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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die letzten U)adieu in Paris

el Gelegenheit der Weltausstellung, die Paris im Jahre 1878
veranstaltete, war Fraukreich eitel Stolz und Befriedigung über
die Verfassung, die es sich nach dein Sturze Napoleons gegeben
hatte. Wie gut man es doch gemacht, das Werk, wie trefflich
es sich bewährt, welchen Segen es dein Lande gebracht hatte!
"Schaut her!", rief der Noniwur, "in sieben Jahren schon haben wir unsre
Unfälle ausgeglichen," und jubelnd posaunte die Rvxubli^u" I'raneMLv der Welt
zu: "Die parlamentarische Republik hat sich jetzt den Völkern Enropas vor¬
gestellt; sie ist bestätigt." Der Minister Marcöre sprach im Brusttöne der Über-
zeugung: "Das Werk, das unsre Väter begonnen, ist vollendet; keine Kämpfe,
keine Besiegte" mehr!" Gambetta endlich, der Wortführer der damals herr¬
schenden Partei, erklärte siegesstolz über die nunmehr verwirklichte ideale Staats¬
form, aber zugleich großmütig gegen die mit ihr noch nicht beglückten Nachbarn:
"Bilden wir eine Musterregierung aus, die den Franzosen allein gehört, und
treiben wir kein Ausfuhrgeschäft mit unsern Theorien."

Die letzten Jahre haben gezeigt, wie grundlos dieser Stolz war. Die
Musterregierung Gambettas ist nicht zu Stande gekommen, und Marevres Aus¬
ruf: "Keine Kämpfe mehr!", der eine Prophezeihung sein sollte, ist nicht ein¬
getroffen, sondern ein frommer Wunsch geblieben, der statt seiner Erfüllung
das reine Gegenteil erlebt hat. An die Stelle kurzdauernder Befriedigung ist
fast allgemeine Unzufriedenheit mit der bisherigen Weise der Regierung Frank¬
reichs getreten; denn nnr so ist der rasche und unaufhaltsame Erfolg Vou-
laugers und seiner Partei, ist jetzt die ungeheure Mehrheit, mit der ihn Paris
in die Deputirtenkammer gewählt hat, zu erklären. Der General ist ein Meister
und Held der Reklame, und die Franzosen sind der Reklame zugänglicher als


GrcnzbvMi I 188" 32


Die letzten U)adieu in Paris

el Gelegenheit der Weltausstellung, die Paris im Jahre 1878
veranstaltete, war Fraukreich eitel Stolz und Befriedigung über
die Verfassung, die es sich nach dein Sturze Napoleons gegeben
hatte. Wie gut man es doch gemacht, das Werk, wie trefflich
es sich bewährt, welchen Segen es dein Lande gebracht hatte!
„Schaut her!", rief der Noniwur, „in sieben Jahren schon haben wir unsre
Unfälle ausgeglichen," und jubelnd posaunte die Rvxubli^u» I'raneMLv der Welt
zu: „Die parlamentarische Republik hat sich jetzt den Völkern Enropas vor¬
gestellt; sie ist bestätigt." Der Minister Marcöre sprach im Brusttöne der Über-
zeugung: „Das Werk, das unsre Väter begonnen, ist vollendet; keine Kämpfe,
keine Besiegte» mehr!" Gambetta endlich, der Wortführer der damals herr¬
schenden Partei, erklärte siegesstolz über die nunmehr verwirklichte ideale Staats¬
form, aber zugleich großmütig gegen die mit ihr noch nicht beglückten Nachbarn:
„Bilden wir eine Musterregierung aus, die den Franzosen allein gehört, und
treiben wir kein Ausfuhrgeschäft mit unsern Theorien."

Die letzten Jahre haben gezeigt, wie grundlos dieser Stolz war. Die
Musterregierung Gambettas ist nicht zu Stande gekommen, und Marevres Aus¬
ruf: „Keine Kämpfe mehr!", der eine Prophezeihung sein sollte, ist nicht ein¬
getroffen, sondern ein frommer Wunsch geblieben, der statt seiner Erfüllung
das reine Gegenteil erlebt hat. An die Stelle kurzdauernder Befriedigung ist
fast allgemeine Unzufriedenheit mit der bisherigen Weise der Regierung Frank¬
reichs getreten; denn nnr so ist der rasche und unaufhaltsame Erfolg Vou-
laugers und seiner Partei, ist jetzt die ungeheure Mehrheit, mit der ihn Paris
in die Deputirtenkammer gewählt hat, zu erklären. Der General ist ein Meister
und Held der Reklame, und die Franzosen sind der Reklame zugänglicher als


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[0257] [Abbildung] Die letzten U)adieu in Paris el Gelegenheit der Weltausstellung, die Paris im Jahre 1878 veranstaltete, war Fraukreich eitel Stolz und Befriedigung über die Verfassung, die es sich nach dein Sturze Napoleons gegeben hatte. Wie gut man es doch gemacht, das Werk, wie trefflich es sich bewährt, welchen Segen es dein Lande gebracht hatte! „Schaut her!", rief der Noniwur, „in sieben Jahren schon haben wir unsre Unfälle ausgeglichen," und jubelnd posaunte die Rvxubli^u» I'raneMLv der Welt zu: „Die parlamentarische Republik hat sich jetzt den Völkern Enropas vor¬ gestellt; sie ist bestätigt." Der Minister Marcöre sprach im Brusttöne der Über- zeugung: „Das Werk, das unsre Väter begonnen, ist vollendet; keine Kämpfe, keine Besiegte» mehr!" Gambetta endlich, der Wortführer der damals herr¬ schenden Partei, erklärte siegesstolz über die nunmehr verwirklichte ideale Staats¬ form, aber zugleich großmütig gegen die mit ihr noch nicht beglückten Nachbarn: „Bilden wir eine Musterregierung aus, die den Franzosen allein gehört, und treiben wir kein Ausfuhrgeschäft mit unsern Theorien." Die letzten Jahre haben gezeigt, wie grundlos dieser Stolz war. Die Musterregierung Gambettas ist nicht zu Stande gekommen, und Marevres Aus¬ ruf: „Keine Kämpfe mehr!", der eine Prophezeihung sein sollte, ist nicht ein¬ getroffen, sondern ein frommer Wunsch geblieben, der statt seiner Erfüllung das reine Gegenteil erlebt hat. An die Stelle kurzdauernder Befriedigung ist fast allgemeine Unzufriedenheit mit der bisherigen Weise der Regierung Frank¬ reichs getreten; denn nnr so ist der rasche und unaufhaltsame Erfolg Vou- laugers und seiner Partei, ist jetzt die ungeheure Mehrheit, mit der ihn Paris in die Deputirtenkammer gewählt hat, zu erklären. Der General ist ein Meister und Held der Reklame, und die Franzosen sind der Reklame zugänglicher als GrcnzbvMi I 188» 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/257>, abgerufen am 26.06.2024.