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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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^villiam Congreve

Der Olä Laelrelor wurde vierzehn Tage hinter einander aufgeführt, ein
für jene Zeit unerhörter Erfolg. Die Revolution vou 168" hatte eine förm¬
liche Kluft zwischen dein alten nud dein neuen Theater geschaffen. Etheredge
schwieg schon zwanzig Jahre, und Whcherleh fiinfzehn, und keine Stimme tvollte
sich erheben, um ihr Werk fortzusetzen. Nun war ein Nachfolger in William
Congreve erstände", der seine Lehrer weit übertraf. In einem Alter vou
23 Jahren galt Congreve als einer der ersten Dichter seiner Zeit.

Im November IttW wurde der Double Dealer aufgeführt, der aber
wenig Erfolg hatte. Als Grund dafür wird angegeben, daß Congreve gar
zu schonungslos die Schwächen der damaligen Modewelt gegeißelt, insbesondre,
daß er sich gnr zu anzüglich über die damalige Sitte der Frauen, im Theater
eine Maske zu trage", geäußert hatte. Die Sitte war freilich uur zu wohl
begründet, deun wie frei sich die Finnen auch am eig"en Herde unterhalten
"kochte", so war es doch nichts gegen die Freiheiten, die sich die damalige Bühne
erlaubte. Außerdem mißsiele" auch dem Publikum die Monologe, in dene"
Maskwell de" Zuschmiern den Fortschritt der Handlung auseinandersetzt.
Cougreves Vorgänger hatten sich dieses Aufl""ftsmittels sehr selten bedient,
und darum hielt es auch Congreve für nötig, die Anwendung des Mvuvlogs
zu entschuldigen: "Wir dürfe" nicht glaube", daß die betreffende Person zu
uns oder zu sich spricht; sie denkt, und denkt solche Dinge, die laut auszu-
sprechen nicht zu entschuldigen wäre. Dn wir aber heimliche Zuschauer des
Komplottes sind, und der Dichter es nötig'findet, uns das ganze Geheimnis
seines Planes Nüssen zu lassen, so will er uns über die Gedanken seiner
Personen unterrichten und ist gezwungen, z" diesem Zwecke vo" der Rede
Gebrauch zu machen, dn es eben keinen andern Weg giebt, Gedanken mit¬
zuteilen." Die Handlung dieses Stückes hat einige Ähnlichkeit mit Mvliöres
I'arwtls. Namentlich in drei Szenen ist Moliere nachgeahmt, den Congreve
nicht minder als seiner Zeit Wycherley studirt hat. Dryden pries den Dichter
wegen dieses Stückes wieder aufs höchste, indem er ihn den "Niesen vor der
Sintflut," als Fletcher, Ben Jonson u. s. w. gleichstellte und auch Jonathan
Swift ergriff die Feder, um den Ruhm seines Jugendfreundes zu verkünden.

Damals versprach der Dichter dein neuerbauten Lincolns Jnn-Theater,
an dem er selbst Anteil hatte, jedes Jahr ein Stück zu liefern, wenn es ihm
seine Gesundheit erlaube. Dieser Zusatz zeigt, daß es schou damals mit seiner
Gesundheit nicht zum Besten gestanden haben muß. Er hatte zwar vou Hause
aus eine gradezu athletische Körperbeschaffenheit, aver selbst diese hatte seinein
Lebenswandel nicht Trotz bieten können.

Als das Meisterwerk des Dichters wird von vielen Dove lor Dove an¬
gesehen. "In diesem Stücke," sagt Gosse, "kehren die Eigenschaften, die die
frühern Stücke ausgezeichnet hatten, ""d zwar in verstärkte"! Maße, wieder.
Die Empfind""ge", die darin zu"? Aasdruck komme", sind stärker, die Sprache


^villiam Congreve

Der Olä Laelrelor wurde vierzehn Tage hinter einander aufgeführt, ein
für jene Zeit unerhörter Erfolg. Die Revolution vou 168» hatte eine förm¬
liche Kluft zwischen dein alten nud dein neuen Theater geschaffen. Etheredge
schwieg schon zwanzig Jahre, und Whcherleh fiinfzehn, und keine Stimme tvollte
sich erheben, um ihr Werk fortzusetzen. Nun war ein Nachfolger in William
Congreve erstände», der seine Lehrer weit übertraf. In einem Alter vou
23 Jahren galt Congreve als einer der ersten Dichter seiner Zeit.

Im November IttW wurde der Double Dealer aufgeführt, der aber
wenig Erfolg hatte. Als Grund dafür wird angegeben, daß Congreve gar
zu schonungslos die Schwächen der damaligen Modewelt gegeißelt, insbesondre,
daß er sich gnr zu anzüglich über die damalige Sitte der Frauen, im Theater
eine Maske zu trage», geäußert hatte. Die Sitte war freilich uur zu wohl
begründet, deun wie frei sich die Finnen auch am eig»en Herde unterhalten
»kochte», so war es doch nichts gegen die Freiheiten, die sich die damalige Bühne
erlaubte. Außerdem mißsiele» auch dem Publikum die Monologe, in dene»
Maskwell de» Zuschmiern den Fortschritt der Handlung auseinandersetzt.
Cougreves Vorgänger hatten sich dieses Aufl»»ftsmittels sehr selten bedient,
und darum hielt es auch Congreve für nötig, die Anwendung des Mvuvlogs
zu entschuldigen: „Wir dürfe» nicht glaube», daß die betreffende Person zu
uns oder zu sich spricht; sie denkt, und denkt solche Dinge, die laut auszu-
sprechen nicht zu entschuldigen wäre. Dn wir aber heimliche Zuschauer des
Komplottes sind, und der Dichter es nötig'findet, uns das ganze Geheimnis
seines Planes Nüssen zu lassen, so will er uns über die Gedanken seiner
Personen unterrichten und ist gezwungen, z» diesem Zwecke vo» der Rede
Gebrauch zu machen, dn es eben keinen andern Weg giebt, Gedanken mit¬
zuteilen." Die Handlung dieses Stückes hat einige Ähnlichkeit mit Mvliöres
I'arwtls. Namentlich in drei Szenen ist Moliere nachgeahmt, den Congreve
nicht minder als seiner Zeit Wycherley studirt hat. Dryden pries den Dichter
wegen dieses Stückes wieder aufs höchste, indem er ihn den „Niesen vor der
Sintflut," als Fletcher, Ben Jonson u. s. w. gleichstellte und auch Jonathan
Swift ergriff die Feder, um den Ruhm seines Jugendfreundes zu verkünden.

Damals versprach der Dichter dein neuerbauten Lincolns Jnn-Theater,
an dem er selbst Anteil hatte, jedes Jahr ein Stück zu liefern, wenn es ihm
seine Gesundheit erlaube. Dieser Zusatz zeigt, daß es schou damals mit seiner
Gesundheit nicht zum Besten gestanden haben muß. Er hatte zwar vou Hause
aus eine gradezu athletische Körperbeschaffenheit, aver selbst diese hatte seinein
Lebenswandel nicht Trotz bieten können.

Als das Meisterwerk des Dichters wird von vielen Dove lor Dove an¬
gesehen. „In diesem Stücke," sagt Gosse, „kehren die Eigenschaften, die die
frühern Stücke ausgezeichnet hatten, »»d zwar in verstärkte»! Maße, wieder.
Die Empfind»»ge», die darin zu»? Aasdruck komme», sind stärker, die Sprache


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[0285] ^villiam Congreve Der Olä Laelrelor wurde vierzehn Tage hinter einander aufgeführt, ein für jene Zeit unerhörter Erfolg. Die Revolution vou 168» hatte eine förm¬ liche Kluft zwischen dein alten nud dein neuen Theater geschaffen. Etheredge schwieg schon zwanzig Jahre, und Whcherleh fiinfzehn, und keine Stimme tvollte sich erheben, um ihr Werk fortzusetzen. Nun war ein Nachfolger in William Congreve erstände», der seine Lehrer weit übertraf. In einem Alter vou 23 Jahren galt Congreve als einer der ersten Dichter seiner Zeit. Im November IttW wurde der Double Dealer aufgeführt, der aber wenig Erfolg hatte. Als Grund dafür wird angegeben, daß Congreve gar zu schonungslos die Schwächen der damaligen Modewelt gegeißelt, insbesondre, daß er sich gnr zu anzüglich über die damalige Sitte der Frauen, im Theater eine Maske zu trage», geäußert hatte. Die Sitte war freilich uur zu wohl begründet, deun wie frei sich die Finnen auch am eig»en Herde unterhalten »kochte», so war es doch nichts gegen die Freiheiten, die sich die damalige Bühne erlaubte. Außerdem mißsiele» auch dem Publikum die Monologe, in dene» Maskwell de» Zuschmiern den Fortschritt der Handlung auseinandersetzt. Cougreves Vorgänger hatten sich dieses Aufl»»ftsmittels sehr selten bedient, und darum hielt es auch Congreve für nötig, die Anwendung des Mvuvlogs zu entschuldigen: „Wir dürfe» nicht glaube», daß die betreffende Person zu uns oder zu sich spricht; sie denkt, und denkt solche Dinge, die laut auszu- sprechen nicht zu entschuldigen wäre. Dn wir aber heimliche Zuschauer des Komplottes sind, und der Dichter es nötig'findet, uns das ganze Geheimnis seines Planes Nüssen zu lassen, so will er uns über die Gedanken seiner Personen unterrichten und ist gezwungen, z» diesem Zwecke vo» der Rede Gebrauch zu machen, dn es eben keinen andern Weg giebt, Gedanken mit¬ zuteilen." Die Handlung dieses Stückes hat einige Ähnlichkeit mit Mvliöres I'arwtls. Namentlich in drei Szenen ist Moliere nachgeahmt, den Congreve nicht minder als seiner Zeit Wycherley studirt hat. Dryden pries den Dichter wegen dieses Stückes wieder aufs höchste, indem er ihn den „Niesen vor der Sintflut," als Fletcher, Ben Jonson u. s. w. gleichstellte und auch Jonathan Swift ergriff die Feder, um den Ruhm seines Jugendfreundes zu verkünden. Damals versprach der Dichter dein neuerbauten Lincolns Jnn-Theater, an dem er selbst Anteil hatte, jedes Jahr ein Stück zu liefern, wenn es ihm seine Gesundheit erlaube. Dieser Zusatz zeigt, daß es schou damals mit seiner Gesundheit nicht zum Besten gestanden haben muß. Er hatte zwar vou Hause aus eine gradezu athletische Körperbeschaffenheit, aver selbst diese hatte seinein Lebenswandel nicht Trotz bieten können. Als das Meisterwerk des Dichters wird von vielen Dove lor Dove an¬ gesehen. „In diesem Stücke," sagt Gosse, „kehren die Eigenschaften, die die frühern Stücke ausgezeichnet hatten, »»d zwar in verstärkte»! Maße, wieder. Die Empfind»»ge», die darin zu»? Aasdruck komme», sind stärker, die Sprache

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/285>, abgerufen am 26.06.2024.