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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Händlern den Preis für ihre Ware bei Verknusen an Hamburger vorzuschreiben.
Kurzum, mau konnte sich offenbar noch uicht daran gewöhnen, daß die Zeit
für ausschließlichen Prvperhnndel vorbei war und um die Pflege des Kommissions-
uud Speditionsgeschäfts gedacht werden mußte, die der Hamburger Knufmaun
von altem Schrot und Korn bisher als bloße Notbehelfe vermögensloser An¬
fänger angesehen hatte. Namentlich der Rat, der unter dein Banne eines eng-
herzigen Fiskalismus stand und bei seineu Wirtschaftspolitischeu Erwägungen
stets zuerst an die Zolleinnahmc dachte, huldigte solchen veralteten Grundsätzen.
Dagegen gab es in der Kaufmannschaft, obwohl auch sie überwiegend mono¬
polistisch gesinnt war, immer Leute, die den rechten Weg begriffen hatten und
nach ihm hiudrüngteu. Allerdings war die wirtschaftliche Politik des Rates
erklärlich. Die Stadt hatte während des Krieges sehr viel für Befestigungen
und "Soldateska" ausgegeben, auch wiederholt große Kontributionen zahlen
müssen. Der Schutz der Schiffahrt gegen Seeräuber und Kaper fiel haupt¬
sächlich ihr zur Last, und sie hatte das Leuchtfeuer ans Neuwerk sowie die
Tonnen und Baker auf der Elbe zu unterhalten. Sämtliche Zölle waren
also ursprünglich zur Deckung der Kosten öffentlicher Leistungen bestimmt, und
der Rat hätte, wenn er einmal dem Kaiser schrieb, niemand im Reiche be¬
säße solche Zölle sub titulo ni"Fi8 onoro80, nichts unbilliges behauptet, wenn
die Einnahmen der Stadt durch das gewaltige Anwachsen des Weltverkehrs
nicht allmählich viel größer geworden wären, als die soeben bezeichneten Aus¬
gaben. War ferner der Zoll mäßig, so gab es nußer ihm zahlreiche Neben¬
gebühren, die, an sich schou beträchtlich, dem Verkehre dadurch noch lästiger
wurden, dnß sie mit endlosen Plackereien und Weitläufigkeiten verknüpft waren
und somit Zeitverlust und Aufenthalt zur Folge hatten. "Sowohl auf dem
Herren- wie aus dein Bürger- und aus dem Admiralitätszvlle erhielt jeder
Schreiber und jeder Knecht vou jedem Schiffe eine gewisse Gebühr, und da¬
neben mußten alle Schiffs-, Zoll- und Freizettel besonders bezahlt werden.
Handelte es sich um geistige Getränke oder Essig, so hatte man zur Weinaceise
zu gehen und hier gleichfalls um Schreiber und Knecht Gebühren zu entrichten.
Dann knmeii die Hnfenmeister am Niedernbnum oder am Deich, Zvllschreiber
und Zöllner, Vaumschließer und Visiteur um Niedernbnnm, der Zvllnufseher
am Winserbnum, die Aufseher an den Vorsetzen und um den Krym, der Auf¬
seher des Holzzolles um Deichthore, der Börtmcister oder Gildeknecht --
alle hüllen ihre "Accidentien" zu bekommen, von den Zollbenmten am Stein-,
Millern- und Dnmmthvre günz zu schweigen."

Bei solcher Belästigung ist es um so begreiflicher, daß der Hamburger
Stapel im letzten Viertel des siebzehnten Jahrhunderts immer massenhafter
umgangen wurde. Mit der Zunahme der Ausfuhr binnenläudischer Artikel
war die Selbständigkeit der Händler und Schiffer des Binnenlandes gestiegen.
Brandenburg, seit 1680 im Besitze Magdeburgs, begann deu Hamburger Vor-


Händlern den Preis für ihre Ware bei Verknusen an Hamburger vorzuschreiben.
Kurzum, mau konnte sich offenbar noch uicht daran gewöhnen, daß die Zeit
für ausschließlichen Prvperhnndel vorbei war und um die Pflege des Kommissions-
uud Speditionsgeschäfts gedacht werden mußte, die der Hamburger Knufmaun
von altem Schrot und Korn bisher als bloße Notbehelfe vermögensloser An¬
fänger angesehen hatte. Namentlich der Rat, der unter dein Banne eines eng-
herzigen Fiskalismus stand und bei seineu Wirtschaftspolitischeu Erwägungen
stets zuerst an die Zolleinnahmc dachte, huldigte solchen veralteten Grundsätzen.
Dagegen gab es in der Kaufmannschaft, obwohl auch sie überwiegend mono¬
polistisch gesinnt war, immer Leute, die den rechten Weg begriffen hatten und
nach ihm hiudrüngteu. Allerdings war die wirtschaftliche Politik des Rates
erklärlich. Die Stadt hatte während des Krieges sehr viel für Befestigungen
und „Soldateska" ausgegeben, auch wiederholt große Kontributionen zahlen
müssen. Der Schutz der Schiffahrt gegen Seeräuber und Kaper fiel haupt¬
sächlich ihr zur Last, und sie hatte das Leuchtfeuer ans Neuwerk sowie die
Tonnen und Baker auf der Elbe zu unterhalten. Sämtliche Zölle waren
also ursprünglich zur Deckung der Kosten öffentlicher Leistungen bestimmt, und
der Rat hätte, wenn er einmal dem Kaiser schrieb, niemand im Reiche be¬
säße solche Zölle sub titulo ni»Fi8 onoro80, nichts unbilliges behauptet, wenn
die Einnahmen der Stadt durch das gewaltige Anwachsen des Weltverkehrs
nicht allmählich viel größer geworden wären, als die soeben bezeichneten Aus¬
gaben. War ferner der Zoll mäßig, so gab es nußer ihm zahlreiche Neben¬
gebühren, die, an sich schou beträchtlich, dem Verkehre dadurch noch lästiger
wurden, dnß sie mit endlosen Plackereien und Weitläufigkeiten verknüpft waren
und somit Zeitverlust und Aufenthalt zur Folge hatten. „Sowohl auf dem
Herren- wie aus dein Bürger- und aus dem Admiralitätszvlle erhielt jeder
Schreiber und jeder Knecht vou jedem Schiffe eine gewisse Gebühr, und da¬
neben mußten alle Schiffs-, Zoll- und Freizettel besonders bezahlt werden.
Handelte es sich um geistige Getränke oder Essig, so hatte man zur Weinaceise
zu gehen und hier gleichfalls um Schreiber und Knecht Gebühren zu entrichten.
Dann knmeii die Hnfenmeister am Niedernbnum oder am Deich, Zvllschreiber
und Zöllner, Vaumschließer und Visiteur um Niedernbnnm, der Zvllnufseher
am Winserbnum, die Aufseher an den Vorsetzen und um den Krym, der Auf¬
seher des Holzzolles um Deichthore, der Börtmcister oder Gildeknecht —
alle hüllen ihre »Accidentien« zu bekommen, von den Zollbenmten am Stein-,
Millern- und Dnmmthvre günz zu schweigen."

Bei solcher Belästigung ist es um so begreiflicher, daß der Hamburger
Stapel im letzten Viertel des siebzehnten Jahrhunderts immer massenhafter
umgangen wurde. Mit der Zunahme der Ausfuhr binnenläudischer Artikel
war die Selbständigkeit der Händler und Schiffer des Binnenlandes gestiegen.
Brandenburg, seit 1680 im Besitze Magdeburgs, begann deu Hamburger Vor-


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[0314] Händlern den Preis für ihre Ware bei Verknusen an Hamburger vorzuschreiben. Kurzum, mau konnte sich offenbar noch uicht daran gewöhnen, daß die Zeit für ausschließlichen Prvperhnndel vorbei war und um die Pflege des Kommissions- uud Speditionsgeschäfts gedacht werden mußte, die der Hamburger Knufmaun von altem Schrot und Korn bisher als bloße Notbehelfe vermögensloser An¬ fänger angesehen hatte. Namentlich der Rat, der unter dein Banne eines eng- herzigen Fiskalismus stand und bei seineu Wirtschaftspolitischeu Erwägungen stets zuerst an die Zolleinnahmc dachte, huldigte solchen veralteten Grundsätzen. Dagegen gab es in der Kaufmannschaft, obwohl auch sie überwiegend mono¬ polistisch gesinnt war, immer Leute, die den rechten Weg begriffen hatten und nach ihm hiudrüngteu. Allerdings war die wirtschaftliche Politik des Rates erklärlich. Die Stadt hatte während des Krieges sehr viel für Befestigungen und „Soldateska" ausgegeben, auch wiederholt große Kontributionen zahlen müssen. Der Schutz der Schiffahrt gegen Seeräuber und Kaper fiel haupt¬ sächlich ihr zur Last, und sie hatte das Leuchtfeuer ans Neuwerk sowie die Tonnen und Baker auf der Elbe zu unterhalten. Sämtliche Zölle waren also ursprünglich zur Deckung der Kosten öffentlicher Leistungen bestimmt, und der Rat hätte, wenn er einmal dem Kaiser schrieb, niemand im Reiche be¬ säße solche Zölle sub titulo ni»Fi8 onoro80, nichts unbilliges behauptet, wenn die Einnahmen der Stadt durch das gewaltige Anwachsen des Weltverkehrs nicht allmählich viel größer geworden wären, als die soeben bezeichneten Aus¬ gaben. War ferner der Zoll mäßig, so gab es nußer ihm zahlreiche Neben¬ gebühren, die, an sich schou beträchtlich, dem Verkehre dadurch noch lästiger wurden, dnß sie mit endlosen Plackereien und Weitläufigkeiten verknüpft waren und somit Zeitverlust und Aufenthalt zur Folge hatten. „Sowohl auf dem Herren- wie aus dein Bürger- und aus dem Admiralitätszvlle erhielt jeder Schreiber und jeder Knecht vou jedem Schiffe eine gewisse Gebühr, und da¬ neben mußten alle Schiffs-, Zoll- und Freizettel besonders bezahlt werden. Handelte es sich um geistige Getränke oder Essig, so hatte man zur Weinaceise zu gehen und hier gleichfalls um Schreiber und Knecht Gebühren zu entrichten. Dann knmeii die Hnfenmeister am Niedernbnum oder am Deich, Zvllschreiber und Zöllner, Vaumschließer und Visiteur um Niedernbnnm, der Zvllnufseher am Winserbnum, die Aufseher an den Vorsetzen und um den Krym, der Auf¬ seher des Holzzolles um Deichthore, der Börtmcister oder Gildeknecht — alle hüllen ihre »Accidentien« zu bekommen, von den Zollbenmten am Stein-, Millern- und Dnmmthvre günz zu schweigen." Bei solcher Belästigung ist es um so begreiflicher, daß der Hamburger Stapel im letzten Viertel des siebzehnten Jahrhunderts immer massenhafter umgangen wurde. Mit der Zunahme der Ausfuhr binnenläudischer Artikel war die Selbständigkeit der Händler und Schiffer des Binnenlandes gestiegen. Brandenburg, seit 1680 im Besitze Magdeburgs, begann deu Hamburger Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/314>, abgerufen am 26.06.2024.