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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die gemißhandelten Unabhängigen

der französische" Nation die mächtige" Kulturnnsgaben unsrer Zeit nicht mehr
zu löse" sind, das; heutzutage Mi,', andre T"ge"de>r und Tüchligkeite" M5
Feld gefi'ihre lverden iniissen, wenn man "an der Spitze der Zivilisation mar
schieren" will.




Die gemißhandelten Unabhängigen

ir Wilden sind doch bessre Menschen! Sollten die reichstrenen
Parteien einmal in die Gewalt der 'Freisinnigen geraten, so
würden sie ans keine Gnade zu rechnen haben. Wir aber es
ist ein Fehler, in der Politik soll man nicht empfindsam sein
wir können "us bei dem Anblick des heriintergekoinmenen Frei
si""s nicht des Mitleids erwehren. Da hielt der Generalissimus Richter Heer¬
schall über seine Getreuen, und zu dem Zwecke mußte er sich doch aufs hohe Noß
setzen; doch während der bravo gvnorick seinen Rappen tnnnneln kann, hatte unser
armer Richter wir den siech lind lahm zur Welt gekommenen unglücklichen Klepper
"Angstprvdnkt" zur Berfngnng. Wie weit ist es mit ihn, gekommen, wenn er
diesen, zu Tode gehetzten Gaut noch immer nicht das Gnadenbrod gewähren
darf! Man sagt doch sonst, gut gegangen sei besser als schlecht geritten, und
so beritten sein, das kann ""möglich zur Erhöh""g des Ansehens beitragen;
irgend ein Bekannter ans der Gilde der Nvßtänscher würde ja wohl ans Ge¬
selligkeit für Paradezwecke einen etwas weniger ruppiger Nvsinnnte Herleihen,
immerhin ist es hübsch von Herrn Richter, daß er trotz alles Mißgeschickes
>was immer "Stolz" empfindet, an der Spitze der freismmgen Presse zu mar
schiere"; "ein Jude bleibe ich doch," sagte jener, "bin ich lieber gleich stolz
dnranf." In der That sind es stattliche Kämpen, die er kommandirt, die Boll-
^früeih-Zeitung das Tageblatt, das eine so unerschöpfliche Phantasie hat,
'vie jener Aufschneider, der die ungläubigen Zuhörer dnrch die Wendung zu
^'bluffen liebte: "ich Habs von einem, der mirs selbst gesagt hat" , der
Paul-Louis-Börsen-Kurier, die Nation (der Ton ist ans den Artikel zu
^am), und dazu noch, wofür weder in Falstaffs noch in Spiegelbergs Kom¬
pagnie gesorgt war, eine liebe Tante Marketenderin; "stehen dir in einem
Renommee vierzig Meileli weit, das nicht zu begreifen ist," oder wie der Herr
Hmlptmann sagt: "das ist die unabhängige Presse, welche auch dem mächtigsten
Alanne in Europa die Wahrheit zu sagen wagt."


Grenzboten 1 1889 24
Die gemißhandelten Unabhängigen

der französische» Nation die mächtige» Kulturnnsgaben unsrer Zeit nicht mehr
zu löse» sind, das; heutzutage Mi,', andre T»ge»de>r und Tüchligkeite» M5
Feld gefi'ihre lverden iniissen, wenn man „an der Spitze der Zivilisation mar
schieren" will.




Die gemißhandelten Unabhängigen

ir Wilden sind doch bessre Menschen! Sollten die reichstrenen
Parteien einmal in die Gewalt der 'Freisinnigen geraten, so
würden sie ans keine Gnade zu rechnen haben. Wir aber es
ist ein Fehler, in der Politik soll man nicht empfindsam sein
wir können »us bei dem Anblick des heriintergekoinmenen Frei
si»»s nicht des Mitleids erwehren. Da hielt der Generalissimus Richter Heer¬
schall über seine Getreuen, und zu dem Zwecke mußte er sich doch aufs hohe Noß
setzen; doch während der bravo gvnorick seinen Rappen tnnnneln kann, hatte unser
armer Richter wir den siech lind lahm zur Welt gekommenen unglücklichen Klepper
„Angstprvdnkt" zur Berfngnng. Wie weit ist es mit ihn, gekommen, wenn er
diesen, zu Tode gehetzten Gaut noch immer nicht das Gnadenbrod gewähren
darf! Man sagt doch sonst, gut gegangen sei besser als schlecht geritten, und
so beritten sein, das kann »»möglich zur Erhöh»»g des Ansehens beitragen;
irgend ein Bekannter ans der Gilde der Nvßtänscher würde ja wohl ans Ge¬
selligkeit für Paradezwecke einen etwas weniger ruppiger Nvsinnnte Herleihen,
immerhin ist es hübsch von Herrn Richter, daß er trotz alles Mißgeschickes
>was immer „Stolz" empfindet, an der Spitze der freismmgen Presse zu mar
schiere»; „ein Jude bleibe ich doch," sagte jener, „bin ich lieber gleich stolz
dnranf." In der That sind es stattliche Kämpen, die er kommandirt, die Boll-
^früeih-Zeitung das Tageblatt, das eine so unerschöpfliche Phantasie hat,
'vie jener Aufschneider, der die ungläubigen Zuhörer dnrch die Wendung zu
^'bluffen liebte: „ich Habs von einem, der mirs selbst gesagt hat" , der
Paul-Louis-Börsen-Kurier, die Nation (der Ton ist ans den Artikel zu
^am), und dazu noch, wofür weder in Falstaffs noch in Spiegelbergs Kom¬
pagnie gesorgt war, eine liebe Tante Marketenderin; „stehen dir in einem
Renommee vierzig Meileli weit, das nicht zu begreifen ist," oder wie der Herr
Hmlptmann sagt: „das ist die unabhängige Presse, welche auch dem mächtigsten
Alanne in Europa die Wahrheit zu sagen wagt."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/193>, abgerufen am 29.06.2024.