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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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weiteres zur Versicherungswesen

beitragen sehr wirksam ausübt, zum Schaden einer fortschreitenden Entwicklung
einfach beseitigen.

Eine dem Gefahreugrade jedes Versicherungsobjekts entsprechende oder doch
möglichst nahe kommende Preisbemessung der Feuerversicherung ist also die
Grundbedingung für ihren rationellen Betrieb. Grade der Umstand, daß die
öffentlichen Anstalten in diesem Punkte im allgemeinen mangelhaftere Leistungen
als die Privatanstalten aufweisen, ist eine der Hauptursachen, daß sie den
Privatanstalten gegenüber nicht größere und schnellere Ausbreitung ihres Ge¬
schäfts gewinnen, und er wird ihnen allseitig zum Vorwurf gemacht. Aber auch
bei den Privatanstalten ist die Preisbemessung der Versicherung keineswegs
vollkommen und gerecht. Hier wird sie, wenigstens soweit die Erwerbsgesell¬
schaften in Betracht kommen, durch das Streben nach möglichst hohen Prämien
und durch die Konkurrenz um die einzelnen Versicherungsobjekte, also dnrch
Umstände, die mit dem Gefahrengrade keinen unmittelbaren Zusammenhang
haben, beeinträchtigt, und, was die Hauptsache ist, der Gefahrengrad jeder
Klasse von Versichernngsobjekten ist auch den Privatanstalten nur höchst un¬
genügend bekannt, weil es an den Einrichtungen, die zur Ermittelung dieses
Gcfahrengrades erforderlich sind, bisher vollständig gefehlt hat. Der Natur der
Sache nach leuchtet ohne weiteres ein, daß solche Einrichtungen nnr in einer
umfassenden vergleichenden Statistik der Feuerversicherungen, in Klassen mög¬
lichst gleichartiger Objekte zerlegt, lind der auf jede Klasse fallenden Schaden¬
fälle bestehen können. Nun führen zwar einzelne Anstalten für ihr eignes
Geschäft eine solche Statistik, halten sie aber, um ihren Konkurrenten den ver¬
meintlichen Nutzen derselben nicht zu teil werden zu lassen, sorgfältig geheim,
und es läßt sich deshalb über den Wert oder Unwert der angewandten Me¬
thoden und ihrer Ergebnisse kein Urteil abgeben; außerdem ist es klar, daß
eine Statistik der erwähnten Art, wenn sie sichre und richtige Schlüsse gestatten
soll, nicht ans das Geschäft einer einzelnen Anstalt, das sich ja immer nur
auf einen verhältnismäßig geringen Bruchteil der vorhandenen Versichernngs-
objette erstreckt, beschränkt bleiben darf, sondern so umfassend und allgemein wie
möglich betrieben werden muß. Diese Erkenntnis ist den Privatanstalten nicht
verborgen geblieben. Der Verband deutscher Privatfenerversichernngsanstnlten ist
lant seinen Statuten ansgesprochnermaßen hauptsächlich zu dein Zwecke be¬
gründet worden, um eine gemeinsame Feuerversicherungsstatistik einzurichten
und dazu auch die außerhalb des Verbandes stehenden, in Deutschland arbeitenden
Anstalten heranzuziehn. Bis hente -- in 1K Jahren -- ist aber nicht das
Geringste geschehen, um diesen Zweck zu verwirklichen. Auch die öffentlichen
Anstalten sind auf diesem Felde so gut wie ganz unthätig geblieben.

Erwägt man nun, daß der Staat ein hohes Interesse daran hat, zu be¬
aufsichtigen, in welcher Weise ein so allgemeines wirtschaftliches Bedürfnis
wie die Feuerversicherung Befriedigung findet, daß es dazu kein gleich znver-


Grenzboteil 1 1839 33
weiteres zur Versicherungswesen

beitragen sehr wirksam ausübt, zum Schaden einer fortschreitenden Entwicklung
einfach beseitigen.

Eine dem Gefahreugrade jedes Versicherungsobjekts entsprechende oder doch
möglichst nahe kommende Preisbemessung der Feuerversicherung ist also die
Grundbedingung für ihren rationellen Betrieb. Grade der Umstand, daß die
öffentlichen Anstalten in diesem Punkte im allgemeinen mangelhaftere Leistungen
als die Privatanstalten aufweisen, ist eine der Hauptursachen, daß sie den
Privatanstalten gegenüber nicht größere und schnellere Ausbreitung ihres Ge¬
schäfts gewinnen, und er wird ihnen allseitig zum Vorwurf gemacht. Aber auch
bei den Privatanstalten ist die Preisbemessung der Versicherung keineswegs
vollkommen und gerecht. Hier wird sie, wenigstens soweit die Erwerbsgesell¬
schaften in Betracht kommen, durch das Streben nach möglichst hohen Prämien
und durch die Konkurrenz um die einzelnen Versicherungsobjekte, also dnrch
Umstände, die mit dem Gefahrengrade keinen unmittelbaren Zusammenhang
haben, beeinträchtigt, und, was die Hauptsache ist, der Gefahrengrad jeder
Klasse von Versichernngsobjekten ist auch den Privatanstalten nur höchst un¬
genügend bekannt, weil es an den Einrichtungen, die zur Ermittelung dieses
Gcfahrengrades erforderlich sind, bisher vollständig gefehlt hat. Der Natur der
Sache nach leuchtet ohne weiteres ein, daß solche Einrichtungen nnr in einer
umfassenden vergleichenden Statistik der Feuerversicherungen, in Klassen mög¬
lichst gleichartiger Objekte zerlegt, lind der auf jede Klasse fallenden Schaden¬
fälle bestehen können. Nun führen zwar einzelne Anstalten für ihr eignes
Geschäft eine solche Statistik, halten sie aber, um ihren Konkurrenten den ver¬
meintlichen Nutzen derselben nicht zu teil werden zu lassen, sorgfältig geheim,
und es läßt sich deshalb über den Wert oder Unwert der angewandten Me¬
thoden und ihrer Ergebnisse kein Urteil abgeben; außerdem ist es klar, daß
eine Statistik der erwähnten Art, wenn sie sichre und richtige Schlüsse gestatten
soll, nicht ans das Geschäft einer einzelnen Anstalt, das sich ja immer nur
auf einen verhältnismäßig geringen Bruchteil der vorhandenen Versichernngs-
objette erstreckt, beschränkt bleiben darf, sondern so umfassend und allgemein wie
möglich betrieben werden muß. Diese Erkenntnis ist den Privatanstalten nicht
verborgen geblieben. Der Verband deutscher Privatfenerversichernngsanstnlten ist
lant seinen Statuten ansgesprochnermaßen hauptsächlich zu dein Zwecke be¬
gründet worden, um eine gemeinsame Feuerversicherungsstatistik einzurichten
und dazu auch die außerhalb des Verbandes stehenden, in Deutschland arbeitenden
Anstalten heranzuziehn. Bis hente — in 1K Jahren — ist aber nicht das
Geringste geschehen, um diesen Zweck zu verwirklichen. Auch die öffentlichen
Anstalten sind auf diesem Felde so gut wie ganz unthätig geblieben.

Erwägt man nun, daß der Staat ein hohes Interesse daran hat, zu be¬
aufsichtigen, in welcher Weise ein so allgemeines wirtschaftliches Bedürfnis
wie die Feuerversicherung Befriedigung findet, daß es dazu kein gleich znver-


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[0265] weiteres zur Versicherungswesen beitragen sehr wirksam ausübt, zum Schaden einer fortschreitenden Entwicklung einfach beseitigen. Eine dem Gefahreugrade jedes Versicherungsobjekts entsprechende oder doch möglichst nahe kommende Preisbemessung der Feuerversicherung ist also die Grundbedingung für ihren rationellen Betrieb. Grade der Umstand, daß die öffentlichen Anstalten in diesem Punkte im allgemeinen mangelhaftere Leistungen als die Privatanstalten aufweisen, ist eine der Hauptursachen, daß sie den Privatanstalten gegenüber nicht größere und schnellere Ausbreitung ihres Ge¬ schäfts gewinnen, und er wird ihnen allseitig zum Vorwurf gemacht. Aber auch bei den Privatanstalten ist die Preisbemessung der Versicherung keineswegs vollkommen und gerecht. Hier wird sie, wenigstens soweit die Erwerbsgesell¬ schaften in Betracht kommen, durch das Streben nach möglichst hohen Prämien und durch die Konkurrenz um die einzelnen Versicherungsobjekte, also dnrch Umstände, die mit dem Gefahrengrade keinen unmittelbaren Zusammenhang haben, beeinträchtigt, und, was die Hauptsache ist, der Gefahrengrad jeder Klasse von Versichernngsobjekten ist auch den Privatanstalten nur höchst un¬ genügend bekannt, weil es an den Einrichtungen, die zur Ermittelung dieses Gcfahrengrades erforderlich sind, bisher vollständig gefehlt hat. Der Natur der Sache nach leuchtet ohne weiteres ein, daß solche Einrichtungen nnr in einer umfassenden vergleichenden Statistik der Feuerversicherungen, in Klassen mög¬ lichst gleichartiger Objekte zerlegt, lind der auf jede Klasse fallenden Schaden¬ fälle bestehen können. Nun führen zwar einzelne Anstalten für ihr eignes Geschäft eine solche Statistik, halten sie aber, um ihren Konkurrenten den ver¬ meintlichen Nutzen derselben nicht zu teil werden zu lassen, sorgfältig geheim, und es läßt sich deshalb über den Wert oder Unwert der angewandten Me¬ thoden und ihrer Ergebnisse kein Urteil abgeben; außerdem ist es klar, daß eine Statistik der erwähnten Art, wenn sie sichre und richtige Schlüsse gestatten soll, nicht ans das Geschäft einer einzelnen Anstalt, das sich ja immer nur auf einen verhältnismäßig geringen Bruchteil der vorhandenen Versichernngs- objette erstreckt, beschränkt bleiben darf, sondern so umfassend und allgemein wie möglich betrieben werden muß. Diese Erkenntnis ist den Privatanstalten nicht verborgen geblieben. Der Verband deutscher Privatfenerversichernngsanstnlten ist lant seinen Statuten ansgesprochnermaßen hauptsächlich zu dein Zwecke be¬ gründet worden, um eine gemeinsame Feuerversicherungsstatistik einzurichten und dazu auch die außerhalb des Verbandes stehenden, in Deutschland arbeitenden Anstalten heranzuziehn. Bis hente — in 1K Jahren — ist aber nicht das Geringste geschehen, um diesen Zweck zu verwirklichen. Auch die öffentlichen Anstalten sind auf diesem Felde so gut wie ganz unthätig geblieben. Erwägt man nun, daß der Staat ein hohes Interesse daran hat, zu be¬ aufsichtigen, in welcher Weise ein so allgemeines wirtschaftliches Bedürfnis wie die Feuerversicherung Befriedigung findet, daß es dazu kein gleich znver- Grenzboteil 1 1839 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/265>, abgerufen am 26.06.2024.