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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Volksklassen möglichst zu entsprechen, doch bevorzugte sie lange Zeit die In¬
dustrie und den Ausfuhrhandel, und in ihrem Rahmen fand auch die Errich¬
tung von Freihafen Raum. Der Gedanke aber, für einzelne Plätze die Zölle
zu ermäßigen oder aufzuheben und denn Handel derselben sonstige Erleichterungen
zu gewähren, ist durchaus nicht das Kind des Grundsatzes Laisss? iM<zr, lais"^
lÄire, sondern demselben Boden entsprossen, wie die Privilegien des Mittelalters.
Mau begünstigte einzelne Orte, Körperschaften, Handelszweige n. dergl., um
andern den Verkehr und Verdienst abzugraben. Zu diesem Zwecke zunächst
wurden in Italien Livorno und später in Holstein Altona mit Vorrechten
ausgestattet, die durch ihre Natur stark an die "Freiheiten" erinnern, die
im Mittelalter bei Städtegründungen erteilt worden waren. Es war nnr eine
merkantilistische Maßregel zur Hebung des Volkswohlstandes, wenn Friedrich III.
von Dänemark den dicht bei Hamburg gelegenen Flecken Altona .1004, nach¬
dem er ihn zur Stadt erhoben hatte, nnter andern Privilegien auch mit Zoll¬
freiheit für die Durchfuhr aller fremden, sowie für die Ausfuhr der in dein
Orte selbst verfertigten Waren begnadigte. Die dabei obwaltende nächste Ab¬
sicht, dein benachbarten großen Handelsplatze (den Dänemark beiläufig als alte
Landstadt Holsteins betrachtete und am liebsten dem Herzvgtume wieder ein¬
verleibt hätte) Konkurrenz zu machen, wurde erreicht, aber nnr für einige
Zeit. Denn Altona wurde auch ein Sporn für den bis dahin nicht besonders
regen, eher schwerfälligen Unternehmungsgeist der Hamburger und zwang ihn
schließlich, als es gefährlich zu werden begann, seine Fesseln zu sprengen.
Wesentlich aus die Konkurrenz Altvuas sind die Anfänge des Hamburger Frei¬
hafens zurückzuführen, und erheblich wurde durch den Wettkampf mit jener
Stadt die notwendige und bereits begonnene, aber noch sehr langsame Ent-
wicklung Hamburgs ans einem mittelalterlichen Stapelplatze zu einem modernen
Börsenplätze und Zwischenmarkte gefördert.

Bald nach dem westfälischen Frieden begann die Stadt zu spüre),, daß
ihr Stapelrecht schwer bedroht war, indem einerseits von Magdeburg und mit
Unterstützung des großen Kurfürsten von der Mark aus versucht wurde, deu
Hamburger Stapel über Harburg zu umgehen, anderseits Dänemark durch die
erwähnte Begünstigung Monas den Stapelverkehr an der Quelle nbzugrabeu
drohte. Aber zunächst bewog dies die Hamburger nur, ihre alten Rechte schärfer
auszubilden und geltend zu machen. Sie verlangten, daß keinerlei Güter, ins¬
besondre kein Getreide zu Wasser oder zu Lande an ihren Zollstätten vorbei¬
gefahren werde, und daß alle stromabwärts oder von der See her kommenden
Schiffe nur in Hamburg löschen und wieder laden dürften; man stellte den
Grundsatz ans, wer keine Ladung bringe, solle auch keine zurücknehmen, suchte
das alte° Verbot des Handels zwischen Gast und Gast wieder aufzufrischen,
wollte die Fremden zwingen, ihr Getreide nur an Bürger zu verkaufen und
"ur von Bürgern zu kaufe", und dachte sogar daran, den Magdeburger Korn-


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Volksklassen möglichst zu entsprechen, doch bevorzugte sie lange Zeit die In¬
dustrie und den Ausfuhrhandel, und in ihrem Rahmen fand auch die Errich¬
tung von Freihafen Raum. Der Gedanke aber, für einzelne Plätze die Zölle
zu ermäßigen oder aufzuheben und denn Handel derselben sonstige Erleichterungen
zu gewähren, ist durchaus nicht das Kind des Grundsatzes Laisss? iM<zr, lais»^
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Mau begünstigte einzelne Orte, Körperschaften, Handelszweige n. dergl., um
andern den Verkehr und Verdienst abzugraben. Zu diesem Zwecke zunächst
wurden in Italien Livorno und später in Holstein Altona mit Vorrechten
ausgestattet, die durch ihre Natur stark an die „Freiheiten" erinnern, die
im Mittelalter bei Städtegründungen erteilt worden waren. Es war nnr eine
merkantilistische Maßregel zur Hebung des Volkswohlstandes, wenn Friedrich III.
von Dänemark den dicht bei Hamburg gelegenen Flecken Altona .1004, nach¬
dem er ihn zur Stadt erhoben hatte, nnter andern Privilegien auch mit Zoll¬
freiheit für die Durchfuhr aller fremden, sowie für die Ausfuhr der in dein
Orte selbst verfertigten Waren begnadigte. Die dabei obwaltende nächste Ab¬
sicht, dein benachbarten großen Handelsplatze (den Dänemark beiläufig als alte
Landstadt Holsteins betrachtete und am liebsten dem Herzvgtume wieder ein¬
verleibt hätte) Konkurrenz zu machen, wurde erreicht, aber nnr für einige
Zeit. Denn Altona wurde auch ein Sporn für den bis dahin nicht besonders
regen, eher schwerfälligen Unternehmungsgeist der Hamburger und zwang ihn
schließlich, als es gefährlich zu werden begann, seine Fesseln zu sprengen.
Wesentlich aus die Konkurrenz Altvuas sind die Anfänge des Hamburger Frei¬
hafens zurückzuführen, und erheblich wurde durch den Wettkampf mit jener
Stadt die notwendige und bereits begonnene, aber noch sehr langsame Ent-
wicklung Hamburgs ans einem mittelalterlichen Stapelplatze zu einem modernen
Börsenplätze und Zwischenmarkte gefördert.

Bald nach dem westfälischen Frieden begann die Stadt zu spüre),, daß
ihr Stapelrecht schwer bedroht war, indem einerseits von Magdeburg und mit
Unterstützung des großen Kurfürsten von der Mark aus versucht wurde, deu
Hamburger Stapel über Harburg zu umgehen, anderseits Dänemark durch die
erwähnte Begünstigung Monas den Stapelverkehr an der Quelle nbzugrabeu
drohte. Aber zunächst bewog dies die Hamburger nur, ihre alten Rechte schärfer
auszubilden und geltend zu machen. Sie verlangten, daß keinerlei Güter, ins¬
besondre kein Getreide zu Wasser oder zu Lande an ihren Zollstätten vorbei¬
gefahren werde, und daß alle stromabwärts oder von der See her kommenden
Schiffe nur in Hamburg löschen und wieder laden dürften; man stellte den
Grundsatz ans, wer keine Ladung bringe, solle auch keine zurücknehmen, suchte
das alte° Verbot des Handels zwischen Gast und Gast wieder aufzufrischen,
wollte die Fremden zwingen, ihr Getreide nur an Bürger zu verkaufen und
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[0313] Volksklassen möglichst zu entsprechen, doch bevorzugte sie lange Zeit die In¬ dustrie und den Ausfuhrhandel, und in ihrem Rahmen fand auch die Errich¬ tung von Freihafen Raum. Der Gedanke aber, für einzelne Plätze die Zölle zu ermäßigen oder aufzuheben und denn Handel derselben sonstige Erleichterungen zu gewähren, ist durchaus nicht das Kind des Grundsatzes Laisss? iM<zr, lais»^ lÄire, sondern demselben Boden entsprossen, wie die Privilegien des Mittelalters. Mau begünstigte einzelne Orte, Körperschaften, Handelszweige n. dergl., um andern den Verkehr und Verdienst abzugraben. Zu diesem Zwecke zunächst wurden in Italien Livorno und später in Holstein Altona mit Vorrechten ausgestattet, die durch ihre Natur stark an die „Freiheiten" erinnern, die im Mittelalter bei Städtegründungen erteilt worden waren. Es war nnr eine merkantilistische Maßregel zur Hebung des Volkswohlstandes, wenn Friedrich III. von Dänemark den dicht bei Hamburg gelegenen Flecken Altona .1004, nach¬ dem er ihn zur Stadt erhoben hatte, nnter andern Privilegien auch mit Zoll¬ freiheit für die Durchfuhr aller fremden, sowie für die Ausfuhr der in dein Orte selbst verfertigten Waren begnadigte. Die dabei obwaltende nächste Ab¬ sicht, dein benachbarten großen Handelsplatze (den Dänemark beiläufig als alte Landstadt Holsteins betrachtete und am liebsten dem Herzvgtume wieder ein¬ verleibt hätte) Konkurrenz zu machen, wurde erreicht, aber nnr für einige Zeit. Denn Altona wurde auch ein Sporn für den bis dahin nicht besonders regen, eher schwerfälligen Unternehmungsgeist der Hamburger und zwang ihn schließlich, als es gefährlich zu werden begann, seine Fesseln zu sprengen. Wesentlich aus die Konkurrenz Altvuas sind die Anfänge des Hamburger Frei¬ hafens zurückzuführen, und erheblich wurde durch den Wettkampf mit jener Stadt die notwendige und bereits begonnene, aber noch sehr langsame Ent- wicklung Hamburgs ans einem mittelalterlichen Stapelplatze zu einem modernen Börsenplätze und Zwischenmarkte gefördert. Bald nach dem westfälischen Frieden begann die Stadt zu spüre),, daß ihr Stapelrecht schwer bedroht war, indem einerseits von Magdeburg und mit Unterstützung des großen Kurfürsten von der Mark aus versucht wurde, deu Hamburger Stapel über Harburg zu umgehen, anderseits Dänemark durch die erwähnte Begünstigung Monas den Stapelverkehr an der Quelle nbzugrabeu drohte. Aber zunächst bewog dies die Hamburger nur, ihre alten Rechte schärfer auszubilden und geltend zu machen. Sie verlangten, daß keinerlei Güter, ins¬ besondre kein Getreide zu Wasser oder zu Lande an ihren Zollstätten vorbei¬ gefahren werde, und daß alle stromabwärts oder von der See her kommenden Schiffe nur in Hamburg löschen und wieder laden dürften; man stellte den Grundsatz ans, wer keine Ladung bringe, solle auch keine zurücknehmen, suchte das alte° Verbot des Handels zwischen Gast und Gast wieder aufzufrischen, wollte die Fremden zwingen, ihr Getreide nur an Bürger zu verkaufen und "ur von Bürgern zu kaufe», und dachte sogar daran, den Magdeburger Korn- Grenzbowl ! 188!» lZ!>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/313>, abgerufen am 26.06.2024.