Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

der Lauthieri selbst, der die Beilage zu dem zweiten unsrer Briefe bildete und
ihren: Gespräch freilich nicht gleichgekommen sein soll, auf Verlangen wieder
zurückgeschickt worden und daher für uns verloren.

Die beiden Briefe stammen aus dem Schillerarchiv des Freiherrn Ludwig
von Gleichen-Rnßwurm zu Greiffenstein ob Bouillaud, Sie lagen in einem
Konvolut ans dem Nachlaß von Schillers Schwiegermutter, der Frau von
Lengefeld, Die Adressatin ist Karoline von Beulwitz, die spätere Schwägerin
Schillers. Über die Person der Schreiberin selbst vermag ich nichts beizu¬
bringen, als was sich aus den Briefen selbst ergiebt; aber die Personen, von
denen sie redet, sind in der Goethelitteratnr wohlbekannt. Daß Goethe in Karls¬
bad alle Abende vorlas nud auch seine ungedruckten Sachen (Briefe an die
Stein II, 336; Italienische Rerise 157, 630), ist bekannt; hier erfahren wir
zum erstenmale, daß er anch den Faust unmittelbar vor der italienischen Reise
vorgelesen hat. Fräulein von Assebnrg kommt in Goethes Briefen (Schriften
der Gvethegesellschaft 2, 3 und 268 ff.) und im Herderschen Briefwechsel vor
(Düntzer, Von und an Herder 1, 126. 129), in welchem gleichfalls auf die
"Preußische Patriotin" gestichelt wird. Die zwei Hannoveraner, die Goethe in
Rom begegnet sind, haben wir in den Malern Rehberg, Dies oder in Pape
zu suchen (Düntzer, Index zur Italienischen Reise; Gvethejahrbuch 1-, 317).
Den Herderschen Aufsatz "Liebe und Selbstheit" las die Schreiberin in der
ersten Sammlung der Zerstreuter Blätter, die 178k> erschien (I, 399; früher
im Dezemberheft des Merkur 1781 erschienen). Die Briefe lauten, abgesehen
von einigen entbehrlichen Nachschriften, wie folgt:

Rehburg, d. 14ten 8der 1736.

Seit 2 Morast, daß ich von Carlsbad zurück bin, wollte ich Ihnen, liebe
Frau von Beulwitz, jeden Posttag schreiben, aber ich bin so mit Schmausereyen
die hier in meinem Hause gehalten werden müsten, beschäftigt gewesen, daß ich zu
nichts kommen konnte.

Wie ich von Hannover höre, ist Ihr Herr Gemahl von unserm Hofe in
Wezlar presentirt, so sind Sie nnn halb unsre Landsmännin; wenn dies Sie
gar noch einmahl ganz zu uns führte! Der Aufenthalt in Wezlar wird Ihnen, glaube
^h, gefallen, wenigstens werde" Sie unter der großen Anzahl Menschen, die sich
dort, teils durchreisend, teils ihrer Prozesse wegen aufhalten, viel Auswahl treffen
rönnen. Werden Mama Lengefeld und Lottchen mit Ihnen gehn? Die Trennung
würde Ihnen schmerzhaft sehn.*)

Haben Sie Nachricht von Freund Neibniz? Wir noch nicht. Die Postelu
Ihnen wahrscheinlich unsern Lebenslauf in Carlsbad nach Ihrer Abreise be^
rüstet. Gothe hat viel vorgelesen, unter andern Doktor Faust und so schön, daß
weine beiden Freundinnen Lcnthicry und Fräulein Asseburg mich recht bedauerten,
^ nicht gehört zu habe", ich bedauerte (d) mich damals schon selbst darum und



*) Eben da ich zumachen will, erfahre ich, daß es ein andrer Herr v. Beulwitz und
>a,t Ihr Herr Gemahl der presentirt ist -- meine Freude war also vergebens, daß Sie nun
Med unser wären. --

der Lauthieri selbst, der die Beilage zu dem zweiten unsrer Briefe bildete und
ihren: Gespräch freilich nicht gleichgekommen sein soll, auf Verlangen wieder
zurückgeschickt worden und daher für uns verloren.

Die beiden Briefe stammen aus dem Schillerarchiv des Freiherrn Ludwig
von Gleichen-Rnßwurm zu Greiffenstein ob Bouillaud, Sie lagen in einem
Konvolut ans dem Nachlaß von Schillers Schwiegermutter, der Frau von
Lengefeld, Die Adressatin ist Karoline von Beulwitz, die spätere Schwägerin
Schillers. Über die Person der Schreiberin selbst vermag ich nichts beizu¬
bringen, als was sich aus den Briefen selbst ergiebt; aber die Personen, von
denen sie redet, sind in der Goethelitteratnr wohlbekannt. Daß Goethe in Karls¬
bad alle Abende vorlas nud auch seine ungedruckten Sachen (Briefe an die
Stein II, 336; Italienische Rerise 157, 630), ist bekannt; hier erfahren wir
zum erstenmale, daß er anch den Faust unmittelbar vor der italienischen Reise
vorgelesen hat. Fräulein von Assebnrg kommt in Goethes Briefen (Schriften
der Gvethegesellschaft 2, 3 und 268 ff.) und im Herderschen Briefwechsel vor
(Düntzer, Von und an Herder 1, 126. 129), in welchem gleichfalls auf die
„Preußische Patriotin" gestichelt wird. Die zwei Hannoveraner, die Goethe in
Rom begegnet sind, haben wir in den Malern Rehberg, Dies oder in Pape
zu suchen (Düntzer, Index zur Italienischen Reise; Gvethejahrbuch 1-, 317).
Den Herderschen Aufsatz „Liebe und Selbstheit" las die Schreiberin in der
ersten Sammlung der Zerstreuter Blätter, die 178k> erschien (I, 399; früher
im Dezemberheft des Merkur 1781 erschienen). Die Briefe lauten, abgesehen
von einigen entbehrlichen Nachschriften, wie folgt:

Rehburg, d. 14ten 8der 1736.

Seit 2 Morast, daß ich von Carlsbad zurück bin, wollte ich Ihnen, liebe
Frau von Beulwitz, jeden Posttag schreiben, aber ich bin so mit Schmausereyen
die hier in meinem Hause gehalten werden müsten, beschäftigt gewesen, daß ich zu
nichts kommen konnte.

Wie ich von Hannover höre, ist Ihr Herr Gemahl von unserm Hofe in
Wezlar presentirt, so sind Sie nnn halb unsre Landsmännin; wenn dies Sie
gar noch einmahl ganz zu uns führte! Der Aufenthalt in Wezlar wird Ihnen, glaube
^h, gefallen, wenigstens werde» Sie unter der großen Anzahl Menschen, die sich
dort, teils durchreisend, teils ihrer Prozesse wegen aufhalten, viel Auswahl treffen
rönnen. Werden Mama Lengefeld und Lottchen mit Ihnen gehn? Die Trennung
würde Ihnen schmerzhaft sehn.*)

Haben Sie Nachricht von Freund Neibniz? Wir noch nicht. Die Postelu
Ihnen wahrscheinlich unsern Lebenslauf in Carlsbad nach Ihrer Abreise be^
rüstet. Gothe hat viel vorgelesen, unter andern Doktor Faust und so schön, daß
weine beiden Freundinnen Lcnthicry und Fräulein Asseburg mich recht bedauerten,
^ nicht gehört zu habe», ich bedauerte (d) mich damals schon selbst darum und



*) Eben da ich zumachen will, erfahre ich, daß es ein andrer Herr v. Beulwitz und
>a,t Ihr Herr Gemahl der presentirt ist — meine Freude war also vergebens, daß Sie nun
Med unser wären. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204414"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1030" prev="#ID_1029"> der Lauthieri selbst, der die Beilage zu dem zweiten unsrer Briefe bildete und<lb/>
ihren: Gespräch freilich nicht gleichgekommen sein soll, auf Verlangen wieder<lb/>
zurückgeschickt worden und daher für uns verloren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1031"> Die beiden Briefe stammen aus dem Schillerarchiv des Freiherrn Ludwig<lb/>
von Gleichen-Rnßwurm zu Greiffenstein ob Bouillaud, Sie lagen in einem<lb/>
Konvolut ans dem Nachlaß von Schillers Schwiegermutter, der Frau von<lb/>
Lengefeld, Die Adressatin ist Karoline von Beulwitz, die spätere Schwägerin<lb/>
Schillers. Über die Person der Schreiberin selbst vermag ich nichts beizu¬<lb/>
bringen, als was sich aus den Briefen selbst ergiebt; aber die Personen, von<lb/>
denen sie redet, sind in der Goethelitteratnr wohlbekannt. Daß Goethe in Karls¬<lb/>
bad alle Abende vorlas nud auch seine ungedruckten Sachen (Briefe an die<lb/>
Stein II, 336; Italienische Rerise 157, 630), ist bekannt; hier erfahren wir<lb/>
zum erstenmale, daß er anch den Faust unmittelbar vor der italienischen Reise<lb/>
vorgelesen hat. Fräulein von Assebnrg kommt in Goethes Briefen (Schriften<lb/>
der Gvethegesellschaft 2, 3 und 268 ff.) und im Herderschen Briefwechsel vor<lb/>
(Düntzer, Von und an Herder 1, 126. 129), in welchem gleichfalls auf die<lb/>
&#x201E;Preußische Patriotin" gestichelt wird. Die zwei Hannoveraner, die Goethe in<lb/>
Rom begegnet sind, haben wir in den Malern Rehberg, Dies oder in Pape<lb/>
zu suchen (Düntzer, Index zur Italienischen Reise; Gvethejahrbuch 1-, 317).<lb/>
Den Herderschen Aufsatz &#x201E;Liebe und Selbstheit" las die Schreiberin in der<lb/>
ersten Sammlung der Zerstreuter Blätter, die 178k&gt; erschien (I, 399; früher<lb/>
im Dezemberheft des Merkur 1781 erschienen). Die Briefe lauten, abgesehen<lb/>
von einigen entbehrlichen Nachschriften, wie folgt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1032"> Rehburg, d. 14ten 8der 1736.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1033"> Seit 2 Morast, daß ich von Carlsbad zurück bin, wollte ich Ihnen, liebe<lb/>
Frau von Beulwitz, jeden Posttag schreiben, aber ich bin so mit Schmausereyen<lb/>
die hier in meinem Hause gehalten werden müsten, beschäftigt gewesen, daß ich zu<lb/>
nichts kommen konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1034"> Wie ich von Hannover höre, ist Ihr Herr Gemahl von unserm Hofe in<lb/>
Wezlar presentirt, so sind Sie nnn halb unsre Landsmännin; wenn dies Sie<lb/>
gar noch einmahl ganz zu uns führte! Der Aufenthalt in Wezlar wird Ihnen, glaube<lb/>
^h, gefallen, wenigstens werde» Sie unter der großen Anzahl Menschen, die sich<lb/>
dort, teils durchreisend, teils ihrer Prozesse wegen aufhalten, viel Auswahl treffen<lb/>
rönnen. Werden Mama Lengefeld und Lottchen mit Ihnen gehn? Die Trennung<lb/>
würde Ihnen schmerzhaft sehn.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1035" next="#ID_1036"> Haben Sie Nachricht von Freund Neibniz? Wir noch nicht. Die Postelu<lb/>
Ihnen wahrscheinlich unsern Lebenslauf in Carlsbad nach Ihrer Abreise be^<lb/>
rüstet. Gothe hat viel vorgelesen, unter andern Doktor Faust und so schön, daß<lb/>
weine beiden Freundinnen Lcnthicry und Fräulein Asseburg mich recht bedauerten,<lb/>
^ nicht gehört zu habe», ich bedauerte (d) mich damals schon selbst darum und</p><lb/>
          <note xml:id="FID_30" place="foot"> *) Eben da ich zumachen will, erfahre ich, daß es ein andrer Herr v. Beulwitz und<lb/>
&gt;a,t Ihr Herr Gemahl der presentirt ist &#x2014; meine Freude war also vergebens, daß Sie nun<lb/>
Med unser wären. &#x2014;</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0325] der Lauthieri selbst, der die Beilage zu dem zweiten unsrer Briefe bildete und ihren: Gespräch freilich nicht gleichgekommen sein soll, auf Verlangen wieder zurückgeschickt worden und daher für uns verloren. Die beiden Briefe stammen aus dem Schillerarchiv des Freiherrn Ludwig von Gleichen-Rnßwurm zu Greiffenstein ob Bouillaud, Sie lagen in einem Konvolut ans dem Nachlaß von Schillers Schwiegermutter, der Frau von Lengefeld, Die Adressatin ist Karoline von Beulwitz, die spätere Schwägerin Schillers. Über die Person der Schreiberin selbst vermag ich nichts beizu¬ bringen, als was sich aus den Briefen selbst ergiebt; aber die Personen, von denen sie redet, sind in der Goethelitteratnr wohlbekannt. Daß Goethe in Karls¬ bad alle Abende vorlas nud auch seine ungedruckten Sachen (Briefe an die Stein II, 336; Italienische Rerise 157, 630), ist bekannt; hier erfahren wir zum erstenmale, daß er anch den Faust unmittelbar vor der italienischen Reise vorgelesen hat. Fräulein von Assebnrg kommt in Goethes Briefen (Schriften der Gvethegesellschaft 2, 3 und 268 ff.) und im Herderschen Briefwechsel vor (Düntzer, Von und an Herder 1, 126. 129), in welchem gleichfalls auf die „Preußische Patriotin" gestichelt wird. Die zwei Hannoveraner, die Goethe in Rom begegnet sind, haben wir in den Malern Rehberg, Dies oder in Pape zu suchen (Düntzer, Index zur Italienischen Reise; Gvethejahrbuch 1-, 317). Den Herderschen Aufsatz „Liebe und Selbstheit" las die Schreiberin in der ersten Sammlung der Zerstreuter Blätter, die 178k> erschien (I, 399; früher im Dezemberheft des Merkur 1781 erschienen). Die Briefe lauten, abgesehen von einigen entbehrlichen Nachschriften, wie folgt: Rehburg, d. 14ten 8der 1736. Seit 2 Morast, daß ich von Carlsbad zurück bin, wollte ich Ihnen, liebe Frau von Beulwitz, jeden Posttag schreiben, aber ich bin so mit Schmausereyen die hier in meinem Hause gehalten werden müsten, beschäftigt gewesen, daß ich zu nichts kommen konnte. Wie ich von Hannover höre, ist Ihr Herr Gemahl von unserm Hofe in Wezlar presentirt, so sind Sie nnn halb unsre Landsmännin; wenn dies Sie gar noch einmahl ganz zu uns führte! Der Aufenthalt in Wezlar wird Ihnen, glaube ^h, gefallen, wenigstens werde» Sie unter der großen Anzahl Menschen, die sich dort, teils durchreisend, teils ihrer Prozesse wegen aufhalten, viel Auswahl treffen rönnen. Werden Mama Lengefeld und Lottchen mit Ihnen gehn? Die Trennung würde Ihnen schmerzhaft sehn.*) Haben Sie Nachricht von Freund Neibniz? Wir noch nicht. Die Postelu Ihnen wahrscheinlich unsern Lebenslauf in Carlsbad nach Ihrer Abreise be^ rüstet. Gothe hat viel vorgelesen, unter andern Doktor Faust und so schön, daß weine beiden Freundinnen Lcnthicry und Fräulein Asseburg mich recht bedauerten, ^ nicht gehört zu habe», ich bedauerte (d) mich damals schon selbst darum und *) Eben da ich zumachen will, erfahre ich, daß es ein andrer Herr v. Beulwitz und >a,t Ihr Herr Gemahl der presentirt ist — meine Freude war also vergebens, daß Sie nun Med unser wären. —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/325
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/325>, abgerufen am 26.06.2024.