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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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nicht etwa bloß verändert, sondern beseitigt werden. Man will etwas ganz
neues, und wenn es die Diktatur Voulangers wäre. Hat man sie, so sängt
das alte Spiel natürlich von vorn an. Dann giebts Revision und Plebiszit,
wenn der Diktator es nicht für geraten hält, statt der Stimmzettel Kartätschen
sprechen zu lassen und so der ewigen Unruhe sür einige Zeit Schweigen zu
gebieten. Auch die Republik kann sich nur durch die äußerste Anwendung von
Kraft halten. Nicht Nedehelden und Phrasendreher wie Floquet, sondern
Männer, die ebenso entschlossen wie klug sind, bedarf sie in ihrer Not, aber
vergebens wird schon lange nach einem solchen Retter gesucht; denn auch Ferrys
Energie erreicht das Kaliber nicht, das genügen würde.




Weiteres zum Versicherungswesen
2. Line Leuerversicherungs- und Schäden-Statistik

er Betrieb der Feuerversicherung in Deutschland, der öffentlichen
wie der privaten, entbehrt bis heute der uotmendigeu wissen¬
schaftlichen Grundlage.

Jedes Versicherungsobjekt trägt eine Gefahr für den Eintritt
des Schadenereignisses in sich, deren Wahrscheinlichkeitsgrad für
die Beitrags- oder Prämienleistnng maßgebend sein soll. Dieser Grundsatz
entspricht der Gerechtigkeit und ist der einzig rationelle für die Preisbemessung
der Versicherung. Alle andern in dieser Beziehung aufgestellten Theorien, die
von diesem Grundsätze abweichen, so namentlich die von Professor Wagner
ausgesprochene Ansicht, man müsse einzelne Klassen von Versicherungsobjekteu,
die einen höhern Gefahrengrad in sich tragen, zu Lasten andrer Klassen von
geringerem Gefahrengrade in der Preisbemessung für die Feuerversicherung
bevorzugen, weil die gegenwärtigen Besitzer jener Versicheruugsvbjekte für deren
aus der Vergangenheit überkommenen -- vom Standpunkte des Feuerversicherers
aus betrachtet -- gefährlichen Zustand uicht verantwortlich sind und pekuniär
nicht darunter leiden können, ist, solange man nicht ein Zwangsversicherungs¬
monopol einführen kann oder will, thatsächlich undurchführbar. Man wiirde
mit Annahme einer derartigen Theorie auch den Anreiz, den eine gerechte, der
Gefahr entsprechende Preisbemessung der Versicherung zur Verbesserung jener
gefährlicheren Objekte durch das Verlangen nach möglichst billigen Versichernngs-


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nicht etwa bloß verändert, sondern beseitigt werden. Man will etwas ganz
neues, und wenn es die Diktatur Voulangers wäre. Hat man sie, so sängt
das alte Spiel natürlich von vorn an. Dann giebts Revision und Plebiszit,
wenn der Diktator es nicht für geraten hält, statt der Stimmzettel Kartätschen
sprechen zu lassen und so der ewigen Unruhe sür einige Zeit Schweigen zu
gebieten. Auch die Republik kann sich nur durch die äußerste Anwendung von
Kraft halten. Nicht Nedehelden und Phrasendreher wie Floquet, sondern
Männer, die ebenso entschlossen wie klug sind, bedarf sie in ihrer Not, aber
vergebens wird schon lange nach einem solchen Retter gesucht; denn auch Ferrys
Energie erreicht das Kaliber nicht, das genügen würde.




Weiteres zum Versicherungswesen
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er Betrieb der Feuerversicherung in Deutschland, der öffentlichen
wie der privaten, entbehrt bis heute der uotmendigeu wissen¬
schaftlichen Grundlage.

Jedes Versicherungsobjekt trägt eine Gefahr für den Eintritt
des Schadenereignisses in sich, deren Wahrscheinlichkeitsgrad für
die Beitrags- oder Prämienleistnng maßgebend sein soll. Dieser Grundsatz
entspricht der Gerechtigkeit und ist der einzig rationelle für die Preisbemessung
der Versicherung. Alle andern in dieser Beziehung aufgestellten Theorien, die
von diesem Grundsätze abweichen, so namentlich die von Professor Wagner
ausgesprochene Ansicht, man müsse einzelne Klassen von Versicherungsobjekteu,
die einen höhern Gefahrengrad in sich tragen, zu Lasten andrer Klassen von
geringerem Gefahrengrade in der Preisbemessung für die Feuerversicherung
bevorzugen, weil die gegenwärtigen Besitzer jener Versicheruugsvbjekte für deren
aus der Vergangenheit überkommenen — vom Standpunkte des Feuerversicherers
aus betrachtet — gefährlichen Zustand uicht verantwortlich sind und pekuniär
nicht darunter leiden können, ist, solange man nicht ein Zwangsversicherungs¬
monopol einführen kann oder will, thatsächlich undurchführbar. Man wiirde
mit Annahme einer derartigen Theorie auch den Anreiz, den eine gerechte, der
Gefahr entsprechende Preisbemessung der Versicherung zur Verbesserung jener
gefährlicheren Objekte durch das Verlangen nach möglichst billigen Versichernngs-


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[0264] weiteres zum Versichernngsivese>l nicht etwa bloß verändert, sondern beseitigt werden. Man will etwas ganz neues, und wenn es die Diktatur Voulangers wäre. Hat man sie, so sängt das alte Spiel natürlich von vorn an. Dann giebts Revision und Plebiszit, wenn der Diktator es nicht für geraten hält, statt der Stimmzettel Kartätschen sprechen zu lassen und so der ewigen Unruhe sür einige Zeit Schweigen zu gebieten. Auch die Republik kann sich nur durch die äußerste Anwendung von Kraft halten. Nicht Nedehelden und Phrasendreher wie Floquet, sondern Männer, die ebenso entschlossen wie klug sind, bedarf sie in ihrer Not, aber vergebens wird schon lange nach einem solchen Retter gesucht; denn auch Ferrys Energie erreicht das Kaliber nicht, das genügen würde. Weiteres zum Versicherungswesen 2. Line Leuerversicherungs- und Schäden-Statistik er Betrieb der Feuerversicherung in Deutschland, der öffentlichen wie der privaten, entbehrt bis heute der uotmendigeu wissen¬ schaftlichen Grundlage. Jedes Versicherungsobjekt trägt eine Gefahr für den Eintritt des Schadenereignisses in sich, deren Wahrscheinlichkeitsgrad für die Beitrags- oder Prämienleistnng maßgebend sein soll. Dieser Grundsatz entspricht der Gerechtigkeit und ist der einzig rationelle für die Preisbemessung der Versicherung. Alle andern in dieser Beziehung aufgestellten Theorien, die von diesem Grundsätze abweichen, so namentlich die von Professor Wagner ausgesprochene Ansicht, man müsse einzelne Klassen von Versicherungsobjekteu, die einen höhern Gefahrengrad in sich tragen, zu Lasten andrer Klassen von geringerem Gefahrengrade in der Preisbemessung für die Feuerversicherung bevorzugen, weil die gegenwärtigen Besitzer jener Versicheruugsvbjekte für deren aus der Vergangenheit überkommenen — vom Standpunkte des Feuerversicherers aus betrachtet — gefährlichen Zustand uicht verantwortlich sind und pekuniär nicht darunter leiden können, ist, solange man nicht ein Zwangsversicherungs¬ monopol einführen kann oder will, thatsächlich undurchführbar. Man wiirde mit Annahme einer derartigen Theorie auch den Anreiz, den eine gerechte, der Gefahr entsprechende Preisbemessung der Versicherung zur Verbesserung jener gefährlicheren Objekte durch das Verlangen nach möglichst billigen Versichernngs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/264>, abgerufen am 26.06.2024.