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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Auch hier arbeitete er wieder, nachdem er das Stoffliche überwunden hatte,
erstaunlich schnell. Noch an, 20. Februar 1812 hofft er, feinen nächsten
Borwurf zu einen, Stück in der Geschichte Tirols zu finden; Mitte März (15.)
ist schon "der ungarische Leonidas, Graf Zriny," sein Augenmerk. Es ist seiner
Ansicht nach el" Stoff, der alle mögliche" Vorzüge einer dramatischen Be¬
arbeitung in sich hat. Den 9. März beabsichtigt er, den Plan zum "Zriny"
Goethen nach Karlsbad zu schicke". Unterm 29. März dankt er dein Vater
für die Mühe, ihm die Quellen aufgeschrieben zu haben. Am 18. April will
er mit frischem Mute an das neue Stück gehen. Keine zwei Monate, und
am ">. Juni ist es mit ihm und dem "Zriny" zum Durchbruch gekommen.
"An? verwichenen Mittwoch hab' ich angefangen auszuarbeiten und bin fehl
beim zweiten Aufzuge." Achtzehn Tage später (24. Juni) steht er bereits im
vierten Aufzuge. "Der Soliman ist glücklich zur Leiche gemacht." Mit dein
fünften Akt, den er "schon viel im Kopf bearbeitet hat, denkt er übermorgen
fertig zu sein." Das geschah denn auch (27. Juni) und in, Juli bittet ihn
Schlegel um einige Szenen für sein "Museum." Die Zeit der Ausarbeitung
erstreckt sich also "ur a"f drei Woche", während die Vorarbeiten volle zwei
Mvmite in Anspruch nahmen.

So sehr die Schnelligkeit des eigentlichen Dichtens verwundert, so erklärlich
ist die verhältnismäßig lange Dürer des Stoffsnmmelns. Sie hängt zusammen
mit der Schwierigkeit, die ihm die Quellen boten. Diese waren teils ezechisch
geschrieben, und das verstand natürlich Körner nicht. So vor allem das Epos
^AMtlü vsA-öäelöin, der "Sturz Szigcths" von Niklas Zriny, dem Urenkel
des berühmten Helden, das in dessen: ^tirai einig'an'nem LirsiuiM, in den
"Sirene" des Adriatische" Meeres," enthalten war (Wien, 1et51). Ans die
Spur führte ihn jedenfalls Gebhardis Geschichte von Ungarn, wo im 2. Bande
<S. 36 l) der Fall Szigeths behandelt und oft ans Schwandtners 8eriM"r(^
rin'um IlungiirioiU'um venviesen wird. Bei Schwandtner (I. S. 723) fand er
eine lateinisch geschriebene: Listoris. KÄxötKi tottns 8vIavomW kvrtiMMi
PropuAimouli a Lot^umuno '.1'nreurmn iiuvvi"it,c>rv iuino 1566 vapti . . . por
LiVlnuöloui Uuäing,in I^Äbircciirsmii jimi oliur in I^atinrun eonvlU'Zg,. (Ein
älterer Abdruck davon auch in Nil. Reusuers Rerum inömorirbilinur . . .
"XkMijiu. 1603. S. 138--157.)

Dies ist offenbar jene ungarische Chronik, deren Körner in einem Briefe
den Vater gedenkt (29. März l"12), lind sie hat er nachweislich benutzt,
wenn ihm das Latein auch einige Mühe kosten mochte, dn er bei seinem
Hmlslehrer Küttner alles eher als seine Schuldigkeit in den Sprachen gethan
hatte. Die Benutzung des Budiua geht mit Gewißheit ans einigen Zügen
hervor, die er mir hier geschöpft haben kann. So schreibt in wörtlichster
Übersetzung der alte Chronist: "Deswegen, um des größern Gehorsams und
der Furcht willen, ließ Zrini eine" Fußsoldaten, weil er das Schwert a"f


Auch hier arbeitete er wieder, nachdem er das Stoffliche überwunden hatte,
erstaunlich schnell. Noch an, 20. Februar 1812 hofft er, feinen nächsten
Borwurf zu einen, Stück in der Geschichte Tirols zu finden; Mitte März (15.)
ist schon „der ungarische Leonidas, Graf Zriny," sein Augenmerk. Es ist seiner
Ansicht nach el» Stoff, der alle mögliche» Vorzüge einer dramatischen Be¬
arbeitung in sich hat. Den 9. März beabsichtigt er, den Plan zum „Zriny"
Goethen nach Karlsbad zu schicke». Unterm 29. März dankt er dein Vater
für die Mühe, ihm die Quellen aufgeschrieben zu haben. Am 18. April will
er mit frischem Mute an das neue Stück gehen. Keine zwei Monate, und
am «>. Juni ist es mit ihm und dem „Zriny" zum Durchbruch gekommen.
„An? verwichenen Mittwoch hab' ich angefangen auszuarbeiten und bin fehl
beim zweiten Aufzuge." Achtzehn Tage später (24. Juni) steht er bereits im
vierten Aufzuge. „Der Soliman ist glücklich zur Leiche gemacht." Mit dein
fünften Akt, den er „schon viel im Kopf bearbeitet hat, denkt er übermorgen
fertig zu sein." Das geschah denn auch (27. Juni) und in, Juli bittet ihn
Schlegel um einige Szenen für sein „Museum." Die Zeit der Ausarbeitung
erstreckt sich also »ur a»f drei Woche», während die Vorarbeiten volle zwei
Mvmite in Anspruch nahmen.

So sehr die Schnelligkeit des eigentlichen Dichtens verwundert, so erklärlich
ist die verhältnismäßig lange Dürer des Stoffsnmmelns. Sie hängt zusammen
mit der Schwierigkeit, die ihm die Quellen boten. Diese waren teils ezechisch
geschrieben, und das verstand natürlich Körner nicht. So vor allem das Epos
^AMtlü vsA-öäelöin, der „Sturz Szigcths" von Niklas Zriny, dem Urenkel
des berühmten Helden, das in dessen: ^tirai einig'an'nem LirsiuiM, in den
„Sirene» des Adriatische» Meeres," enthalten war (Wien, 1et51). Ans die
Spur führte ihn jedenfalls Gebhardis Geschichte von Ungarn, wo im 2. Bande
<S. 36 l) der Fall Szigeths behandelt und oft ans Schwandtners 8eriM»r(^
rin'um IlungiirioiU'um venviesen wird. Bei Schwandtner (I. S. 723) fand er
eine lateinisch geschriebene: Listoris. KÄxötKi tottns 8vIavomW kvrtiMMi
PropuAimouli a Lot^umuno '.1'nreurmn iiuvvi"it,c>rv iuino 1566 vapti . . . por
LiVlnuöloui Uuäing,in I^Äbircciirsmii jimi oliur in I^atinrun eonvlU'Zg,. (Ein
älterer Abdruck davon auch in Nil. Reusuers Rerum inömorirbilinur . . .
«XkMijiu. 1603. S. 138--157.)

Dies ist offenbar jene ungarische Chronik, deren Körner in einem Briefe
den Vater gedenkt (29. März l«12), lind sie hat er nachweislich benutzt,
wenn ihm das Latein auch einige Mühe kosten mochte, dn er bei seinem
Hmlslehrer Küttner alles eher als seine Schuldigkeit in den Sprachen gethan
hatte. Die Benutzung des Budiua geht mit Gewißheit ans einigen Zügen
hervor, die er mir hier geschöpft haben kann. So schreibt in wörtlichster
Übersetzung der alte Chronist: „Deswegen, um des größern Gehorsams und
der Furcht willen, ließ Zrini eine» Fußsoldaten, weil er das Schwert a»f


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/183>, abgerufen am 28.09.2024.