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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Aus Hamburgs Handelsgeschichte

dagegen umfaßte zunächst alle von der Elbe durchflossenen Landschaften bis
nach Böhmen hinauf, sodann aber auch ein gutes Stück von Franken, ferner'
die Mark Brandenburg sowie Schlesien, und gerade hier, in Sachsen, im
Brander burgischen und in Schlesien hatten sich damals die Anfange deutscher
Großindustrie entwickelt, welche die Einführung zollfreier Durchfuhr in Hamburg
zu wünschen allen Grund hatten. Wünsche derart ließen sich besonders aus
den Kreisen der schlesischen Lcinwandfabrikanten vernehmen; denn für diese war
Hamburg bei weitem der wichtigste Ausfuhrhafen, während ihre festländischen
Hauptkoukurrenten, Westfalen und Holland, über Bremen und Amsterdam
expvrtirten. Der zweitgrößte Zweig der damaligen deutschen Industrie, die
Tuchmacherei, wurde von der Hamburger Transitvfreiheit wenig berührt, weil
schon vor Einführung der letztern der Einfuhrzoll für englische Tuche gerade
für die größten Importeure, die Mitglieder der "Court," ganz geringfügig
gewesen war, lind weil es die deutschen Tuchfabrikanten nicht kümmerte, ob
die Tuche Englands über Hamburg oder Altona ins Land kamen. Ohne
Zweifel aber würde sich dieser Verkehr immer mehr nach der letztern Stadt
hingezogen haben, wenn die erstere nicht endlich die Durchfuhr freigegeben
hätte. Nach diesen beiden Beispielen aus der gewerblichen Thätigkeit des
deutschem Binnenlandes läßt sich die Wirkung der hier besprochenen handels-
Pvlitischen Maßregel auf alle andern Zweige der deutsche" Industrie beurteilen,
mochten diese damals (was sehr wenig der Fall war) für die Ausfuhr schon
genügend entwickelt sein oder nur noch ein kleines Gebiet im Binnenland mit
ihren Erzeugnissen versorgen können. Überdies reichte der alte Hamburger
Zoll allerdings hin, den Warendurchgaug aus und nach dem Auslande von
Hamburg abzulenken, er war aber kaum groß genng, um der Ans- und Ein¬
fuhr der meisten Waren der Industrie als ein ernstes Hindernis in den Weg
M treten. Dagegen war die Transitvfreiheit für die Ausfuhr der Rohprvdnkte
Deutschlands, soweit es dabei nach dem Obigen in Betracht kam, sür den
Export von Getreide. Wolle, Flachs, Hanf, Metallen also, eine sehr bedeutende
Erleichterung, da diese Produkte damals uoch bei weitem nicht ganz von den
Gewerbsleuten des Inlandes verarbeitet werden konnten. Und ebenso lag es
"n Interesse der deutschen Konsumenten, daß ihnen die Kolonialwaren und
"üdre notwendige Einfuhrartikel nicht mehr durch die Abgaben verteuert wurden.
Hamburg bei deren Durchfuhr bis dahin erhoben hatte.

Fast noch ein volles Jahrhundert verging, bis die deutsche Industrie,
durch umsichtige Monarchen und große Staatsmänner geschützt und wesentlich
unterstützt, sich zu solcher Kraft und Bedeutung erhoben hatte, daß sie anfing,
die mittlerweile ebenfalls schärfer ausgebildete Freihnfenstelluilg Hambltrgs und
der übrigen Hansestädte als schweren Nachteil zu empfinden und zu beklagen,
und abermals ist dann noch die größere Hülste eines Jahrhunderts verflossen,
ehe diese inzwischen von partiwlaristischer Beschränktheit und Selbstsucht zur


Aus Hamburgs Handelsgeschichte

dagegen umfaßte zunächst alle von der Elbe durchflossenen Landschaften bis
nach Böhmen hinauf, sodann aber auch ein gutes Stück von Franken, ferner'
die Mark Brandenburg sowie Schlesien, und gerade hier, in Sachsen, im
Brander burgischen und in Schlesien hatten sich damals die Anfange deutscher
Großindustrie entwickelt, welche die Einführung zollfreier Durchfuhr in Hamburg
zu wünschen allen Grund hatten. Wünsche derart ließen sich besonders aus
den Kreisen der schlesischen Lcinwandfabrikanten vernehmen; denn für diese war
Hamburg bei weitem der wichtigste Ausfuhrhafen, während ihre festländischen
Hauptkoukurrenten, Westfalen und Holland, über Bremen und Amsterdam
expvrtirten. Der zweitgrößte Zweig der damaligen deutschen Industrie, die
Tuchmacherei, wurde von der Hamburger Transitvfreiheit wenig berührt, weil
schon vor Einführung der letztern der Einfuhrzoll für englische Tuche gerade
für die größten Importeure, die Mitglieder der „Court," ganz geringfügig
gewesen war, lind weil es die deutschen Tuchfabrikanten nicht kümmerte, ob
die Tuche Englands über Hamburg oder Altona ins Land kamen. Ohne
Zweifel aber würde sich dieser Verkehr immer mehr nach der letztern Stadt
hingezogen haben, wenn die erstere nicht endlich die Durchfuhr freigegeben
hätte. Nach diesen beiden Beispielen aus der gewerblichen Thätigkeit des
deutschem Binnenlandes läßt sich die Wirkung der hier besprochenen handels-
Pvlitischen Maßregel auf alle andern Zweige der deutsche» Industrie beurteilen,
mochten diese damals (was sehr wenig der Fall war) für die Ausfuhr schon
genügend entwickelt sein oder nur noch ein kleines Gebiet im Binnenland mit
ihren Erzeugnissen versorgen können. Überdies reichte der alte Hamburger
Zoll allerdings hin, den Warendurchgaug aus und nach dem Auslande von
Hamburg abzulenken, er war aber kaum groß genng, um der Ans- und Ein¬
fuhr der meisten Waren der Industrie als ein ernstes Hindernis in den Weg
M treten. Dagegen war die Transitvfreiheit für die Ausfuhr der Rohprvdnkte
Deutschlands, soweit es dabei nach dem Obigen in Betracht kam, sür den
Export von Getreide. Wolle, Flachs, Hanf, Metallen also, eine sehr bedeutende
Erleichterung, da diese Produkte damals uoch bei weitem nicht ganz von den
Gewerbsleuten des Inlandes verarbeitet werden konnten. Und ebenso lag es
"n Interesse der deutschen Konsumenten, daß ihnen die Kolonialwaren und
«üdre notwendige Einfuhrartikel nicht mehr durch die Abgaben verteuert wurden.
Hamburg bei deren Durchfuhr bis dahin erhoben hatte.

Fast noch ein volles Jahrhundert verging, bis die deutsche Industrie,
durch umsichtige Monarchen und große Staatsmänner geschützt und wesentlich
unterstützt, sich zu solcher Kraft und Bedeutung erhoben hatte, daß sie anfing,
die mittlerweile ebenfalls schärfer ausgebildete Freihnfenstelluilg Hambltrgs und
der übrigen Hansestädte als schweren Nachteil zu empfinden und zu beklagen,
und abermals ist dann noch die größere Hülste eines Jahrhunderts verflossen,
ehe diese inzwischen von partiwlaristischer Beschränktheit und Selbstsucht zur


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[0317] Aus Hamburgs Handelsgeschichte dagegen umfaßte zunächst alle von der Elbe durchflossenen Landschaften bis nach Böhmen hinauf, sodann aber auch ein gutes Stück von Franken, ferner' die Mark Brandenburg sowie Schlesien, und gerade hier, in Sachsen, im Brander burgischen und in Schlesien hatten sich damals die Anfange deutscher Großindustrie entwickelt, welche die Einführung zollfreier Durchfuhr in Hamburg zu wünschen allen Grund hatten. Wünsche derart ließen sich besonders aus den Kreisen der schlesischen Lcinwandfabrikanten vernehmen; denn für diese war Hamburg bei weitem der wichtigste Ausfuhrhafen, während ihre festländischen Hauptkoukurrenten, Westfalen und Holland, über Bremen und Amsterdam expvrtirten. Der zweitgrößte Zweig der damaligen deutschen Industrie, die Tuchmacherei, wurde von der Hamburger Transitvfreiheit wenig berührt, weil schon vor Einführung der letztern der Einfuhrzoll für englische Tuche gerade für die größten Importeure, die Mitglieder der „Court," ganz geringfügig gewesen war, lind weil es die deutschen Tuchfabrikanten nicht kümmerte, ob die Tuche Englands über Hamburg oder Altona ins Land kamen. Ohne Zweifel aber würde sich dieser Verkehr immer mehr nach der letztern Stadt hingezogen haben, wenn die erstere nicht endlich die Durchfuhr freigegeben hätte. Nach diesen beiden Beispielen aus der gewerblichen Thätigkeit des deutschem Binnenlandes läßt sich die Wirkung der hier besprochenen handels- Pvlitischen Maßregel auf alle andern Zweige der deutsche» Industrie beurteilen, mochten diese damals (was sehr wenig der Fall war) für die Ausfuhr schon genügend entwickelt sein oder nur noch ein kleines Gebiet im Binnenland mit ihren Erzeugnissen versorgen können. Überdies reichte der alte Hamburger Zoll allerdings hin, den Warendurchgaug aus und nach dem Auslande von Hamburg abzulenken, er war aber kaum groß genng, um der Ans- und Ein¬ fuhr der meisten Waren der Industrie als ein ernstes Hindernis in den Weg M treten. Dagegen war die Transitvfreiheit für die Ausfuhr der Rohprvdnkte Deutschlands, soweit es dabei nach dem Obigen in Betracht kam, sür den Export von Getreide. Wolle, Flachs, Hanf, Metallen also, eine sehr bedeutende Erleichterung, da diese Produkte damals uoch bei weitem nicht ganz von den Gewerbsleuten des Inlandes verarbeitet werden konnten. Und ebenso lag es "n Interesse der deutschen Konsumenten, daß ihnen die Kolonialwaren und «üdre notwendige Einfuhrartikel nicht mehr durch die Abgaben verteuert wurden. Hamburg bei deren Durchfuhr bis dahin erhoben hatte. Fast noch ein volles Jahrhundert verging, bis die deutsche Industrie, durch umsichtige Monarchen und große Staatsmänner geschützt und wesentlich unterstützt, sich zu solcher Kraft und Bedeutung erhoben hatte, daß sie anfing, die mittlerweile ebenfalls schärfer ausgebildete Freihnfenstelluilg Hambltrgs und der übrigen Hansestädte als schweren Nachteil zu empfinden und zu beklagen, und abermals ist dann noch die größere Hülste eines Jahrhunderts verflossen, ehe diese inzwischen von partiwlaristischer Beschränktheit und Selbstsucht zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/317>, abgerufen am 26.06.2024.