschlusse daran den Wiener
Kongreß mit seinem Zusammenströmen bedeutender nud unbedeutender Per¬
sönlichkeiten. Im Jahre 1814 fiel ihm durch den Tod seines Vaters das
Majorat Nantzau zu. Er entsagte endgiltig dem dänischen Staatsdienst, wurde
in Ungnade entlassen, tröstete sich aber darüber, indem er Herz und Hand
seiner ihm schon linge befreundet gewesenen Cousine gewann, der jungen Gräfin
Julie Baudissin-Knoop. Sieben glückliche, nur leider bald durch Kränklichkeit
seiner Gattin und durch dänische Scherereien getrübte Jahre lebte er dann in
Schiner Muße auf Schloß Nantzau feinen Studien. Als Mitglied der ritter-
schnftlichen Deputation trat er mit Dahlmann und andern sür die von Däne¬
mark bedrohten Schleswig-Holsteinischen Landesrechte ein. In den 1815
gegründeten Kieler Blättern verwandte er sich mit schönem Freimut für die
Veschrünkuug des Adels, insonderheit für die Titelvererbuug nur auf den
ältesten Sohn, beim englischen Adel bekanntlich längst altes Herkommen.

Aber wie in Deutschland selbst der Zeit der großen Hoffnungen eine Zeit
der großen Enttäuschungen folgte, so auch in den deutschen Landesteilen Däne¬
marks. Briefe Baudissins an Ernst Moritz Arndt waren von der deutscheu
Demagogen-Untersuchungskommission an den König von Dänemark geschickt
worden, und obgleich diese Briefe keine Indiskretionen enthalten konnten, so
genügte doch, wie es scheint, die darin sich äußernde deutsche Gesinnung, den
Herzog von Holstein stark zu verstimmen, so stark, daß erst im Jahre 1840
der Thronwechsel in Dänemark Baudissin wieder in ein leidlich unbefangenes
Verhältnis zum dänischen Hofe brachte. Er hatte inzwischen mit seiner Gattin
zunächst drei Jahre lang in Italien gelebt; in engem Verkehr mit Kästner,
von Stackelberg, Julius Schmorr, Thorwaldsen und andern Strebenden und


Wolf Baudissin

Mecklenburg an, ferner schwedisch Pommern mit Rügen, vielleicht sogar
preußisch Pommern, mit einem Worte: „zwei Dörfer in Deutschland für eins in
Norwegen." Noch freigebiger ans Kosten Deutschlands war Bernadotte selbst; er
versprach außer den beiden Mecklenburg noch Oldenburg, Hamburg und Lübeck.
Bremen blieb wohlMur aus Vergeßlichkeit unerwähnt. Als im März 1813
die dänische Regierung Baudissin nach Kopenhagen zurück berief, um ihn nach
Dresden zu Napoleon zu schicken, ereignete sich die eingangs erwähnte Auf¬
lehnung gegen den ihm gewordenen Auftrag. Ein Jahr Festungshaft zweiten
Grades war seine Strafe. Aber ehe er die Hälfte dieser Zeit abgebüßt hatte,
wurde zu seinem und unserm Glücke in den Gefilden Leipzigs Napoleons Macht
gebrochen, und damit brachen anch Dänemarks vermessene Pläne zusammen.
Zehn Tage darauf war Baudissin begnadigt. Dieser völlige Umschlag der
dänischen Politik machte es ihm möglich, auf den Wunsch seines Vaters sich
aufs neue im dänischen Dienste anstellen zu lassen. Er wurde bald darauf
als Legationssekretär in das Hauptquartier der Verbündeten gesandt, und er¬
lebte so in der Nähe das große Ereignis des ersten Einzugs der Verbündeten
in Paris, die Wiedereinsetzung der Vonrbonen, im Anschlusse daran den Wiener
Kongreß mit seinem Zusammenströmen bedeutender nud unbedeutender Per¬
sönlichkeiten. Im Jahre 1814 fiel ihm durch den Tod seines Vaters das
Majorat Nantzau zu. Er entsagte endgiltig dem dänischen Staatsdienst, wurde
in Ungnade entlassen, tröstete sich aber darüber, indem er Herz und Hand
seiner ihm schon linge befreundet gewesenen Cousine gewann, der jungen Gräfin
Julie Baudissin-Knoop. Sieben glückliche, nur leider bald durch Kränklichkeit
seiner Gattin und durch dänische Scherereien getrübte Jahre lebte er dann in
Schiner Muße auf Schloß Nantzau feinen Studien. Als Mitglied der ritter-
schnftlichen Deputation trat er mit Dahlmann und andern sür die von Däne¬
mark bedrohten Schleswig-Holsteinischen Landesrechte ein. In den 1815
gegründeten Kieler Blättern verwandte er sich mit schönem Freimut für die
Veschrünkuug des Adels, insonderheit für die Titelvererbuug nur auf den
ältesten Sohn, beim englischen Adel bekanntlich längst altes Herkommen.

Aber wie in Deutschland selbst der Zeit der großen Hoffnungen eine Zeit
der großen Enttäuschungen folgte, so auch in den deutschen Landesteilen Däne¬
marks. Briefe Baudissins an Ernst Moritz Arndt waren von der deutscheu
Demagogen-Untersuchungskommission an den König von Dänemark geschickt
worden, und obgleich diese Briefe keine Indiskretionen enthalten konnten, so
genügte doch, wie es scheint, die darin sich äußernde deutsche Gesinnung, den
Herzog von Holstein stark zu verstimmen, so stark, daß erst im Jahre 1840
der Thronwechsel in Dänemark Baudissin wieder in ein leidlich unbefangenes
Verhältnis zum dänischen Hofe brachte. Er hatte inzwischen mit seiner Gattin
zunächst drei Jahre lang in Italien gelebt; in engem Verkehr mit Kästner,
von Stackelberg, Julius Schmorr, Thorwaldsen und andern Strebenden und


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[0334] Wolf Baudissin Mecklenburg an, ferner schwedisch Pommern mit Rügen, vielleicht sogar preußisch Pommern, mit einem Worte: „zwei Dörfer in Deutschland für eins in Norwegen." Noch freigebiger ans Kosten Deutschlands war Bernadotte selbst; er versprach außer den beiden Mecklenburg noch Oldenburg, Hamburg und Lübeck. Bremen blieb wohlMur aus Vergeßlichkeit unerwähnt. Als im März 1813 die dänische Regierung Baudissin nach Kopenhagen zurück berief, um ihn nach Dresden zu Napoleon zu schicken, ereignete sich die eingangs erwähnte Auf¬ lehnung gegen den ihm gewordenen Auftrag. Ein Jahr Festungshaft zweiten Grades war seine Strafe. Aber ehe er die Hälfte dieser Zeit abgebüßt hatte, wurde zu seinem und unserm Glücke in den Gefilden Leipzigs Napoleons Macht gebrochen, und damit brachen anch Dänemarks vermessene Pläne zusammen. Zehn Tage darauf war Baudissin begnadigt. Dieser völlige Umschlag der dänischen Politik machte es ihm möglich, auf den Wunsch seines Vaters sich aufs neue im dänischen Dienste anstellen zu lassen. Er wurde bald darauf als Legationssekretär in das Hauptquartier der Verbündeten gesandt, und er¬ lebte so in der Nähe das große Ereignis des ersten Einzugs der Verbündeten in Paris, die Wiedereinsetzung der Vonrbonen, im Anschlusse daran den Wiener Kongreß mit seinem Zusammenströmen bedeutender nud unbedeutender Per¬ sönlichkeiten. Im Jahre 1814 fiel ihm durch den Tod seines Vaters das Majorat Nantzau zu. Er entsagte endgiltig dem dänischen Staatsdienst, wurde in Ungnade entlassen, tröstete sich aber darüber, indem er Herz und Hand seiner ihm schon linge befreundet gewesenen Cousine gewann, der jungen Gräfin Julie Baudissin-Knoop. Sieben glückliche, nur leider bald durch Kränklichkeit seiner Gattin und durch dänische Scherereien getrübte Jahre lebte er dann in Schiner Muße auf Schloß Nantzau feinen Studien. Als Mitglied der ritter- schnftlichen Deputation trat er mit Dahlmann und andern sür die von Däne¬ mark bedrohten Schleswig-Holsteinischen Landesrechte ein. In den 1815 gegründeten Kieler Blättern verwandte er sich mit schönem Freimut für die Veschrünkuug des Adels, insonderheit für die Titelvererbuug nur auf den ältesten Sohn, beim englischen Adel bekanntlich längst altes Herkommen. Aber wie in Deutschland selbst der Zeit der großen Hoffnungen eine Zeit der großen Enttäuschungen folgte, so auch in den deutschen Landesteilen Däne¬ marks. Briefe Baudissins an Ernst Moritz Arndt waren von der deutscheu Demagogen-Untersuchungskommission an den König von Dänemark geschickt worden, und obgleich diese Briefe keine Indiskretionen enthalten konnten, so genügte doch, wie es scheint, die darin sich äußernde deutsche Gesinnung, den Herzog von Holstein stark zu verstimmen, so stark, daß erst im Jahre 1840 der Thronwechsel in Dänemark Baudissin wieder in ein leidlich unbefangenes Verhältnis zum dänischen Hofe brachte. Er hatte inzwischen mit seiner Gattin zunächst drei Jahre lang in Italien gelebt; in engem Verkehr mit Kästner, von Stackelberg, Julius Schmorr, Thorwaldsen und andern Strebenden und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/334>, abgerufen am 26.06.2024.